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Cover des Buchs von Hanspeter Guggenbühl © Rüegger-Verlag

Das unabhängige Buch zur Energiewende

Red. /  Energiespezialist Hanspeter Guggenbühl erläutert verständlich und überzeugend, wie die Energiewende in der Schweiz gelingen kann.

Red. Eine Zukunft ohne Atomkraft und der Umstieg auf erneuerbare Energie ist schneller verlangt als realisiert. Leserinnen und Leser von Infosperber kennen Hanspeter Guggenbühls Berichte, Analysen und Kommentare zu Aktualitäten der Energiepolitik. Sein neustes Buch bietet Grundwissen zu dieser Energiepolitik und deckt in verständlicher und kompakter Form verdeckte Interessen, Scheinheiligkeiten und Hintergründe auf. Im Folgenden veröffentlicht Infosperber einen kurzen Buchauszug, der die Lektüre des ganzen Buchs in keiner Weise ersetzen kann.

ENERGIEWENDE: DIE SCHWEIZ BRAUCHT EINE LENKUNGSABGABE
Nicht nachwachsende Energie ist zu billig. Denn keine Buchhaltung erfasst den Verlust an Erdöl, Uran und andern Bodenschätzen, den unser Raubbau jährlich bewirkt. Zudem missachten die heutigen Preise die Kosten, welche die Abfälle in Form von Atommüll, CO2-Emissionen oder Elektroschrott verursachen.

Diese nicht gedeckten Kosten, die wir heute sozialisieren oder auf nächste Generationen abwälzen, müssen allen Energieverbrauchern verursachergerecht verrechnet werden. Das ist die erste Anforderung, welche die Politik erfüllen muss, um die Wende zu einer welt- und schweizverträglichen Energieversorgung einzuleiten. Das ideale Mittel dazu ist eine Lenkungsabgabe. Damit lassen sich die nicht gedeckten Kosten, die der wachsende Energiekonsum verursacht, ins wirtschaftliche Preissystem integrieren.

Mit Abgabe auf Primärenergie umlenken

Die Lenkungsabgabe soll in erster Linie auf nicht nachwachsender Primärenergie, also auf Kohle, Erdöl, Erdgas und Uran erhoben werden. Sofern die Umwandlung von Primär- zu Endenergie in ausländischen Kraftwerken oder Raffinerien erfolgt, sind die importierten Produkte zu belasten, also Elektrizität, Benzin, Diesel etc. Das Inkasso kann die Zollverwaltung übernehmen. Der Bürokratische Aufwand dafür ist gering, weil heute alle nicht erneuerbare Primär- und Endenergie importiert wird.

Die Höhe der Abgabe bemisst sich in erster Linie am Energiegehalt, zum Beispiel in Rappen pro Kilowattstunde (kWh). Die Ansätze können zusätzlich differenziert werden, je nach Wert (Energiedichte) oder Knappheit des Energieträgers. Auch unterschiedliche Umwelt- und Klimaschäden sowie Risiken, die der Einsatz der einzelnen Energiearten verursacht, lassen sich bei der Festlegung der Abgabe berücksichtigen. In zweiter Linie sollen auch erneuerbare Energiequellen mit einer – differenzierten – Abgabe erfasst werden, soweit ihre Nutzung die Umwelt belastet.

Damit sie den Energietrend wenden kann, muss eine Lenkungsabgabe möglichst hoch sein. Doch eine sofortige massive Erhöhung der Energiekosten würde die bisherigen wirtschaftlichen und sozialen Strukturen schockartig verändern. Um der Wirtschaft, Hausbesitzern und Haushalten genügend Zeit zur Umstellung zu geben, empfehle ich, die Abgabe anfänglich tief anzusetzen und danach stufenweise und langfristig voraussehbar zu erhöhen.

Dazu ein Zahlenbeispiel: Die Abgabe startet im ersten Jahr mit einem Ansatz von nur zwei Rappen pro kWh Primärenergie. Atomstrom mit einem Umwandlungsverlust von zwei Dritteln würde damit pro kWh um sechs Rappen teurer, ein Liter Rohöl um zwanzig Rappen. Das ist sofort verkraftbar. Danach liesse sich die Abgabe jährlich um zehn Prozent steigern. Das ergäbe eine Verdoppelung der Abgabe im 8. Jahr, eine Vervierfachung im 15. und eine Verachtfachung im 22. Jahr, usw. Die Lenkungsabgabe wird solange erhoben und erhöht, bis der Verbrauch der Energie und des CO2-Ausstosses auf die in der Energiestrategie angestrebten Zielwerte sinkt. Oder bis der Umstieg auf erneuerbare Energieträger rentabel wird.

Die variable Abgabe mit dem Markt koppeln

Die voraussehbar steigende Abgabe ist das eine Element, das den Energiepreis bestimmt. Als zweites Element bleibt der nicht regulierte Marktpreis. Dieser kann und soll sich weiterhin frei bilden, um kurzfristige Zu- und Abnahmen von Angebot und Nachfrage auszugleichen. Um die damit verursachten Schwankungen des gesamten Energiepreises (Marktpreis plus Abgabe) zu glätten, kann die steigende Lenkungsabgabe variabel gestaltet respektive mit dem Marktpreis verknüpft werden. Dies soll aber nur einseitig geschehen, nämlich nach oben, um eine Kumulation von voraussehbar steigender Energieabgabe und kurzfristig explodierendem Marktpreis abzufedern.

Zur Illustration nochmals unser Zahlenbeispiel, angewendet auf den Ölmarkt: Ein Liter (10 kWh) Rohöl kostete Anfang 2013 an der Rotterdamer Rohstoffbörse rund 70 Rappen. Die oben beschriebene Energieabgabe wird 2015 eingeführt. In diesem ersten Jahr würde sie den Marktpreis für Rohöl um 20 Rappen pro Liter erhöhen, im achten Jahr um 40 Rappen, im 15. Jahr um 80 Rappen, usw. Bei gleichbleibendem Börsenpreis stiegen die Gesamtpreise pro Liter Rohöl damit auf 90 Rappen im Jahr 2015, auf 110 Rappen im Jahr 2022 und auf 150 Rappen im Jahr 2029.

Falls die reinen Marktpreise über den skizzierten Preispfad steigen (also höher sind als der Marktpreis von 2013 plus die steigende Energieabgabe), wird keine Energieabgabe erhoben. In solchen Zeiten gälte also der steigende Marktpreis. In jenen Jahren hingegen, in denen der reine Marktpreis unter die Schwelle von 70 Rappen pro Liter Öl im Ausgangsjahr 2015 fällt, zählt der erwähnte Preispfad (70 Rappen Ausgangspreis plus steigende Abgabe).

Das Ziel dieser einseitigen Verknüpfung: Die variable Lenkungsabgabe soll das Erdöl langfristig voraussehbar verteuern, selbst wenn die Marktpreise vorübergehend einbrechen. Sie soll aber verhindern, dass kurzfristig massive Preisaufschläge durch die Energieabgabe noch verstärkt werden und damit den Preisschock zusätzlich verschärfen. Das Gleiche variable Prinzip soll auch für alle anderen Energieträger gelten.

Den Ertrag der Ökosteuer zurück erstatten

Schon eine anfänglich tiefe Abgabe von zwei Rappen pro Kilowattstunde Primärenergie brächte einen Jahresertrag von rund sieben Milliarden Franken; dies beim heutigen Schweizer Energieverbrauch. Die stufenweise Erhöhung der Abgabe würde den Ertrag anfänglich weiter erhöhen, obwohl die Abgabe einen Rückgang des Energiekonsums bewirken wird. Damit stellt sich die Frage: Wohin mit dem hohen und wachsenden Ertrag?

Lenkungsabgaben dürfen keine Steuern sein, welche die Staatseinnahmen erhöhen. Deshalb müssen Energie- oder andere Umweltabgaben entweder kompensiert werden, indem man andere Steuern oder Sozialabgaben wie etwa jene für die AHV senkt. Damit wird die Lenkungsabgabe zur ökologischen Steuerreform ausgeweitet. Eine solche Kompensations-Lösung fordert etwa die Grünliberale Partei mit ihrer Volksinitiative «Energie- statt Mehrwertsteuer». Damit greift die GLP auf ein Modell zurück, das der Ökonom Elmar Ledergerber schon 1986 nach der Atomkatastrophe in von Tschernobyl vorschlug, um den Atomausstieg mit dem Klimaschutz zu verknüpfen.

Diese Kompensation hat jedoch zwei Nachteile. Erstens vermischt sie das Lenkungsziel der Energieabgabe mit dem Finanzierungsziel, das der Staat mit der Mehrwert- und andern Steuern verfolgt. Das Problem: Wenn die Energieabgabe wie erwünscht wirkt, sinkt der Energieverbrauch und langfristig der Ertrag der Energieabgabe. Damit aber kann der Bund sein Finanzierungsziel nicht mehr erfüllen. Zweitens kann man sich ewig darüber streiten, welche andere Steuer kompensiert werden soll. Die Rechtsparteien, die eine Energieabgabe ohnehin ablehnen, wünschen eine Kompensation bei der direkten Bundessteuer, um die hohen Einkommen zu entlasten. Die Linken hingegen bevorzugen eine Kompensation bei AHV oder Krankenkassenprämien, was Leute mit tiefem Einkommen bevorteilt. Die Kompensations-Frage schafft also zusätzliche Angriffsfläche gegen ein Instrument, das ohnehin angefochten wird.

Aus diesen Gründen bevorzuge ich das Rückerstattungs-Modell. Konkret: Die Einnahmen aus der Energie-Lenkungsabgabe werden pro Kopf und pro Arbeitsplatz an Konsumenten und Unternehmen zurück erstattet. Das bewirkt, dass diejenigen, die mehr Energie als der Durchschnitt verbrauchen, finanziell bestraft werden. Wer hingegen weniger braucht, wird unter dem Strich belohnt. Je höher die Lenkungsabgabe steigt, desto stärker wirken sich diese Öko-Bonus und Öko-Malus aus. Das Rückverteilungs-Modell fördert nebenbei auch den sozialen Ausgleich, weil ärmere Leute in der Regel weniger Energie verbrauchen als Reiche mit grossen Villen und übermotorisierten Limousinen. Kommt dazu: Diese Art von Rückverteilung ist in der Schweiz bereits eingeführt: So wird ein Teil des Ertrags aus der – allerdings mickrigen – CO2-Abgabe auf fossilen Brennstoffen heute pro Kopf und Arbeitsplatz zurück erstattet.

Ein Instrument mit vielen Vorteilen

Die meisten Wirtschaftswissenschafter sind sich einig: Lenkungsabgaben stellen ein marktkonformes Instrument dar, sofern ihr Ertrag nicht dazu missbraucht wird, die Staatseinnahmen zu erhöhen. Mit der Abgabe auf Energie oder andern Naturgütern lassen sich die Kosten des Naturverbrauchs auf einfache Art in die Marktwirtschaft integrieren und den Verursachern gerecht anlasten. Als Instrument in der Energiepolitik sind Lenkungsabgaben effizient und unbürokratisch. Sie können bestehende Förderabgaben und Subventionen ersetzen, und das ist gut so. Denn Techniken oder Energieträger, die der Staat heute fördert, können morgen in einer Sackgasse enden. Das droht zum Beispiel dann, wenn ein subventionierter Energieträger nicht hält, was er versprach. Oder wenn neue Erfindungen bisher geförderte Technologien wertlos machen.

Der wichtigste Vorteil: Lenkungsabgaben lassen der Wirtschaft und den Haushalten die Wahl, wie sie auf die Erhöhung der Preise für nicht nachwachsende Energie reagieren wollen: Entweder mit Investitionen zur Steigerung der Energieeffizienz. Oder mit dem Umstieg auf erneuerbare Energieträger. Oder mit Suffizienz, also einem genügsameren Verhalten. Jede dieser Reaktionen bringt uns dem Ziel näher. Wie stark sich dabei genügsameres Verhalten auswirken kann, zeigen Erhebungen über den Elektrizitätsverbrauch: Sparsame Haushalte kommen mit einem Drittel der Strommenge aus, die vergleichbare, aber prasserische Haushalte konsumieren.

Suffizientes Verhalten ist in der aktuellen Vorlage des Bundesrates nicht vorgesehen, obwohl dieses in vielen Fällen effektiver ist als Effizienz. Beispiel: Effizient ist es, die Beleuchtung von Fassaden auf Led-Lampen umzustellen, die pro kWh Energiebedarf mehr Licht liefern. Effektiver aber ist es, die unnötige Beleuchtung von Fassaden zu unterlassen. Ähnlich verhält es sich beim Transport: Wer von einem konventionellen Benzin- auf ein modernes Hybrid- oder Elektroauto umsteigt, kann den Spritverbrauch halbieren. Effektiver aber ist der Umstieg vom Hybrid-Auto aufs Elektrovelo, denn damit sinkt der primäre Energieverbrauch bei gleicher Distanz auf einen kleinen Bruchteil.

Den Fahrplan der Energiestrategie ändern

Die Vorzüge einer Lenkungsabgabe erkennen auch Mitglieder der Landesregierung, allen voran Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf. Schon im Jahr 2011 schlug sie dem Bundesrat eine ökologische Steuerreform vor, die auf einer Energieabgabe basiert. Doch im Bundesrat stiess ihr Vorschlag auf Widerstand. Energieministerin Doris Leuthard bekannte damals öffentlich: «Ich bin skeptisch gegenüber Lenkungsabgaben.»

Ihre Skepsis teilte die Mehrheit des Bundesrates. Darum fehlt in der aktuellen Vorlage, ausgearbeitet von Leuthards Energiedepartement, die Lenkungsabgabe. Die Begründung: Zuerst soll die Schweiz ihre bisherige Energiepolitik mit Vorschriften, Förderabgaben, Subventionen und einer bescheidenen, auf Brennstoffe begrenzten CO2-Abgabe weiter führen und verstärken. Erst «für die Zeit nach 2020» wird in einer zweiten Etappe «eine Energieabgabe auf sämtliche Energieträger mit Rückerstattung an Wirtschaft und Bevölkerung geprüft», schreibt der Bundesrat in seinem Bericht und fährt fort: «Der Übergang vom bestehenden Förder- hin zu einem Lenkungssystem soll fliessend und innerhalb einer vertretbaren Übergangsfrist stattfinden.»

Mit diesem Fahrplan behält der Bundesrat den unvollkommenen Spatz in der Hand und hofft, dass er im Parlament möglichst wenig Federn lassen muss. Die Taube hingegen reicht er an seine Nachfolgerinnen und Nachfolger weiter. Aus realpolitischer Sicht mag dieser Entscheid richtig sein, wenn man bedenkt, dass in den letzten Jahrzehnten alle Vorschläge für Lenkungsabgaben versandet oder am Widerstand der Wirtschaft gescheitert sind.

Sachlich hingegen ist dieser Fahrplan verkehrt. Denn eine Lenkungsabgabe reizt automatisch zum Energiesparen an. Sie kann damit Förderabgaben, Subventionen, Förderprogramme und Steuerabzüge weitgehend ersetzen. Konkret: Wenn die Preise aller Energieträger voraussehbar steigen, braucht der Staat Hausbesitzer nicht mehr zu subventionieren, damit sie ihre Gebäude energetisch sanieren. Und wenn die Energieabgabe nicht nachwachsende Energieträger stärker belastet, erfolgt automatisch ein Umstieg auf den ökologisch optimalen Energiemix. Diese Energie-Lenkungsabgabe kann die teilweise Zweckbindung der CO2-Abgabe ebenso ablösen wie die Kostendeckende Einspeiseverfügung (KEV) – und damit auch den Streit über die Verteilung der Subventionen und die damit verbundenen Fehlanreize beenden. Subventionen gäbe es damit nur noch für Forschung, innovative Pilotanlagen sowie die dringend notwendige Aus- und Weiterbildung der in den Cleantech-Branchen tätigen Leute. Denn je ausgefeilter die Technik ist, desto stärker wirken sich Fehler beim Einbau und der Anwendung dieser Technik aus.

Lenkungsabgabe auf Energie dürfen darum nicht Nachzügler sein, sondern müssten die Grundlage der Energiestrategie bilden, auf die sich alle weiteren Massnahmen ausrichten. Kurzum, ich wiederhole hier eine Meinung, die ich seit über zwanzig Jahren verkünde: Damit die Energiewende gelingt, muss die Schweiz in erster Linie und möglichst schnell eine umfassende Lenkungsabgabe auf Energie einführen.

Eine Lenkungsabgabe ist das grundlegende, aber nicht das einzige Mittel, um die Energiewende erfolgreich herbei zu führen. Das Buch erklärt, in welchen Bereichen sich der Energieverbrauch der ökonomischen Logik entzieht, und welche Massnahmen es darum zusätzlich braucht.

Siehe Interview mit Hanspeter Guggenbühl.
Urs P. Gasche: «Vergebliches Ködern von Konzernen» vom 7.12.2013


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Hanspeter Guggenbühl ist regelmässiger Autor auf der Plattform Infosperber. Zusammen mit Urs P. Gasche hat er 2010 das Buch «Schluss mit dem Wachstumswahn – Plädoyer für eine Umkehr» veröffentlicht. Rüegger-Verlag, 19.50 Franken.

Zum Infosperber-Dossier:

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Erstes, zweites und drittes Gebot: Der Stromverbrauch darf nicht weiter zunehmen.

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Rohstoffe lagern in der Erde noch viele. Doch deren Ausbeutung schafft Risiken und wird fast unbezahlbar.

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