Kommentar
Das Geschwätz vom Strommarkt
»Weniger Planwirtschaft, mehr Markt». Das verlangen die Sachwalter der Wirtschaft – von der Avenir- über die Economiesuisse bis hin zum Energieforum –, wenn sie die Energiestrategie des Bundesrates kritisieren. Mehr Markt wünscht der Bundesrat selber. Darum verhandelt er seit 2007 mit der EU über einen Vertrag, der die Einbindung der Schweiz in den europäischen Strommarkt erleichtern soll.
Der Ruf nach Markt tönt gut – wenn es denn einen unverfälschten Markt gäbe. Gibt es aber nicht. Gerade in der Stromversorgung wird der Markt verzerrt durch eine Spirale von Subventionen, die sich immer schneller dreht. So wälzen die Betreiber von Atom- Kohle- und Gaskraftwerken die von ihnen verursachten Risiken, Umwelt- und Klimaschäden seit Jahrzehnten auf die Allgemeinheit ab (siehe Nachtrag). Um den auf diese Art subventionierten Atom- und Kohlestrom zu ersetzen, der heute über 80 Prozent des europäischen Stromkonsums deckt, subventionieren die meisten Staaten nun zusätzlich die Produktion von Wind- und Solarstrom. Der subventionierte Solar- und Windstrom wiederum schmälert die Renditen der Wasserkraftwerke in den Alpen. Darum klagen deren Betreiber jetzt über «falsche Anreize», und sie fordern ebenfalls Subventionen. (Siehe unten den Artikel «Subventionen verzerren den Strommarkt».) Da beisst sich die Katze also gleich mehrmals in den Schwanz.
Die Subventionsspirale lässt sich stoppen, wenn alle Kosten der Stromversorgung vollständig auf die Stromverbraucher überwälzt werden. Als Mittel dazu eignen sich Lenkungsabgaben auf nicht erneuerbaren Energieträgern. Doch dieses Mittel bekämpfen die Wirtschaftsvertreter seit Jahrzehnten. Und solange sie das tun, bleibt ihr Ruf nach mehr Markt leeres Geschwätz.
Nachtrag: Das Ausmass der Marktverzerrung
: In den 27 EU-Staaten, so zeigt ein unveröffentlichter Subventionsbericht der EU, wurden im Jahr 2011 folgende Energienutzungen wie folgt subventioniert: Erneuerbare Energie mit 30 Milliarden Euro, Atomstrom mit 35 Milliarden und die fossile Stromproduktion mit 66 Milliarden Euro. Von den 66 Milliarden für fossile Stromproduktion entfielen 26 Milliarden auf direkte Subventionen, 40 Milliarden auf die Abwälzung von Umwelt- und Gesundheitskosten auf die Allgemeinheit. Insgesamt summierten sich die Subventionen damit auf 131 Milliarden Euro oder über 160 Milliarden Franken pro Jahr. Die durch Versicherungen nicht gedeckten Haftpflicht-Kosten sind darin nicht inbegriffen, zeigt der Bericht, den die «Süddeutsche Zeitung» veröffentlichte. Diese Daten relativieren die Klagen der Schweizer Stromkonzerne über die marktverzerrende Subventionierung von Wind- und Solarkraft.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
Auch schweizerische Energiekonzerne haben grosse Investitionen für ausländische Kraftwerke mit fossilen Energieträgern in den Sand gesetzt.
Es ist echt ein Kreuz dass diese Firmen mit dem Geld Schweizerischer Bürger derart sorglos umgehen und die verantwortlichen Entscheidungsträger keinerlei persönlichen Folgen zu fürchten haben, nicht einmal dass sie mit Schimpf und Schande davon gejagt würden…
"….»Weniger Planwirtschaft, mehr Markt». Das verlangen die Sachwalter der Wirtschaft – von der Avenir- über die Economiesuisse bis hin zum Energieforum…»
Dann also die Vollkostenrechnung?! Was würde eine kWh Atomstrom kosten? die Berechnungen gehen von CHF 1.50 bis hin zu CHF 6.00…
Diese Gefahrentechnik hätte es ohne Staatshilfe gar nie gegeben. Nicht einmal zum aufräumen haben die Betreiber genügend Geld geäufnet, geschweige denn für eine brauchbare Haftpflicht. Der «böse Staat» hat bekanntlich die Haftpflicht beschränkt, ohne diesen Trick gäbe es kein AKW! Ein freier Markt wäre das sofortige Ende der Atomkraft.
Karrer hat sich von der Axpo zur Economiesuisse abgeseilt – weitere Kader verlassen die Axpo. Für mich schleichen sie ab bevor ihre milliradenteuren Fehlinvestitionen zum Tagesgespräch werden. Hätte die Atomkraft tatsächlich im echten Markt bestehen müssen wäre nie eine dieser Kisten in Betrieb genommen worden. Aber ein grosser Teil der Gewählten in Bern hat die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt und versucht mit allen Mitteln die Atomkraft weiter auszubauen. Ein trauriges Spiel das vorallem zeigt, wieviele im Parlament abhängig sind von ihren Sponsoren.
Aber die Mär vom günstigen Atomstrom hält sich in kurzsichtigen Wirtschaftkreisen und leider auch bei einem Grossteil der Bevölkerung noch immer.
Die Umsetzung des Vorschlags von Hanspeter Guggenbühl würde ein sofortiges Abschalten der absolut gefährlichen Atomwerke zu Folge haben. Zahlen muss hier so oder so der Bürger. Denn die Atombetreiber haben nie, dank der Politik, wirklich Rückstellungen für den Abriss und das Risiko tätigen müssen. Ebenfalls abgestellt werden müssten die Atomkraftwerke weil noch immer kein Endlager vorhanden ist. Es gab da mal eine Jahreszahl bis wann die Sache gelöst sein müsse – andernfalls…