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Roland Eberle (SVP), Martin Schmid (FDP) und Joachim Eder (FDP): Partikular-Interessen © parlament

Bürgerliche Lobbyisten gegen den Landschaftsschutz

Kurt Marti /  Die ständerätliche Umweltkommission will den Landschaftsschutz verwässern. Infosperber nennt Namen und Interessen der Drahtzieher.

ktm. Anfang Woche ist die Vernehmlassungs-Frist für die Revision des Natur- und Heimatschutzgesetzes (NHG) abgelaufen. Im Auftrag der «Stiftung Landschaftsschutz Schweiz» (SLS) und von «Pro Natura» hat der Zürcher Rechtsprofessor Arnold Marti ein Gutachten verfasst und zusammen mit den RechtsprofessorInnen Jean-François Aubert, Isabelle Häner, Peter Knoepfel, Andreas Stöckli und Thierry Tanquerel eine Stellungnahme unterzeichnet.

Dabei kommen die sechs RechtsprofessorInnen zum Schluss, dass die Lockerung des Schutzes der Inventarobjekte von nationaler Bedeutung «brandgefährlich und gegen den Sinn der Verfassung» ist: «Mit diesen Revisionsvorschlägen wird der schon mehrfach und auch von den eidgenössischen Räten festgestellte tendenziell ungenügende Schutz unserer schönsten Natur- und Landschaftsperlen noch deutlich mehr als bisher gefährdet und in Frage gestellt.»

Infosperber hat bereits zu Beginn der Vernehmlassung die bürgerlichen Lobbyisten gegen den Landschaftsschutz beim Namen genannt. Aus aktuellem Anlass stellt «Infosperber» den Beitrag vom 13. April 2018 noch einmal online.

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Kurz vor Ostern veröffentlichte die Umweltkommission des Ständerats ihren Bericht zur Änderung des Natur- und Heimatschutzgesetzes (NHG), wie das Regionaljournal Graubünden von SRF berichtete.

Konkret will die Umweltkommission den Einfluss der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission (ENHK) zurückbinden und gleichzeitig die kantonalen Nutzungsinteressen höher gewichten. Dieser Angriff wurde bereits im Jahr 2012 durch eine parlamentarische Initiative im Ständerat vorgespurt.

Die ENHK äusserte sich in ihrem Jahresbericht 2014 «äusserst besorgt über diese Entwicklung» und befürchtete, «dass die Errungenschaften aus 40 Jahren Arbeit zur Bewahrung der schönsten schweizerischen Landschaften und Ortsbilder ohne Notwendigkeit Preis gegeben werden sollen». Die Wirkung des NHG werde «ausgehöhlt» und das Ziel der Erhaltung der national bedeutenden Landschaften und Ortsbilder «faktisch aufgegeben».

Tatsächlich ist die geplante NHG-Revision nichts anderes als eine weitere Löcherung des bereits löchrigen Schutzes der sogenannten BLN-Gebiete, die im Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung (BLN) aufgeführt sind (siehe Infosperber: Der BLN-Schutz ist löchrig wie ein Sieb).

Auslöser Pumpspeicherkraftwerk, Hahnensee-Bahn und Inertstoffdeponie

Hinter dieser Attacke auf den Landschaftsschutz stehen allzu durchsichtige Partikular-Interessen. Besonders aufschlussreich ist die Interessenlage der Väter dieser NHG-Revision.

Der ehemalige Zuger FDP-Regierungsrat Joachim Eder wurde im Dezember 2011 in den Ständerat gewählt und schon zwei Monate später klopfte er mit einer parlamentarischen Initiative im Interesse seines Kantons auf den Tisch.

Die ENHK hatte den Bau einer Inertstoffdeponie im BLN-Gebiet «Zugersee» als schwerwiegenden Eingriff taxiert und damit zum Ärger der Zuger Regierung verhindert.

Im Ständerat traf Eder auf weitere eifrige Partikular-Interessenten, denen die ENHK ein Dorn im Auge war. Zum Beispiel auf den damaligen Oberwalliser CSP-Ständerat René Imoberdorf, der im Verwaltungsrat der EnAlpin sass.

ENHK schützte die Alpiq und die EnAlpin vor Verlusten

Die EnAlpin ist mit rund 11 Prozent an der «Energie Electrique du Simplon SA» (EES) beteiligt, die damals zusammen mit dem Alpiq-Konzern ein Pumpspeicherkraftwerk im BLN-Gebiet «Zwischbergental – Laggintal» bauen wollte. Doch die ENHK stoppte dieses Projekt mit einem kritischen Gutachten. Zum Ärger der EnAlpin und auch des Alpiq-Konzerns, der mit 82 Prozent Hauptaktionär der EES ist.


BLN-Gebiet Zwischbergental südlich des Simplons (Quelle: admin)

Dabei schützte die ENHK mit ihrem Gutachten nicht nur das Zwischbergental vor der Überflutung, sondern auch den Alpiq-Konzern und die EnAlpin vor schmerzvollen Verlusten, wie sie zum Beispiel mit dem zwei Milliarden Franken teuren Pumpspeicherkraftwerk «Nant de Drance» im Unterwallis drohen. Die Alpiq ist mit 39 Prozent am Milliarden-Projekt beteiligt, das nächstes Jahr in Betrieb gehen soll und dessen Rentablität in den Sternen steht.

Lobbyisten der Axpo, KWO, Repower und des Engadiner Tourismus

Neben Eder und Imoberdorf haben die parlamentarische Initiative auch zwei Axpo-Exponenten unterschrieben, nämlich der inzwischen verstorbene Glarner FDP-Ständerat und langjährige Axpo-Vize-Verwaltungsrats-Präsident Pankraz Freitag und der Thurgauer SVP-Ständerat und heutige Axpo-Verwaltungsrat Roland Eberle.

Die Axpo geriet durch ihre Kraftwerksplanung immer wieder in einen Konflikt mit dem BLN-Schutz und folglich der ENHK, beispielsweise bei Projekten in den BLN-Gebieten «Rheinfall» oder «Berner Hochalpen und Aletsch Bietschhorn-Gebiet».

Ebenfalls unterschrieben haben die parlamentarische Initiative zwei weitere Strom-Lobbyisten, nämlich der Berner BDP-Ständerat Werner Luginbühl und der Bündner FDP-Ständerat Martin Schmid.

Ständerat Luginbühl war damals im Verwaltungsrat der Kraftwerke Oberhasli (KWO) und ist seit 2013 Verwaltungsrats-Präsident der KWO. Die KWO will bekanntlich ein Pumpspeicherkraftwerk an der Grimsel bauen, welches im BLN-Gebiet «Berner Hochalpen und Aletsch Bietschhorn-Gebiet» liegt.

Ständerat Schmid ist Verwaltungsrat der Repower, deren Pumpspeicherkraftwerk-Projekt «Lago Bianco» am Rande des BLN-Gebiets «Oberengadiner Seenlandschaft und Berninagruppe» liegt.

Zu den Unterzeichnern der parlamentarische Initiative gehörte auch der Bündner CVP-Ständerat Stefan Engler. Zusammen mit Ständerat Martin Schmid vertritt er damit auch die Interessen der Engadiner Tourismusbranche und deren Hahnseebahn-Projekt.

Weil die geplante Bahn im BLN-Gebiet «Oberengadiner Seenlandschaft und Berninagruppe» liegt, wurde das Projekt durch ein negatives ENHK-Gutachten bisher verhindert.

Eberle und Schmid an der Spitze der Umweltkommission

Inzwischen ist die Umweltkommission des Ständerats am Drücker und hat den oben erwähnten Bericht zur NHG-Revision angenommen und in die Vernehmlassung geschickt. Eine Kommissionsminderheit hat die Änderung abgelehnt.

In der Umweltkommission sitzen heute drei Unterzeichner der parlamentarischen Initiative, nämlich Roland Eberle und Martin Schmid als Präsident beziehungsweise Vize-Präsident sowie Werner Luginbühl als Mitglied.

Die weiteren bürgerlichen Mitglieder der Umweltkommission sind: Beat Rieder (CVP/VS), Beat Vonlanthen (CVP/FR), Yvo Bischofberger (CVP/AI), Ruedi Noser (FDP/ZH), Damian Müller (FDP/LU) und Werner Hösli (SVP/GL).

Im Widerspruch zu einem früheren GPK-Bericht

Die ständerätliche Umweltkommission liegt mit ihrem Bericht im Widerspruch zu einem Bericht der Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Nationalrates.

Die GPK schlug nämlich bereits vor 15 Jahren Alarm: Der gesetzliche Schutz gemäss NHG sei «bisher insgesamt nicht erreicht» worden und «das prozentuale Wachstum der Siedlungsflächen zwischen 1979/85 – 1992/97 innerhalb der BLN-Objekte annähernd so gross ist wie ausserhalb».

Beispielsweise die Gebäudefläche nahm ausserhalb der BLN-Gebiete um 16,5% und innerhalb nur minim weniger um 15,5% zu, die Verkehrsfläche um 9,7% beziehungsweise 8,6%. Das Industrieareal wuchs mit 37,5% innerhalb der BLN-Gebiete sogar stärker als ausserhalb.

Laut GPK-Bericht sind die lokalen Entscheidbehörden mit der «anspruchsvollen Interessenabwägung mitunter überfordert». Geringfügige Eingriffe seien zulässig, ohne dass ein nationales Interesse bestehe. Das berge die Gefahr, dass die Summe zahlreicher Eingriffe in ein BLN-Objekt im Endeffekt «zu einer beträchtlichen Veränderung des Objekts» führe.

Kamikaze-Flug der ständerätlichen Umweltkommission

Diese Einschätzung der GPK hat die ENHK in ihrem Jahresbericht 2013 erneut bekräftigt. Darin warnt die Natur- und Heimatschutzkommission vor «der schleichenden Entwertung von Landschaften und Ortsbildern durch die Realisierung verschiedener kleiner Eingriffe». Deren Gesamtwirkung werde «oft erst (zu) spät erkannt», obwohl sie «erhebliche negative Auswirkungen auf die Schutzobjekte» hätten.

Der BLN-Schutz ist seit Jahrzehnten löchrig wie ein Sieb und folglich sind die Bemühungen der Lobbyisten, ihn weiter zu löchern, völlig fehl am Platz.

Bereits jetzt droht Adrian Schmid, Geschäftsführer des Schweizer Heimatschutzes, mit dem Referendum, wie er gegenüber dem «Tagesanzeiger» erklärte.

Und die Chancen für solche Abstimmungen beim Volk stehen gut, wie die Annahme der Zweitwohnungs-Inititative und der Revision des Raumplanungsgesetzes gezeigt hat. Der Revisions-Plan der Umweltkommmission ist ein Kamikaze-Flug.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Kurt Marti war früher Beirat (bis Januar 2012), Geschäftsleiter (bis 1996) und Redaktor (bis 2003) der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES)

Zum Infosperber-Dossier:

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Die Politik der Stromkonzerne

Elektrizitätsgesellschaften verdienen am Verkaufen von möglichst viel Strom. Es braucht endlich andere Anreize.

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4 Meinungen

  • am 13.04.2018 um 12:39 Uhr
    Permalink

    Herr Marti, sie «vergessen» eigenartigerweise einen wichtigen Punkt. Das am 21. Mai 2017 angenommene Energiegesetz verpflichtet die Kantone, Gebiete für die Windenergienutzung zu bezeichnen. Als Folge davon will jetzt z.B. der Kanton Schaffhausen seinen Richtplan anpassen und Grosswindturbinen in geschützten Gebieten zulassen. Zum Beispiel in der idyllischen schaffhauser Randenlandschaft. Die Bewilligungsbehörden können solche Projekte nur schlecht ablehnen, da sie mit dem angenommenen Energiegesetz die Energiegewinnung gleich hoch wie den Landschaftsschutz gewichten müssen. Eine krasse Fehlentwicklung. Warum hören wir nichts dazu von Ihnen und Infosperber generell? Weil der Sieg gegen den «grossen Satan» Kernkraft das Schlucken aller Kröten rechtfertigt?

  • Portrait_Rainer_M_Kaelin
    am 13.04.2018 um 14:55 Uhr
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    Dank für die seriöse Berichterstattung über die Manoeuver unserer Parlamentarier, die ihren Auftrag als (Partikular-)Interessenvertreter wichtiger nehmen als das Gemeinwohl, wofür diese «Volksvertreter» eigentlich gewählt worden sind. Es zeigt sich hier genau dasselbe Phänomen, wie man es mit dem Einfluss der Tabakindustrie auf die Präventionsmassnahmen zugunsten der öffentlichen Gesundheit feststellen kann : Die Tabakindustrie braucht keine Lobbyisten zu bezahlen; diese sitzen, gewählt vom Volk als Volksvertreter, schon im Parlament und üben ihren Einfluss aus, ohne dass ihre eigentlichen Drahtzieher vom Publikum erkennbar sind. Mehr Transparenz über die Interessenverbindunden der sich zur Wahl stellenden Personen und vorallem über die Geldflüsse in die Partei- kassen wäre dem Funktionieren unserer Demokratie förderlich, um der Aushöhlung schon bestehender und der Annahme von Gesetzen, die ihren Zweck nur mit dem Titel erfüllen (Alibi-gesetze) zu verhindern. Im Grunde handelt es sich um den unterirdischen Einfluss, den man mit jenem der ARA (American Rifle Association) in den USA vergleichen kann (Verhinderung auch einer nur rudimentären Reglementierung von Schusswaffen) : der Einfluss wird solange schwerwiegend und bestimmend sein, wie die Transparenz der Finanzierung verschleiert wird. Kein Wunder, dass unsere Parlamentarier sich bisher wiederholt, hartnäckig und immer mit «edlen» Argumenten ("Milizparlament") jedem Versuch zu mehr Transparenz widersetzt haben.

  • am 14.04.2018 um 06:17 Uhr
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    Umweltschutz verliert regelmässig bei Nachhaltigkeitsprüfung!

    Die Überprüfung von Projekten an ihrer Nachhaltigkeit (Wirtschaft, Gesellschaft, Ökologie) ist fatal für den Umweltschutz. Regelmässig werden ökologische Nachteile eines Projektes durch seine wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Vorteile übertroffen. Die ökologischen Nachteile von wachstumsfördernden Projekten können damit elegant unter den Tisch gewischt werden

  • am 14.07.2018 um 06:37 Uhr
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    Man sehe es mir hier bitte nach, wenn ich die eher «deutschen» Begriffe verwende aber das ist für jeden Schweizer wohl genauso verständlich. Ständig werden «Naturschutz» mit «Umweltschutz» und «Klimaschutz» vermengt und verwechselt. Dabei sind das drei völlig verschiedene Dinge. Wird etwa eine Umgehungsstrasse gebaut, um einen Ort vom Autoverkehr zu entlasten, ist das eine Massnahme für den «Umweltschutz» (Entlastung der Menschen und ihrer Wohnsitutation) die zugleich ein Vergehen gegen den «Naturschutz» sein kann, etwa weil Pflanzen und Tiere an der neu gebauten Trasse weichen müssen. Naturschutz und Umweltschutz, müssen somit in einer sinnvollen Art untereinander ausgewogen und gewichtet werden. Sie sind aber so in langjähriger Zeit erforscht und belegt.

    Seit wenigen Jahren kam der «Klimaschutz» als dritter Begriff dazu, der aber weitgehend auch nach Angaben des IPCC, nunmal auf Computersimulationen und Annahmen aufbaut. Dennoch werden im Namen von «Klimaschutz» z.B. Windkraftanlagen gebaut und für die Genehmigungen derselben wegen der angenommenen CO2-Ersparnis damit, praktisch wie «reine Natur» gewichtet, so ist das aber faktisch ein überwertiger Eingriff in den Naturschutz (Landschaft betoniert, Vogeltod, Fledermaustod usw.) und in den Umweltschutz (Lärm, Blinken, Landschaftsbild, Schattenschlag usw.) für einen recht willkürlichen Zweck.

    Was «Klimaschützer» in der Schweiz und in der BRD nicht begreifen, ist das dasselbe in Frankreich «Kernkraft» als Folge heisst!

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