Zu Fuss von Wien nach Nizza
25 Jahre nach der ersten transalpinen Weitwanderung von Wien nach Nizza nimmt in diesen Monaten ein Teil des damaligen Kernteams den gleichen Weg nochmals unter die Füsse – gewissermassen als «Erfolgskontrolle» der umweltpolitischen Entwicklung der Alpen. Tatsächlich hat sich seit der ersten Wanderung im Jahr 1992 einiges verändert, was bereits im Namen des Projekts anklingt. Vor 25 Jahren fand die Weitwanderung noch unter dem Namen «TransALPedes» statt, heute heisst das Unternehmen «whatsalp». Das weist auf eine Verschiebung der Werte hin: Der globale Austausch an Informationen dominiert. Weniger der nahe Naturraum findet Beachtung, sondern die «ganze Welt» ist im Zeitalter der sozialen Medien ins Blickfeld der Umweltpolitik gerückt. Anstatt gegen die überbordende Mobilität direkt vor der Haustüre zu kämpfen, werden heute eher abstrakte Probleme wie etwa der Klimawandel diskutiert: Konkrete, häufig kleinräumige Massnahmen und Auseinandersetzungen haben angesichts der globalen Themen an Bedeutung verloren.
Marktmacht diktiert Nutzung der Alpen
So mutet es wie eine Art von Nostalgie an, wenn die «whatsalp»-Wandergruppe auf den Spuren von damals den Versuch einer Bestandesaufnahme macht: Denn an die Stelle des einst propagierten naturnahen Tourismus sind Zusammenschlüsse von Feriendestinationen zu überregionalen Verbünden getreten, mit dem Ziel das Angebot für die Touristen zu erweitern. Marktmacht und Marketing dominieren die Strategien für die Nutzung der Alpen, Pistenbeschneiungsanlagen sind ein Muss, Glamour-Destinationen wie etwa Sawiris Luxusresort in Andermatt sind zu Leuchttürmen der Entwicklung geworden. Und die heutige Jugend orientiert sich vorwiegend am urbanen Leben.
Das Primat der Ökonomie und die damit verbundene Mobilität des Humankapitals hat den Wandel beschleunigt. Zurückgeblieben sind einzelne Nischen. Dies vor allem dort, wo Eingriffe übergeordneter Organisationen die Entwicklung gebremst oder auch Raum für eigenständige Entwicklungen und Auseinandersetzungen geschaffen haben. In Österreich sind es etwa die grossflächigen Naturparks, in der Schweiz der biologische Landbau im Alpenraum, in Italien, wo basisdemokratische Kämpfe aufgrund des weniger stark feingetunten staatlichen Gewaltmonopols noch immer bestehen, der Widerstand etwa gegen das Bahnprojekt durch das Susatal im Piemont. Aber insgesamt droht dem Alpenraum dasselbe Schicksal wie anderen – durch die vorherrschende Marktideologie zu Randregionen degradierte Gegenden. Bloss noch Pensionierte suchen ihre Ruhe in den abgelegenen Alpentälern, während innovative Jugendliche für eine bessere Zukunft in den urbanen Raum abwandern.
Mit den Füssen und dem Kopf
Aber entspricht diese Wahrnehmung der Alpen-Realität, wie sie vorwiegend in den Medien kolportiert wird, auch den tatsächlichen Verhältnissen? Ist das auch von alternativ ausgerichteten Förderern des sanften Tourismus propagierte Wandern mehr als bloss Pfadbrecher für eine neue Art von Massentourismus? Die Alpen als weichgespültes Disneyland? Als Eldorado für Eigenbrötler, denen die Subventionen ihren knorrig-konservativen Lebensstil ermöglichen? Oder als Kulisse für den entpolitisierten, alternativen Selbstfindungstrip?
Weitwandern und sich mit der Natur, dem Raum und den Menschen beschäftigen, die ihn bewohnen, ermöglicht eine Verortung der verschiedenen Entwicklungen und der zukünftig möglichen Entwicklungen. In diesem Zusammenhang finden während der «whatsalp»-Tour an den Etappenorten zahlreiche Veranstaltungen zu unterschiedlichen Themen statt. Auf der Website www.whatsalp.org ist der Routenplan mit den Etappenorte aufgeführt, zudem berichtet das Team in einem Tagebuch von Begegnungen und Erlebnissen während der Tour. Interessierte, die sich der Wandergruppe anschliessen möchten (auch nur über eine kürzere Etappe), können sich auf der Homepage anmelden.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine.