Velos für den Profit: Radwege bringen Umsatz
Mehr Velowege, das heisst sicherere Stassen, weniger Luftverschmutzung und lebenswertere Quartiere. Wenn ein Veloweg gebaut werden soll, gehen die Wogen aber meist hoch. Das ansässige Kleingewerbe wehrt sich in der Regel heftig, weil dafür meist Parkplätze verschwinden. Ohne diese gebe es weniger Umsatz, so die Befürchtung. Die meist nicht stimmt.
Um verkehrsberuhigte Zonen gibt es oft regelrechte Kleinkriege, die sich jahrelang hinziehen können und auch medial ausgetragen werden. Laute und skeptische Stimmen erhalten dadurch meist grösseres Gewicht.
Einseitige Wahrnehmung des Velo-Parkplatz-Konflikts
Ein unzufriedener Kunde, der sich beschwere, dass er keinen Parkplatz mehr finde, bleibe einem Ladeninhaber besser im Gedächtnis als zehn zufriedene, die sich nicht äussern, führt der Journalist Adam Rogers in «Business Insider» an. Ähnliches gilt auch für die öffentliche Wahrnehmung.
Rogers hat sich durch zahlreiche Studien von US-Städten aus mehreren Jahrzehnten gearbeitet, um herauszufinden, ob Velowege wirklich Profitkiller sind. Er fand Studien, die bis 1984 zurückreichen.
Unter dem Strich ist es tatsächlich meist förderlich für das Geschäftsumfeld, wenn eine Gemeinde eine Strasse für den Langsamverkehr ansprechender gestaltet. Unternehmen, die vom Umbau nicht profitieren, geht es dabei nicht viel schlechter. Wobei nicht nur die Einrichtung einer Velospur entscheidend ist, sondern die Qualität der gesamten Umgebung.
Der Kofferraum-Faktor wird überschätzt
Die USA sind dabei nicht gerade als Veloparadies bekannt. Strassen mit Velostreifen werden in den USA als «European-style» beschrieben, das sagt fast alles. Die meisten Studien basierten auf Umfragen, schreibt Rogers. Dadurch entstehe ein Ungleichgewicht. Aussagekräftigere Daten wie Steuer-, Umsatz- oder Beschäftigungszahlen würden nur selten ausgewertet.
Umfragen zeigten aber, dass Fehleinschätzungen häufig vorkommen. So legt eine Studie aus Los Angeles von 2012 dar, dass mehr als die Hälfte der an einem Veloweg ansässigen Ladeninhaber dachten, dass die meisten ihrer Kund:innen mit dem Auto kämen. Tatsächlich gaben nur 15 Prozent der Befragten an, dass sie mit dem Auto zum Laden fahren.
Umsatz sinkt an Velowegen wenig bis gar nicht
2013 untersuchte die University of Washington das Steueraufkommen in zwei verkehrsberuhigten Zonen in Seattle, die mit Velostreifen ausgestattet worden waren, und verglich diese mit Stadtteilen ohne Velowege. Im ersten Gebiet gab es kaum einen Effekt auf die Umsätze. Im zweiten, in dem zwölf Parkplätze abgebaut worden waren, viervierfachten sich die Umsätze.
Eine ähnliche Untersuchung mit Geschäftsstrassen in New York ergab, dass Unternehmen an Orten, die für den Langsamverkehr umgestaltet worden waren, anschliessend mehr Umsatz machten. Gegenüber dem Durchschnitt im Quartier steigerte sich dieser zwischen 9 Prozent (Manhattan) und 84 Prozent (Brooklyn). Das Umsatzplus sei nicht abhängig von der örtlichen Kaufkraft, schloss das New York City Department of Transportation, das die Auswertung durchführte. Die Steigerung gebe es in wohlhabenden wie in ärmeren Quartieren.
Die Gewinner: Bars, Restaurants, kleine lokale Unternehmen
Die Ängste vor allem von Einzelhändlern seien verständlich, sagt Joseph Poirier, leitender Forscher bei der Stadtplanungsberatung Nelson Nygaard gegenüber «Business Insider». Aber meist unbegründet.
2018 hatte Poirier Daten von hunderten Unternehmen aus drei Quartieren in San Francisco analysiert. Von velofreundlichen Umgestaltungen profitierten einige mehr, andere weniger, fand er heraus. Geschäfte, die eher Kundinnen und Kunden aus der Umgebung ansprachen, ging es besser, genauso wie kleineren und eher neueren Läden. Viel schlechter ging es aber auch den anderen nicht.
Die Verlierer: Tankstellen und Möbelgeschäfte
Das mache Sinn, sagt der Wissenschaftler. An belebten Strassen gebe es von vornherein nur wenige Parkplätze für viele Kundinnen und Kunden. Neu eingeführte Velowege änderten deshalb wenig.
Bars, Barber Shops und Banken profitieren mehr, fand er ein Jahr später heraus, als er Strassen mit markierten Velostreifen mit solchen verglich, die die Verkehrsteilnehmer lediglich aufforderten, Rücksicht aufeinander zu nehmen und sich den Strassenraum zu teilen. Zu den Verlierern gehörten – wenig überraschend – Möbelgeschäfte und Tankstellen.
Entscheidend ist die Aufenthaltsqualität
Die bisher genaueste und umfassendste Studie stammt von der Portland University. Sie kombinierte 2020 Steuerdaten mit genauen Lageinformationen und Beschäftigungsdaten in mehreren US-Städten. Wie Poirier stellten die Autorinnen fest, dass Bars, Fast-Food-Unternehmen und Restaurants an Velowegen besser abschnitten, der Einzelhandel schlechter.
Einfach einen Velostreifen an einer hektischen Durchgangsstrasse zu markieren, mache eine Strasse aber nicht einladend. Die Umgestaltung habe deshalb nicht immer positive Auswirkungen, sagt Jenny Liu, eine der beiden Autorinnen, zu «Business Insider». Unter dem Strich profitiere von tatsächlich fussgänger- und velofreundlichen Strassen auch der Detailhandel.
Geschäfte an solchen «freundlichen» Velowegen in mehreren US-Städten hatten laut der Studie mehr Angestellte und machten mehr Umsatz, wenn auch nicht an allen untersuchten Orten. Bei den anderen änderte sich wenig.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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