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Die Post hat Mühe mit der Paketflut. © LW/flickr

Lieferwagen werden lästiger als schwere Laster

Hanspeter Guggenbühl /  Der Lieferwagen-Verkehr wuchs in der Schweiz rasant, während der Schwerverkehr nahezu stagnierte. Darum braucht es eine LLVA.

«Schwerverkehr erreicht Rekordniveau», titelte Newsnet, die online-Ausgabe des Tamedia-Konzerns (Tagi, Bund etc.). «Lastwagentransporte erreichen Rekordniveau», bekräftigten andere Medien. Sie stützten sich dabei auf die am Dienstag veröffentlichte Mitteilung des Bundesamtes für Statistik (BFS) unter dem Titel «Schwerverkehr mit grösstem Anstieg seit 20 Jahren

40-Tonnen-Limite steigerte Transporteffizienz

Diese Nachricht stimmt nur, wenn man den Schwerverkehr an seiner Transportleistung misst; diese resultiert aus der transportierten Menge in Tonnen, multipliziert mit der Distanz in Kilometern. So stieg die Transportleistung der schweren in- und ausländischen Laster (ab 3,5 Tonnen Gesamtgewicht) auf den Schweizer Strassen im Jahr 2018 auf den Rekordwert von 16,8 Milliarden Tonnenkilometer (tkm).

Gegenüber dem Vorjahr entspricht das einem Zuwachs von 2,6 Prozent. Von 1998 bis 2018 betrug die Zunahme in Tonnenkilometern sogar 39 Prozent (siehe nachfolgende Grafik: Schwerer Gütertransport, tkm).

Beim Schwerverkehr nahm die transportierte Fracht stark zu, während die Verkehrsmenge nahezu stagnierte (Quelle: BFS/hpg. Grafik Südostschweiz).

Dabei ist allerdings zu differenzieren: Die Leistung der ausländischen Laster auf Schweizer Strassen wuchs in diesen 20 Jahren – auf tieferem Niveau – viel stärker (plus 118 %) als jene der inländischen Laster (plus 18 %).

Dieses starke Wachstum ist primär auf die Erhöhung der zulässigen Schweizer Gewichtslimite von 28 auf 40 Tonnen zurückzuführen; sie wurde ab 2001 schrittweise eingeführt, gekoppelt mit der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA). Die 40-Tonnen-Limite erlaubt, pro Laster mehr Fracht zu transportieren. Davon profitierten die Ausländer, die Waren vor allem auf langen Distanzen im Transit- und Importverkehr durch die Schweiz transportieren, stärker als die Schweizer Transporteure mit ihrem höheren Anteil am Binnenverkehr. Darum konnten die Ausländer ihren Anteil am Schweizer Transportmarkt seit 1998 deutlich erhöhen, bis 2018 auf nahezu einen Drittel.

Schwerverkehr in der Schweiz wuchs nur marginal

Die höhere Gewichtslimite steigerte also die Gütermenge pro Lastwagen und damit die Effizienz des Gütertransports deutlich. Der Umfang des Schwerverkehrs hingegen, gemessen in gefahrenen Kilometern, stagnierte in den letzten 20 Jahren nahezu, zeigen weitere Daten der BFS-Statistik. So stieg die Zahl der Fahrzeugkilometer (Fzkm) der schweren Laster auf Schweizer Strassen von 1998 bis 2018 lediglich um 5,3 Prozent (siehe Grafik: Schwerer Gütertransport, Fzkm).

Das Fazit daraus ist verkehrspolitisch relevant: Die Kombination von 40-Tonnen-Limite und LSVA ermöglichte in den letzten 20 Jahren viel mehr Transport auf der Strasse, ohne dass der – für Mensch und Umwelt lästige – Lasterverkehr wesentlich zunahm. Doch leider beschränkte sich diese Produktivitätssteigerung auf schwere Lastwagen ab 3,5 Tonnen Gesamtgewicht. Zudem, und das ist die Kehrseite, verschob die höhere Produktivität auf der Strasse die Rentabilität des Frachtverkehrs zu Lasten des umweltfreundlicheren Gütertransports auf der Schiene.

Mehr Lieferwagen mit weniger transportierter Fracht

Gerade umgekehrt verhält es sich beim leichten Güterverkehr, der mit Lieferwagen bis zu einem zulässigen Gesamtgewicht von 3,5 Tonnen abgewickelt wird. Hier wuchs die Transportleistung in der Schweiz von1998 bis 2018 lediglich um 18 Prozent auf 0,94 Milliarden tkm. Im gleichen Zeitraum aber stieg die Zahl der gefahrenen Kilometer, die von leichten Güterfahrzeugen auf Schweizer Strassen abgespult werden, um 60 Prozent (siehe nachfolgende Grafik: Leichter Gütertransport, tkm und Fzkm) auf total 4,5 Milliarden Fzkm.

Bei den leichten Güterfahrzeugen wuchs die Verkehrsmenge massiv, ihre Transportmenge nur wenig (Quelle: BFS/hpg. Grafik Südostschweiz).

Das heisst: Die Effizienz des leichten Gütertransports ist stark gesunken. Das illustriert auch der Vergleich der absoluten Zahlen: Die Transportleistung der schweren Laster in tkm im Jahr 2018 war 18 mal grösser als jene der leichten Laster. Die Verkehrsbelastung in Fzkm hingegen war bei den leichten Lastern 2018 doppelt so hoch wie bei den schweren. So transportieren die meisten Lieferwagen heute weniger als eine Tonne Fracht.

Eine Folge von Liberalisierung und Online-Handel

Die Schere zwischen erwünschter Transportleistung und unerwünscht vielen gefahrenen Kilometern ist beim leichten Gütertransport vor allem in den letzten zehn Jahren stark aufgegangen, wie unsere Grafik oben eindrücklich zeigt. Das dürfte vor allem auf die Zunahme des Online-Shoppings zurück zu führen sein sowie auf die Liberalisierung, die neben der staatlichen Post privaten Anbietern den Zugang zum Paketversand öffnete.

Dies lässt sich auch im Strassenraum beobachten: Immer mehr Lieferwagen kurven häufiger mit kleiner Fracht herum und verstopfen neben Haupt- zunehmend auch Quartierstrassen.

Eine LLVA könnte die Effizienz steigern

Bei den schweren Lastern bot die Kombination von höherer Gewichtslimite und LSVA ab 2001 wie erwähnt einen Anreiz, die Güterfahrzeuge besser auszulasten, Leerfahrten möglichst zu vermeiden und damit die Produktivität zu steigern. Bei den Lieferwagen hingegen fällt die Wirtschaftlichkeit weniger ins Gewicht, weil diese finanzielle Steuerung fehlt.

Die Einführung einer LLVA – einer Leistungsabhängigen Leichtverkehrs-Abgabe – könnte diese Fehlentwicklung korrigieren. Diese Idee ist nicht ganz neu: In einer Medienmitteilung forderte die Alpeninitiative schon im Juni 2003 eine «LSVA auch für Lieferwagen.» Doch leider, so sagt der damalige Geschäftsführer Alf Arnold auf Anfrage, sei diese Idee wieder in Vergessenheit geraten. Die grüne Welle, so sinniert der inzwischen pensionierte Arnold, könnte die alte Idee jetzt doch noch aufs politische Parkett spülen.


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4 Meinungen

  • am 22.11.2019 um 11:58 Uhr
    Permalink

    Die LSVA schafft mehr Probleme, als sie löst. 1. bezahlt der Endverbraucher sie zuzüglich Mehrwertsteuer. 2. fahren jetzt Baustellendumper mit Gewichten von bis 10 Tonnen und Tempo 30 auf den Strassen. 3. haben etliche Bauern Tiefgängeranhänger gekauft und karren Baumaschinen mit Tempo 30 o. 40, unter Rückerstattung des Treibstoffzolls und LSVA-befreit, herum. Es wäre weit klüger gewesen, die EU-40-Tönner auf Transitfahrten zu besteuern, das hätte erlaubt, die massiven Kosten zerstörter Strasseninfrastruktur (unsere Strassen sind für 28-Tönner ausgelegt) den Verursachern aufzuerlegen. Hätte aBR Moritz Leuenberger die 28-Tonnenlimite gegen eine 40-Tönnerabgabe geopfert, wären dem Schweizer Steuerzahler Milliardenauslagen erspart geblieben und wir hätten den Transitverkehr auf die Schiene verlagern können. Würde eine Leichtverkehrsabgabe erhoben, würden wohl statt Lieferwagen Kombis mit Anhänger verkehren. Die ganze Zwängerei läuft sowieso auf roadpricing hinaus, es war ja schon so einfach, jeden Parkplatz zu besteuern, ist so einfach, Verkehrssteuern zu erheben, nebst Autobahnvignette und Treibstoffzoll. Am Ende zahlt immer der Bürger, zuzüglich Mehrwertsteuer. Die Realeinkommen in der Schweiz sind bereits gesunken. Armut ist der Motor von Kriminalität. Wir und unser Land werden geplündert, von Politikern, dem Staat und der EU. Aus lauter Wohlstandsdekadenz geht dieser schleichende Prozess, auch wegen der Salamitaktik, still und leise vor sich, die Folgen aber werden kommen.

  • am 22.11.2019 um 14:36 Uhr
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    Neue Formulare ausfüllen, Zeit für solches verschwenden, anstatt Arbeit richtig und gut zu machen. So ist es in vielen Bereichen, z.B. Sozialbereich.

  • am 22.11.2019 um 14:36 Uhr
    Permalink

    Das Online-Shopping bzw. die entsprechende Zustell-Logistik danach ist beileibe nicht der einzige Grund, wenngleich in jüngster Vergangenheit vielleicht der stärkste Treiber. Mit der Einführung der LSVA kam der erste grosse Schub des Umstiegs von den schweren Lastwagen auf die leichten Lieferwagen – diese sind eben nicht der LSVA unterworfen, zudem gilt für sie auch kein Nachtfahrverbot. Und viele dieser Lieferwagen können mit dem PW-Fahrausweis gefahren werden.
    All dies war damals bereits bekannt, auch dass die LSVA so unterlaufen werden könnte. Aber die Politik war derart auf die schweren Lastwagen fixiert, dass die warnenden Stimmen aus der Verkehrsplanung überhört oder negiert wurden.

  • am 23.11.2019 um 01:07 Uhr
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    Ein Super-Gau sind die privaten Paketverteiler wie DPD, UPS, DHL und wie sie alle heissen, die für ein paar Pakete alle die gleichen Strecken abfahren. Wenn alles von der Schweizer Post bedient wird, verringern sich die Fahrkilometer auf einen Bruchteil der gegenwärtigen. Das Klima lässt grüssen. Wann endlich korrigiert die Politik diesen Liberalisierungs-Unsinn???

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