Fahren Schiffe bald mit Ammoniak?
Das Ziel steht: In 30 Jahren klimaneutral. Um vor allem im Verkehr Klimagase zu reduzieren, läuft derzeit die Suche nach einem umweltfreundlichen, CO2-freien und leicht handhabbaren Treibstoff, der fossile Brennstoffe ersetzen kann – am besten möglichst günstig und so, dass nur kleine Änderungen in der Handhabung nötig sind.
Wissenschaftler kommen dabei auf eine alte Idee zurück: Ammoniak. Die Energiedichte des farblosen Gases ist mit 6,3 Kilowattstunden pro Kilogramm halb so gross wie die von Diesel und Benzin mit etwa 12 kWh/kg, gleich gross wie die von Methanol und damit alleweil weit grösser als das, was Batterien derzeit liefern können. Ammoniak verbrennt kohlenstofffrei, ohne zu russen und Schwefelverbindungen freizusetzen.
Ammoniakantrieb ist keine neue Idee
Versuche, Ammoniak als Energieträger einzusetzen, gab es schon vor mehr als hundert Jahren. So fuhr eine Strassenbahn in New Orleans für kurze Zeit mit Ammoniak, wegen Treibstoffmangels wurden im Zweiten Weltkrieg belgische Busse damit betrieben, auch einige Autos mit Ammoniakantrieb gab es – allerdings grösstenteils Demo- oder Forschungsprojekte.
Für Autos wird es einen flächendeckenden Ammoniakantrieb so bald kaum geben, obwohl ein gängiger Motor sich einfach umrüsten liesse. Einige Experten halten es aber für möglich, dass wenigstens ein Viertel der Schifffahrt bis 2050 mit Ammoniak betrieben wird. Denn im Vergleich zum Wasserstoff hat das Gas einige Vorteile.
Die Schifffahrt als Ganzes hat bisher eher wenig getan, um ihre Flotten umweltfreundlicher zu machen, bis 2050 sollen die Emissionen von Schiffen aber auf die Hälfte des Treibhausgasausstosses von 2008 reduziert werden, bei gleichzeitig steigendem Transportvolumen. Ein Transportschiff lebt an die 30 Jahre, die Weichen müssten also jetzt gestellt werden.
Wie Ammoniak hergestellt wird
Ammoniak (NH3) wird in der Regel grosstechnisch aus Wasserstoff hergestellt. Mit Hilfe des Haber-Bosch-Verfahrens reagiert Wasserstoff dabei unter hohem Druck und Temperaturen von 400 bis 500 Grad mit Stickstoff aus der Luft zu Ammoniak. Das dazu benötigte Wasserstoffgas (H2) als Rohstoff muss erst hergestellt werden. Der Energiebedarf bei der Ammoniak-Herstellung ist also relativ gross. Das Verfahren ist aber relativ günstig und etabliert, da grosse Mengen Ammoniak zur Herstellung von Düngemitteln produziert werden.
Warum dann nicht gleich Wasserstoff?
Auf den ersten Blick wäre es einfacher, gleich Wasserstoff zu verbrennen. Wäre da nicht eine andere Eigenschaft von Ammoniak. Das Gas wird bei minus 33 Grad flüssig, unter einem Druck von neun bar schon bei 20 Grad. Das entspricht dem Druck einer normalen Campinggasflasche und etwas mehr als dem Druck eines Rennradreifens.
Ammoniak lässt sich so wesentlich leichter handhaben und transportieren als der ebenfalls klimaneutrale Wasserstoff, der bei minus 253 Grad flüssig wird. Bei minus 240 Grad braucht es dazu noch immer 13 bar. Um Wasserstoff zu transportieren, muss er also entweder stark gekühlt werden, unter hohem Druck stehen oder beides. Das ist aufwendig und benötigt viel Volumen für die Isolierung von Tanks.
Für Schiffe, die weite Strecken zurücklegen, aber wenig Platz haben, lohnt sich der Ammoniakantrieb also. Die Energiedichte von flüssigem Ammoniak ist zudem höher als die von Wasserstoff. Eine Vergleichsanalyse von 2020 sieht Ammoniak als den für die Schiffahrt am besten geeigneten Treibstoff:
Die Tücken der Ammoniak-Verbrennung
Ammoniak kann in einem Motor direkt verbrannt werden, so wurde im 19. Jahrhundert auch die Strassenbahn in New Orleans angetrieben. Praktisch ist die Direktverbrennung aber wenig effektiv. Bei Zugabe von 10 bis 20 Prozent reinem Wasserstoff ist die Ausbeute höher und es entstehen weniger Abgase.
Um diesen Wasserstoff zu erhalten, nutzt man einen sogenannten «Cracker», der einen Teil des Ammoniaks vor der Verbrennung wieder in Stickstoff und Wasserstoff aufspaltet. Die Verbrennung ist dann zwar kohlenstofffrei, hundertprozentig sauber ist sie nicht. Als Nebenprodukte entstehen das potente Klimagas Lachgas (N2O) und andere Stickoxide (NOx), wofür man eine Abgasreinigung benötigt.
Das klingt sehr umständlich, solange man nicht bedenkt, dass die derzeitige Technologie auch nicht gerade umweltfreundlich ist. Gemessen am derzeitigen Antrieb mit Schweröl oder Marinediesel wäre ein Ammoniakmotor für die Schifffahrt eine Verbesserung, vor allem dann, wenn das russende und schwefelhaltige Schweröl damit abgelöst werden könnte. Schiffe, die mit Schweröl fahren, müssen den Treibstoff vor dem Verbrennen erwärmen und ihre Abgase ebenfalls reinigen, was trotzdem umweltschädlich ist (Infosperber berichtete).
Besser und ohne schädliche Nebenprodukte verbrennt Ammoniak in einer Brennstoffzelle, das Gas muss dazu ebenfalls vorher in Wasserstoff und Stickstoff zurückverwandelt werden. Dabei entstehen Nebenprodukte, die entfernt werden müssen, weil eine Brennstoffzelle damit nicht gut arbeitet.
Noch in der Entwicklung befinden sich laut dem Wissenschaftsmagazin «Spektrum» Hochtemperaturbrennstoffzellen, die ohne Cracker auskommen, weil sie bei hohen Temperaturen arbeiten.
Kann das praktisch klappen?
Allerdings gibt es da zwei Nachteile: Ammoniak ist ätzend und giftig. Und: Es gibt zwar grosse Produktionskapazitäten und Erfahrung beim Transport von flüssigem Ammoniak, aber es fehlt die Infrastruktur wie Lager und Tankstellen.
«Von Ammoniak in breitflächiger Nutzung würde ich abraten», sagt auch Lars Röntzsch, Abteilungsleiter der Wasserstofftechnologie am Fraunhofer IFAM, mit dem «Infosperber» zu einer vom Fraunhofer Institut IFAM entwickelten Wasserstoffpaste für kleinere Fahrzeuge gesprochen hat. Ammoniak sei zu giftig, für die Alltagsnutzung brauche es spezielle Vorkehrungen. Gründe, die Ammoniak als Treibstoff für Autos eher unwahrscheinlich machen.
Wie «grün» ist Ammoniak derzeit wirklich?
Ein weiterer Pferdefuss: Handelsübliches Ammoniak ist nicht nachhaltig. Der zur Ammoniaksynthese benötigte Wasserstoff stammt derzeit oft aus Kohle, Erdöl oder Erdgas. Wasserstoff kann aber auch durch Elektrolyse aus Wasser (H2O) hergestellt werden. Ist der dazu benötigte Strom klimaneutral, ist das Verfahren wirklich nachhaltig, das Produkt tatsächlich «grüner Ammoniak».
Wie schnell davon wieviel zur Verfügung stehen kann, ist offen. Es gibt bereits Unternehmen, die entsprechende Pläne angekündigt haben, etwa in Dänemark und Saudi-Arabien. Japan nutzt derzeit Ammoniak, dessen Grundstoffe unter Verwendung von Braunkohle hergestellt werden. Saudi Aramco stellt aus Erdgas Ammoniak her.
Die «University Maritime Advisory Services» (UMAS) sehen Ammoniak zwar als Treibstoff der Zukunft, befürchten aber auch, dass die Ammoniakproduktion auf dieser «unsauberen», weil nicht kohlenstoffneutralen Stufe hängenbleibt.
Ist Ammoniak wirklich umweltfreundlich?
Um die Umweltfreundlichkeit von Ammoniak in der Handhabung hat sich beispielsweise der deutsche Naturschutzbund (NABU) Gedanken gemacht. Gasförmiges Ammoniak ist ätzend, es schädigt die Augen und die Schleimhäute der Lungen. Bei Lecks oder Unfällen kämen Menschen zu Schaden. Allerdings kann man das Gas sehr gut riechen. Man denke an Gülle – deren unangenehmer Geruch wird durch Ammoniak verursacht.
Ammoniak, das in ein Gewässer gelangt, richte etwa den gleichen Schaden an wie ein Schweröl-Unfall, schätzt der NABU. Die Auswirkungen eines Ammoniak-Unfalls wären unter realen Bedingungen jedoch kurzfristiger als die einer Ölpest. Für die Sicherheit von Pipelines, Tankstellen und Ähnlichem müssten neue Infrastrukturen und dazugehörige Regulierungen und Sicherheitsvorschriften erstellt werden. Der NABU gibt deshalb aus Umweltsicht dem Wasserstoffantrieb den Vorzug.
Unabhängig vom Transportsektor wird Ammoniak auch als ideales Speichermedium für Wasserstoff angesehen, was am Ende das schlagende Argument sein könnte, um Sonnenenergie aus Afrika nach Nordeuropa zu bringen oder Sommerstrom für Wintermonate zu speichern.
Wer arbeitet daran?
Zahlreiche Forschungseinrichtungen und auch einige Hersteller und Reedereien sehen Ammoniak als aussichtsreich genug an, um an der Herstellung von grünem Ammoniak, der Anwendung und der Verbesserung des Antriebs zu forschen. Unterstützt werden sie dabei aus zahlreichen staatlichen Töpfen.
Im Projekt Campfire, das sich vor allem im Norden und Osten Deutschlands betätigt, haben sich beispielsweise zahlreiche wissenschaftliche Einrichtungen und Unternehmen zusammengeschlossen, darunter verschiedene Fraunhofer-Institute und europäische Universitäten, die University of Delaware, das Colorado Fuel Cell Center oder die Monash University in Melbourne sowie der Düngemittelproduzent Yara und der Hafen Rostock.
Das vom Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie in Greifswald geleite Projekt plant laut dem Wissenschaftsmagazin «Spektrum» eine Sportjacht mit Ammoniakantrieb, die 2022 vom Stapel laufen soll. 2026 soll eine Autofähre folgen, auch ein Kreuzfahrtschiff ist in der Entwicklung.
Vorzeigeprojekt ist das Versorgungsschiff «Viking Energy», an dessen Entwicklung unter der Leitung einer norwegischen Organisation unter anderem das Fraunhofer-Institut für Mikrotechnik und Mikrosysteme (IMM) in Mainz arbeitet. Das Schiff einer norwegischen Reederei soll eine Zwei-Megawatt-Hochtemperaturbrennstoffzelle erhalten und 2024 den regulären Betrieb als Versorgungsschiff für Offshoreanlagen aufnehmen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
Solange es aus politischen Gründen nicht möglich ist, die Wüstengebiete für die großindustrielle solarbasierte Wasserstoffherstellung zu nutzen, wäre für die Riesenschiffe der Atomantrieb zu prüfen. Die Technologe gibt es schon seit 70 Jahren. Mit dem heutigen Stand der Technik sollten geeignete Antriebe zu realisieren sein. Siehe Wikipedia «Reaktorschiff».
Schon wieder so eine Klima-Spinnerei, https://de.wikipedia.org/wiki/Ammoniak ist ein Giftgas, während CO2 neben Wasser die natürlichste Substanz ist auf der Erde. CO2 ist Grundnahrung der Pflanzen. Alle Lebewesen bestehen aus umgewandeltem CO2 plus Wasser usw.
Besten Dank zum voraus für das Wegzensieren diese Beitrags (wie gehabt!)
Brenn- u. Treibstoffe werden aus Algen in Meerwasse zu Diesel u. Benzin synthetisiert werden.
Damit wird es einen geschlossenen CO2 Kreislauf geben.
Bis das wirtschaftlich in Massenproduktion geht , wird es allerlei Zwischenlösungen geben.
Atomkraft ist viel zu kostenintensiv.