Den Zweitwohnungen folgt der Hotel-Konkurs
Red. Gestern hat der Verwaltungsrat der Waldhaus Flims Mountain Resort AG «die Bilanz deponiert». Die Neubewertung eines der «bedeutenden Häuser im oberen Preissegment der Schweizer Hotellerie» im Februar 2015 habe «einen zusätzlichen Abschreibungsbedarf von rund 30 Millionen Franken ergeben. Dies habe zu einer Überschuldung geführt. Verhandlungen über eine mögliche Übernahme seien nicht erfolgreich gewesen» (Tages-Anzeiger).
Dieser Konkurs beendet ein fragwürdiges Modell: Seit 1980 baute die Besitzerin des Fünfstern-Hotels, die «Waldhaus-Flims AG», auf ihrem Areal rund 150 Zweitwohnungen. Mit einem Teil des Verkaufs-Profits hat sie jahrzehntelang das defizitäre Hotel quersubventioniert und saniert. Doch die letzte Tranche an luxuriösen Zweitwohnungen liess sich nur noch zum Teil verkaufen, weil der Zweitwohnungs-Boom an seine Grenze stösst. Als zweites «Sanierungsmittel» blieb damit nur noch der Konkurs.
In einem Artikel vom 13. Mai 2012 auf Infosperber hat Hanspeter Guggenbühl dieses fragwürdige Hotel-Finanzierungs-Modell analysiert. Aus aktuellen Anlass stellt Infosperber den fast schon prophetischen Beitrag nochmals online.
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Das Waldhaus Flims wurde 1877 als Kurhaus erbaut. Es thront stolz auf einer Anhöhe über dem gleichnamigen Bündner Ferienort, umgeben von einer locker bewaldeten Parklandschaft, die bis Ende der 1970er-Jahre noch weitgehend intakt war. Ins Rampenlicht rückte das Fünfsternhaus zuletzt 2006, als es die Session des nationalen Parlaments beherbergte. Doch hinter dem Glanz der Noblesse verbarg sich schon damals eine AG, die mit dem Hotel- und Restaurationsbetrieb allein nicht rentierte.
Seit Jahrzehnten mit Zweitwohnungen finanziert
Ab 1980 baute und verkaufte die Waldhaus Flims AG auf ihrem Areal die ersten Appartement-Häuser mit insgesamt 70 Zweitwohnungen. Damit finanzierte sie Abschreibungen und Erneuerungen, darunter die traumhafte Wellness-Anlage. «Es stimmt, wir haben vom Immobilienverkauf gezehrt», sagte mir der damalige Hoteldirektor Christoph Schlosser, als ich im Jahr 2004 über das Hotelsterben in Flims recherchierte. Doch in Zukunft müsse das Hotel auf eigenen betriebswirtschaftlichen Beinen stehen, fügte Schlosser an, denn: «Allzu viele Immobilien haben wir nicht mehr.»
Einige gab’s noch: Allein von 2007 bis Ende 2012 baut(e) die Flims-Waldhaus AG mit der «Promenada Flem» und den «Luxusresidenzen Mountain-Suites» weitere 80 Zweitwohnungen. Die meisten sind schon verkauft; die teuersten 5-Zimmer-Appartements zum Preis von mehr als zwei Millionen Franken. Alle 150 Zweitwohnungen zusammen, welche die Waldhaus Flims AG seit 1980 verkauft hat, dürften dem Hotelunternehmen einen Nettoerlös von 30 bis 50 Millionen Franken gebracht haben.
Webers Initiative wirkt als Damoklesschwert
Damit fragt sich: Wie wirkt sich die Weber-Initiative auf das (inzwischen zum «Resort» umgetaufte) Hotel aus. Der neue Direktor Urs Grimm antwortet schriftlich: «Das Resort kann und muss in Zukunft ohne die Entwicklung von Zweitwohnungen existieren. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die geplanten Investitionen zur Erneuerung des Grand Hotels noch getätigt werden, und dafür braucht es zwingend Mittel aus der Immobilienentwicklung. Die Übergangsfrist für die Bewilligung von Zweitwohnungen nach altem Recht bis Ende Jahr ist deshalb absolut entscheidend.»
»Immobilienentwicklung»? Auf Nachfrage konkretisiert Grimm: Die Flims Waldhaus AG hat im April 2012 ein Gesuch für eine weitere Überbauung mit rund 20 Zweitwohnungen eingereicht. Es handelt sich um eine neue Nutzung im Raum des «Bellavista» im Dorfausgang Richtung Laax. Urs Grimm und der beauftragte Architekt Hans-Peter Fontana hoffen nun, dass die Gemeinde bis zum Bewilligungsstopp am 31. Dezember grünes Licht dafür gibt. Tut sie das? «Zum Thema Zweitwohnungen geben wir zurzeit keine Antwort», mauert Gemeindepräsident Thomas Ragettli. Nach weiteren Nachfragen hängte er das Telefon auf.
Mehr Immobilien, weniger Hotelgäste
Während der Immobilienhandel floriert, schrumpfte der Fremdenverkehr: Von 2008 bis 2011 nahm die Zahl der Hotel-Logiernächte im Hotel Waldhaus Flims um 30 Prozent ab. Die Belegung der 300 Betten lag 2011 noch bei 32 Prozent. Die luxuriösen Zweitwohnungen haben den Hotelbetrieb nicht nur finanziert, sondern offensichtlich auch zur Aushöhlung des Kerngeschäfts beigetragen. Einstige oder potenzielle Stammkunden hausen heute während weniger Ferientage in ihren sonst meist leeren Zweitwohnungen. Denn von den 150 Zweitwohnungen, welche die Waldhaus Flims AG aufstellen liess, werden bislang weniger als 10 Prozent weiter vermietet.
Die «hotelmässige Bewirtschaftung», mit der viele Aparthotels einst ihr Immobiliengeschäft begründeten, erwies sich in der Praxis als Illusion. Denn Leute, die sich eine Zweitwohnung für mehr als eine Million Franken leisten können, lassen diese nicht weiter vermieten. Das bestätigte ein Augenschein im sonnigen schneereichen März 2012: Im Waldhaus-Park ob Flims, wo einst viele Feriengäste flanierten, dominieren heute Appartementhäuser mit geschlossenen Fensterläden.
Finanzieren und kannibalisieren – ein Teufelskreis
Das Hotel Waldhaus Flims ist ein Beispiel unter vielen. Das bestätigen die St. Galler Tourismus-Professoren Thomas Bieger und Christian Laesser: «Warme Betten müssen immer durch den Bau und Verkauf von Zweitwohnungen subventioniert werden», schrieben sie in der NZZ vom 13. März 2012. Damit verteidigen sie das Land verzehrende Geschäftsmodell, das sich unter dem neuen Begriff «Resort» zunehmend ausbreitet.
Es ist ein Teufelskreis: Raumfressende Zweitwohnungen finanzieren Bau und Erneuerung von Hotels und gefährden gleichzeitig deren Betrieb – und die Existenz von noch rentablen Hotels. Urs Grimm mimt trotzdem Zuversicht: Mit der erwähnten «Erneuerung des Grand Hotels» (Bau von Suiten), die er mit den noch nicht bewilligten zusätzlichen Zweitwohnungen finanzieren will, erhofft er sich mehr gut betuchte Gäste, damit sich das Hotel künftig aus dem eigenen Betrieb heraus finanzieren kann. Es ist die gleiche Hoffnung, die sich schon bei seinem Vorgänger nicht erfüllte.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine
Über Zweitwohnungen von Ausländern kreist ein weiteres Damoklesschwert, das noch gefährlicher werden könnte als die Zweitwohnungsinitiative: der automatische Informationsaustausch über den Besitz von Immoblien. Ausländische Immobilien in der Schweiz wurden nicht selten mit Steuerflucht- und Schwarzgeldern finanziert. Deren Legalisierung dürfte manchem Besitzer Kopfzerbrechen bereiten. Zudem ist für Ausländer beim hohen Frankenkurs, im Gegensatz zum Kauf, der Verkauf von Zweitwohnungen gegenwärtig noch attraktiv. Die Unterhalts- und Ferienkosten in der Schweiz dagegen sind gestiegen.