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Das Deutschlandticket, das als Chipkarte oder digital verfügbar ist, kostet seit Januar 2025 schon 58 Euro. (Bild mit Hilfe von KI erstellt). © cc-by CCNull

Das Deutschlandticket finanziert sich selbst

Daniela Gschweng /  In drei Jahren soll es teurer werden, nach Meinung einer Partei soll das Ticket am besten ganz weg. «Unsinn», sagt Greenpeace.

Es begann als befristete Aktion mit dem Neun-Euro-Ticket, das den Deutschen nach der Corona-Pandemie für drei Monate fast grenzenlose Mobilität ermöglichte. Weitergeführt wurde es für 49 Euro als Deutschlandticket. Seit Anfang des Jahres kostet das Pauschalticket für den Regionalverkehr 58 Euro. Und es soll noch teurer werden. Oder am besten ganz weg, weil angeblich «nicht solide finanziert». Mit anderen Worten: Es sei zu teuer. Das finden vor allem Teile der CDU/CSU.

Das sei Unsinn – das Deutschlandticket finanziere sich längst selbst. Langfristig generiere es sogar Geld, sagt Greenpeace. Und zwar dann, wenn man alle gesellschaftlichen, sozialen oder externen Kosten einbeziehe. Schon aus volkswirtschaftlichen Gründen wäre die Abschaffung des Pauschaltickets widersinnig, legt Greenpeace in einer Studie dar.

Greenpeace: Gesamtgesellschaftlich ein Gewinn

Wer ÖV benutze, generiere weit weniger Kosten als Folge von Unfällen, Luftverschmutzung, Lärm, Stau oder Klimaschäden, die in der Regel die Allgemeinheit trägt. In Form von Steuern zum Beispiel. Verkehrsunfälle verursachten pro Kilometer beispielsweise ausgelagerte Kosten von 6,7 Cent.

So gerechnet, habe das Deutschlandticket 2024 zu volkswirtschaftlichen Einsparungen in Höhe von fast 4 Milliarden Euro geführt. Demgegenüber standen Finanzierungskosten von 3,45 Milliarden Euro. Die mit dem Auto gefahrenen Kilometer gingen im ersten Jahr um 7,6 Prozent zurück. Das sei die niedrigste mögliche Schätzung. «Unterm Strich trägt sich das Deutschlandticket selbst», sagt Marissa Reiserer, Studienautorin und Verkehrsexpertin von Greenpeace.

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Vergleich der Kosten des 49-Euro-Tickets und der eingesparten sozialen Kosten.

Studien bestätigen: ÖV lohnt sich

Vor dem Hintergrund anderer Forschung klingt das plausibel. Von knapp 150 Milliarden Euro jährlichen Verkehrsfolgekosten in Deutschland entfielen 140 Milliarden auf Autos und andere Motorfahrzeuge. 95 Prozent der insgesamt anfallenden Kosten entfielen auf den Strassenverkehr, 3,8 Prozent auf Züge. Das ermittelte beispielsweise eine Studie im Auftrag der «Allianz pro Schiene», von der die «taz» berichtete.  

Eine Anfang April veröffentlichte Meta-Studie des Kopernikus-Projektes Ariadne bezifferte den volkswirtschaftlichen Nutzen des Deutschlandtickets auf jährlich 2,4 bis 3,5 Milliarden Euro. Dazu spare es 4,2 bis 6,5 Millionen Tonnen CO2 im Jahr. Mit dem Deutschlandticket seien 12 bis 16 Prozent aller Fahrten vom Auto auf die Schiene verlagert worden. Es trage damit massgeblich zur Verkehrsverlagerung bei, sagt Nicolas Koch vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), der an der Studie beteiligt war.

Noch mehr Geld sparen langfristige Effekte, sagt Greenpeace. Strassen und Parkgaragen, die die nicht gebaut werden, Brücken, die länger halten, sinkende Unfallzahlen und CO2-Emissionen. Beziehe man diese langfristigen Faktoren mit ein, erhöhe sich das Einsparpotenzial des Deutschlandtickets auf 4,88 Milliarden Euro pro Jahr.

Greenpeace: Bei 29 Euro gäbe es riesige Ersparnis

Volkswirtschaftlich am besten wäre es, wenn das Deutschlandticket von möglichst vielen genutzt würde. Dem gegenüber steht der Preis. Derzeit nutzen rund 14 Millionen Menschen das Deutschlandticket zum Preis von 58 Euro. Würde es nur noch 29 Euro kosten, würden es nach den Berechnungen von Greenpeace doppelt so viele Konsumentinnen und Konsumenten kaufen. Ein 29-Euro-Ticket würde so jährlich 10,7 Milliarden Euro einsparen, bei Kosten von 5,2 Milliarden. Ein Gewinn für die Volkswirtschaft.

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Ein 29-Euro-Ticket würde doppelt so viel sparen, wie es kostet.

Greenpeace schlägt langfristig ein Deutschlandticket für 29 Euro und ein Sozialticket für 19 Euro vor. Kinder und Jugendliche sollen kostenlos fahren, wie es in Hamburg bereits der Fall ist.

Und auch damit ist die Umweltorganisation nicht allein. Der in Deutschland bekannte und oft zitierte Soziologe und Verkehrswissenschaftler Andreas Knie fordert in einem Interview mit «Utopia» eine Preisreduktion auf 29 Euro. Und Andreas Krämer von Exeo Strategic Consulting und Co-Autor des Ariadne-Reports warnt davor, dass eine Preiserhöhung den positiven Effekt des Tickets gefährden würde.

Wenn kein Bus fährt, nützt auch eine günstige Fahrkarte nichts

Konsument:innen brauchen dazu Planungssicherheit. Sie müssen wissen, wie sich der Preis des Universal-Tickets in den nächsten Jahren entwickeln wird. Um langfristig erfolgreich zu sein, brauche das D-Ticket auch eine langfristig gesicherte Finanzierung, so Ramona Pop vom Bundesverband der Verbraucherzentralen gegenüber dem «Deutschlandfunk».

Eine künftige Koalition aus CDU/CSU und SPD will  «den Anteil der Nutzerfinanzierung ab 2029 schrittweise und sozialverträglich erhöhen», steht im gerade fertigen Koalitionsvertrag.

Vor allem die CSU im Bundesland Bayern hält das Deutschlandticket für ein Groschengrab. Das häufigste Argument: Auf dem Land sei das Deutschlandticket für viele nutzlos. Ein Viertel der Menschen auf dem Land hat tatsächlich einen sehr schlechten Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln. Das zeigt eine andere Greenpeace-Analyse. Am schlechtesten sind die Verbindungen in den Kreisen Straubing-Boden und Landshut – also mitten in Bayern. Das zeigt eine interaktive Karte, die Greenpeace erstellt hat.

Qualität des ÖV in Deutschland
Die Qualität des öffentlichen Nahverkehrs in Deutschland ist sehr unterschiedlich. Am schlechtesten sieht es in zwei bayerischen Kreisen aus.

Das Deutschlandticket nütze eher wohlhabenden Nutzerinnen und Nutzern, die im Speckgürtel grosser Städte wohnen. Diese sparten am meisten, legt der Verkehrsökonom Christian Böttger von der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin gegenüber dem «Deutschlandfunk» dar. Sozial und auch für die Landbevölkerung sei das wenig vorteilhaft.

Tauziehen zwischen Bund und Ländern

Hinter der Diskussion steht auch eine Auseinandersetzung zwischen Bund und Ländern in Deutschland. Beide bezahlen im Jahr 1,5 Milliarden Euro, um Einnahmeausfälle, die das Ticket verursacht, auszugleichen. Ende 2025 endet die zugrundeliegende Vereinbarung. Die Länder wollen, dass der Bund dann die gesamten Kosten übernimmt.

Das Deutschlandticket ist dabei anhaltend beliebt. Zumindest bei denen, die es nutzen: 89 Prozent der Deutschen wollen laut einer Civey-Umfrage mit 2000 Nutzenden eine Fortführung des Deutschlandtickets. In Bayern sind es 88 Prozent.  

Das liegt nicht nur am Preis – wer jemals versucht hat, die Tarifstruktur in einem mittelgrossen deutschen Ballungsraum zu verstehen, weiss, warum. Immer und überall ÖV fahren mit nur einem Ticket – das kommt an in Deutschland.

Verkehrsexperte: «Traut euch!»

Und es dürfte gerne so bleiben: Für Probleme gebe es Lösungen, sagt der Experte Andreas Knie. Wenn man die Perspektive ändere. Das Neun-Euro-Ticket sei 52 Millionen Mal verkauft worden, das zeige ein Potenzial auf. Der Preis müsse runter.

Deutschland priorisiere den Autoverkehr seit Langem und subventioniere ihn mit hohen Summen. Durch die Pendlerpauschale, die Subventionierung von Diesel und die Finanzierung von öffentlichen Parkplätzen zum Beispiel. Wenn Anreize fürs Auto weg seien, sinke auch deren Anzahl.

Für Konsument:innen kritisch sei dabei die berühmte «letzte Meile», die auf dem Land schon mal einige Kilometer lang sein könne. Für eine Lösung hält er statt Bussen autonome Autos, die individuell eingesetzt werden können. Man müsse sich halt trauen, sagt der Experte. Und Gesellschaften könnten sich ändern. In zehn Jahren hätten Deutsche womöglich gar keine eigenen Autos mehr.


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