Electric scooter abandoned in water in puddle.

Die E-Trottinette sind für Fussgänger oft nur ein Ärgernis. © PepeSun/Depositphotos

E-Scooter sind nicht nur ärgerlich, sondern auch gefährlich

Christof Leisinger /  Die Schönwetterfahrzeuge ohne Knautschzone sind immer öfter in Unfälle verwickelt. Oft sind die Fahrer sogar betrunken.

Sie stehen den Fussgängern an den unmöglichsten Stellen auf ärger- und hinderliche Weise im Weg herum, die Fahrer scheinen zu glauben, Verkehrsregeln hätten für sie keine Geltung, ihr Umweltnutzen ist umstritten und sie verursachen immer mehr Unfälle: E-Scooter. Die batteriebetriebenen Roller sollten den städtischen Verkehr revolutionieren, kurze Autofahrten vermeiden, Abgase und CO2 reduzieren, die Zahl der Staus verringern und die Erfinder der Geschäftsmodelle bzw. die Anbieter durch Börsengänge in Kürze reich machen.

Daraus ist bisher nichts geworden. Denn die Gefährte sind nur fürs schöne Sommerwetter geeignet, sie werden in kürzester Zeit zu Elektroschrott, die Umweltbilanz ist höchst umstritten und vor allem: Die Bevölkerung hat längst die Nase voll vom Hindernisparcours auf den Trottoirs und von arroganten Schnöseln, die den Fussgängern um die Ohren und über die Zehenspitzen fahren. Eine Volksabstimmung in Paris führte sogar zu einem Verbot der Leih-Scooter. Die Stadt Sitten stellte jüngst E-Trottinetts nach einer einjährigen Probezeit auf das Abstellgleis, weil das Angebot nicht zur erhofften Verlagerung der Verkehrsmittelnutzung weg vom Auto führte. Die insgesamt 50 Trottinetts konnten ohnehin nur an ausgewählten Standorten abgestellt werden. Mit dieser Regelung wollte die Stadtverwaltung chaotischen Zuständen vorbeugen, wie sie in Städten ohne Parkregelungen für E-Trottinetts vorkommen.

Es gibt immer mehr Unfälle, vor allem auch schwere

So mag der Anbieter Lime zwar jüngst «starkes Wachstum» und das zweite profitreiche Jahr verkündet haben. Allerdings versteht er darunter einen Gewinn ohne Berücksichtigung von Zinsen, Steuern und Abschreibungen. All jene Gefährte also, die hin und wieder von Vandalen in Zürichs Schanzengraben versenkt werden, spielen bei dieser Art der «Gewinnermittlung» ebenso wenig eine Rolle wie die gestiegenen Zinsen. Die verbliebenen Micro-Scooter-Anbieter jedenfalls verbreiten weiterhin Optimismus, obwohl in den vergangenen Monaten viele ehemalige Konkurrenten in den Konkurs geschlittert sind.

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Fahrer von E-Scooter ignorieren oft die Verkehrsregeln oder sind gar betrunken. Hier gibt es eine grössere Auflösung der Grafik.

Es gibt weitere Schattenseiten. So vermeldete der Schweizer Unfallversicherer Suva Ende des vergangenen Jahres, die Unfallzahlen seien stark gestiegen – ohne sie allerdings ins Verhältnis zur Zahl der vermehrt verfügbaren Fahrzeuge zu setzen. Der Suva-Statistiker Alois Fässler ging damals davon aus, dass die Zahlen weiter ansteigen und dass es zu rund 3500 E-Trottinett-Unfällen gekommen würde. «Auf einem E-Trottinett ist man generell eher instabil unterwegs. Aufgrund der kleinen Räder, des hohen Tempos und der starken Kurvenneigungsmöglichkeit ist vorsichtiges und vorausschauendes Fahren sehr wichtig – erst recht in Kombination mit manchmal schwierigen Wetterverhältnissen», erklärte Präventionsexpertin Andrea Lenz.

Im Kanton Zürich hat sich die Zahl der Unfälle mit E-Trottinetten in den vergangenen fünf Jahren bei zunehmender Nutzung mehr als vervierfacht. In mehr als 80 Prozent der Fälle haben sich die beteiligten Personen verletzt. Meist waren sie sogar die Hauptverursacher, wobei relativ viele betrunken waren. Eine empirische Analyse der Unfallzahlen im Langsamverkehr des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) sowie des Bundesamts für Strassen (Astra) zeigt, dass der relative Anteil der schwerverunfallten E-Trottinett-Nutzer vor allem bei Erwachsenen mit zunehmendem Alter überproportional zunimmt. Er liegt über den vergleichbaren Zahlen von Velofahrern.

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Das Risiko eines schweren Unfalls mit E-Trottinetten ist relativ hoch. Hier gibt es eine grössere Auflösung der Grafik.

Ähnliche Nachrichten kommen auch aus Deutschland. Dort teilte das Statistische Bundesamt jüngst mit, die Zahl der E-Scooter-Unfälle, bei denen Menschen verletzt wurden, sei im Jahr 2023 um 14,1 Prozent gestiegen. Bei knapp 10’000 Unfällen sei es zu 22 Todesfällen gekommen. Gut 80 Prozent aller Verunfallten seien jünger als 45 Jahre alt gewesen und viele davon hätten sich falsch verhalten. Knapp ein Fünftel habe die Fahrbahn oder das Trottoir nicht richtig genutzt, 15 Prozent seien sogar betrunken gewesen. Andere seien eindeutig zu schnell gefahren oder hätten die Vorfahrtsregeln missachtet. Im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln scheine Alkohol bei E-Scooter-Unfällen eine überproportionale ­Rolle zu spielen, hiess es.

Die städtische Infrastruktur ist für die Gefährte allenfalls bedingt geeignet

Die verbliebenen Anbieter halten dagegen und tun alles, um sich im Spiel zu halten. So können sie inzwischen auch auf eine Studie des deutschen Fraunhofer-Instituts verweisen. Im Gegensatz zur ETH kam sie nicht nur zum Schluss, dass die E-Scooter inzwischen einen positiven Klimaeffekt haben, sondern dass sich die Scooter und damit die Effekte sogar noch verbessern liessen.  Die Betreiber könnten die Lebensdauer der Fahrzeuge durch technische Anpassungen verlängern, die Flitzer mit CO2-freier Energie herstellen lassen und «betanken» und sie später fachgerecht rezyklieren.

Das ändert aber wenig daran, dass die Scooter nur Schönwetterfahrzeuge sind, dass sie ohne Knautschzonen gefährlich sind und dass die Städte nicht die nötige Infrastruktur bereitstellen, um sie in den öffentlichen Verkehr zu integrieren. Denn wären sie konsequent, müssten sie den Autoverkehr entsprechend einschränken.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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6 Meinungen

  • am 3.08.2024 um 11:51 Uhr
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    E-Scooter und E-Bikes als öffentliche Mietgeräte haben eine verheerende Bilanz: Umwelttechnisch, weil sie nach einem Jahr Schrott sind und mit einem Diesel-Kleintransporter jede Nacht eingesammelt und in den frühen Morgenstunden wieder aufgeladen zurückverteilt werden. Verkehrstechnisch sind die Regelungserleichterungen fatal: Es wird zu zweit gefahren, überall, irgendwie, Hauptsache schnell und egozentrisch. Betagte sind oft unsicher, wenn ihnen dann noch von hinten um die Ohren geflitzt wird, trauen sich manche gar nicht mehr heraus. Verkehrsdisziplin wäre für ein unfall- und reibungsfreies Nebeneinander unerlässlich. Seit auf den Gehsteigen Velo gefahren werden darf, zwar nur bis 14 Jahre, sind immer wieder Rentner auf viel zu schnellen E-Bikes auf dem Gehsteig unterwegs – und Kinder sehen Gefahren oft gar nicht. Die Sichtweiten von Einmündungen / Ausfahrten reichen oft nicht aus für schnellen Verkehr auf dem Gehsteig. Die Mietgeräte erziehen zur totalen Verantwortungslosigkeit.

  • am 3.08.2024 um 17:12 Uhr
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    Ich glaube nicht, dass E-trottis irgendwie zum Umweltschutz beitragen, eher sind sie ein weiterer Beitrag zur Verschlechterung der Gesundheit. Bei vielen Jugendlichen werden sie als Ersatz fürs zu Fuss gehen benutzt, und nicht als Ersatz fürs Auto.

  • am 3.08.2024 um 23:02 Uhr
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    Diese Tabelle mit der Anzahl Schwerverunfallten pro Art der Verkehrsteilnahme ist doch mehr als fragwürdig. Wie erklärt man sich denn, dass zB. unter den 14-19 jährigen bei eScootern der Anteil am geringsten ist, sogar tiefer als bei Fussgängern? Und bei den 20-29 und 30-39 jährigen statistisch etwa gleich liegt, wie alle anderen? Und gerade diese drei Altersgruppen sind doch diejenigen , die eScooters am meisten nutzen. Und etwas sarkastisch gesagt: siehe da, bei den 70-79 jährigen liegt der Anteil Schwerverletzten bei eScootern sogar deutlich tiefer als bei Fussgängern und Velofahrern…!

  • am 4.08.2024 um 08:05 Uhr
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    Es überwiegen die Vorteile. 10 Gründe: 1. Das Gefährt ist aus der Linie der Micros hervorgegangen und macht Lust auf mehr. 2. Eine neue Klientel erlebt, wie es um die Sicherheit auf der Strasse bestellt ist. 3. Mit dem Downsizing des Fahrzeugs wirkt der Strassenbau wie er ist: brutalistisch. 4. Die Befriedigung des Bewegungstriebs ist vergleichsweise harmlos. 4. Die Chancen auf Einführung flächendeckend Tempo-30-Zonen steigt. 6. E-Trotti fördern Micromobilität, die Erschliessung der Quertiere in Kombination von Park-and-Ride-Systemen, Verteilung des Publikums für Kultur- und Bildungsinsitutionen in Aussenquartieren, und 7, erhöht den Radius mobilitätseingeschränkter Menschen. 8. E-Trottis könn(t)en wie kein anderes Verkehrsmittel mit Solarpanelen autarkt betrieben werden. 9. Wer mietet respektiert die Regeln des Teilens eher als wer kauft. Jüngere haben ganz offensichtlich weniger Mühe damit. 10. Die Stadt muss grüner werden. Nicht 1 Trotti steht dem im Weg.

  • am 4.08.2024 um 17:03 Uhr
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    OK, die Betrunkenheit der Fahrer würde ich jetzt nicht den Fahrzeugen anlasten.
    Schwerwiegend jedoch die Transport-Einschränkung im ÖPNV einiger Städte; Beispiel Nürnberg:

    «In den Bussen, Straßenbahnen und U-Bahnen der VAG dürfen keine E-Scooter mehr mitgenommen werden. Auch an den U-Bahnhöfen dürfen E-Scooter nicht mitgeführt werden. Von den Akkus der E-Scooter geht eine erhöhte Brand- und Explosionsgefahr aus.»

  • am 4.08.2024 um 17:04 Uhr
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    Viele dieser Mängel hätten verhindert werden können, wenn der Gesetzgeber die europäischen Regeln für Elektrovelos angewendet hätte: das Pedelec-Prinzip. D.h. das Velo oder Trottinet darf nur motorisch fahren, wenn gleichzeitig regelmässig getreten wird. Die Firma Micro in Küssnacht hatte sogar ein solches im Angebot. Der Motor wurde immer langsamer und konnte durch ein Tritt oder Körperzwick wieder beschleunigt werden. Ein tolles Gefühl wie beim Velo-Pedelec, ich durfte es bei Micro ausprobieren. Leider war das Modell nur kurz erhältlich. Da eine gewisse Geschicklichkeit, Beweglichkeit und Kraft Voraussetzung sind, hätten solche Modelle zumindest die Betrunkenen und Tandemfahrer verhindert.

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