«Beim Parkieren sehr gut aufpassen mit den Bordsteinkanten »
Elektroautos werden momentan stark beworben. Worüber man wenig hört, sind die Wartungs- und Reparaturkosten.
Herr Peter, Sie sind Leiter Technik und Umwelt beim Auto Gewerbe Verband Schweiz und befassen sich seit mehr als zehn Jahren mit Elektromobilität. Angenommen, es fallen bei einem Elektroauto Reparaturen an, zum Beispiel, weil man beim Parkieren ungeschickt war. Was kommt dann auf einen zu, Herr Peter?
Das hängt davon ab, was beschädigt wurde, wie aufwendig die Reparatur ist und zu welchem Preis die Ersatzteile zu beschaffen sind. Die Standardreparaturen sind vergleichbar wie bei einem normalen Fahrzeug. Wenn sie aber genau an dem Kotflügel, wo die Aufladebuchse ist, einen Parkschaden haben, dann wird es aufwändiger.
Warum?
Sobald der Garagist etwas an der Hochvoltanlage ausbauen oder reparieren muss, muss er das Auto aus Sicherheitsgründen zuerst in einen spannungsfreien Zustand bringen. Dieses Aus- und wieder Einschalten umfasst verschiedene Kontrollen und dauert je nach Fahrzeug in etwa 30 Minuten. Das gibt zusätzlichen Aufwand und das wissen viele E-Fahrzeugbesitzer nicht.
Gibt es noch andere Wissenslücken?
Bei einigen E-Autos ist die Bodenfreiheit relativ gering. Mit einem solchen Fahrzeug muss man beim Parkieren mit den Bordsteinkanten sehr gut aufpassen. Auch beim Fahren auf unebenen Feldwegen oder bei einem Event mit Parkplatz auf dem Acker ist grosse Vorsicht geboten, dass man dabei nicht den Unterboden beschädigt, der die Hochvoltbatterie schützt. Manche Hersteller bestehen darauf, dass der Unterboden nicht die kleinste Delle haben darf. Wenn man ihn ersetzen muss, wird das sehr aufwändig und teuer.
Wenn die Batterie beschädigt wird, kehrt sich die Ökobilanz
Und wenn bei einem Unfall die Hochvoltbatterie selbst beschädigt wird?
Dann müssen je nach Schaden die ganze Batterie oder zumindest einzelne Zellmodule ersetzt werden. Von der Ökologie her betrachtet, ist das suboptimal.
Was meinen Sie damit?
Autos mit Verbrennungsmotor werden mit einfacheren Materialien hergestellt als E-Autos. Das heisst, das E-Auto startet aufgrund des Rohstoffverbrauchs und der ressourcenintensiven Batterieherstellung mit einer schlechteren Umweltbilanz, verursacht im Verkehr dann aber weniger CO2-Ausstoss beim Betrieb mit erneuerbarem Strom. Bis zur Marke von etwa 50’000 Kilometer gelten Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor als ökologischer. Etwa bei 50’000 Kilometer ist der Break-even erreicht. Ab dann hat man beim E-Auto die Rohstoffe aus der Produktion mit dem tieferen CO2-Ausstoss egalisiert. Darüberhinaus schneidet dann das E-Auto besser ab. Diese Umweltbilanz geht aber nur auf, wenn auch die Batterie so lange mitmacht wie der Rest des Fahrzeugs.
Sind der Motor und die Batterie das Entscheidende für die Umweltbilanz?
Nein, es kommt auch stark darauf an, mit welcher Energie das Fahrzeug betrieben wird. Wenn das E-Auto mit Strom aus einem Kohlekraftwerk fährt, dann verlagern Sie den CO2-Ausstoss bloss. In Deutschland, das viel «Kohlestrom» hat, wird der Break-even deshalb erst bei etwa 80’000 Kilometern erreicht. Umgekehrt können Sie auch einen Verbrennungsmotor mit synthetischen Treibstoffen sehr CO2-arm betreiben.
Vorsicht beim Marderbiss
Ist der regelmässige Service beim E-Auto aufwändiger?
Nein, da gibt es keinen Grund, von so einem Auto abzuraten. Der übliche Service gibt weniger zu tun, weil Elektrofahrzeuge weniger Bauteile haben, die verschleissen: Keine Zündkerzen, kein Motorenöl, das gewechselt werden muss, kein Keilriemen, der reissen kann … Solange keine Reparaturen anfallen, ist das E-Auto tendenziell günstiger in der Wartung.
Und die Nachteile?
Das E-Auto ist tendenziell schwerer, deshalb nützen sich die Reifen schneller ab. Das ist der erste Punkt. Der zweite ist, dass die Bremsen weniger verschleissen, weil man die Energie über den Motor rekuperiert. Das ist einerseits gut, andererseits kommt es vor, dass die Bremsen so wenig gebraucht werden, dass Bremsscheiben und Bremszangen Rost ansetzen können. Drittens haben E-Autos ein aufwändiges Wärme- und Kühlsystem. Wenn dort etwas undicht ist, beispielsweise wegen eines Marderbisses, und man fährt trotzdem, kann das teuer zu stehen kommen.
Weshalb?
Ein solches Fahrzeug hat meist mehrere Kühlkreisläufe mit unterschiedlichen Temperaturniveaus. Die Hochvoltbatterie zum Beispiel bevorzugt Temperaturen unter 40 Grad Celsius, weil sonst die chemischen Batterieelemente schneller altern und nicht mehr die volle Leistung erbringen. Auch die übrigen Hochvolt-Komponenten werden, wie wir dies vom Verbrennungsmotor kennen, über einen aufwendigen Flüssigkeits-Kreislauf im idealen Temperaturbereich bis circa 60 Grad Celsius gehalten.
Bei Panne: Nicht abschleppen
Sind Elektroautos pannenanfälliger als solche mit Verbrennungsmotor?
Wir haben da noch keine grossen Erfahrungswerte, aber bisher sieht es eher nicht danach aus. Es kommt immer auf die Qualität der Bauteile an. Gegenwärtig spielt allerdings der Wettbewerb sehr stark und die Teileverfügbarkeit ist eingeschränkt. Das könnte dazu führen, dass die Qualität zurückgehen wird.
Zur Person
Muss man beim E-Auto etwas beachten, falls es zu einer Panne kommt?
Die meisten Hersteller schreiben vor, dass Sie es nicht abschleppen dürfen, sondern auf einen Tieflader aufladen müssen.
Warum nicht abschleppen?
Weil die Räder bei vielen E-Autos ohne Trennkupplung mit dem Rotor des Motors verbunden sind. Sobald sie sich drehen, baut sich ein Magnetfeld auf und das produziert elektrischen Strom. Im besten Fall kann dieser Strom an die Batterie abgegeben werden. Im ungünstigen Fall, wenn etwas defekt ist, kann es aber auch sein, dass dadurch die Elektrik beschädigt wird oder dass sich die Bauteile zu stark erwärmen.
Was soll man tun, wenn man in den Ferien unterwegs ist und weit und breit kein Tieflader?
Dann kann man versuchen, das E-Auto mit maximal 30 km/h abzuschleppen und höchstens 30 Kilometer weit. Im Zweifelsfall sollte man lieber einen Fachmann fragen und das Betriebshandbuch zu Rate ziehen, bevor man abschleppt. Dort stehen Angaben zu solchen Notlösungen.
Kann der Strom, der da entsteht, gefährlich werden, wenn man das defekte Auto berührt?
Nein. Die Hochvoltanlage ist mehrfach abgesichert und elektrisch getrennt von der Fahrgastzelle. Das Risiko ist praktisch Null, solange es nicht einen richtig schweren Crash gibt.
Die häufigste Pannenursache
Was ist die häufigste Pannenursache beim Elektroauto?
Wie bei einem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor die Starterbatterie. Das Hochvoltsystem ist beim E-Auto im Stehen und ohne Anschluss an eine Ladestation deaktiviert. Um es zu aktivieren, braucht es eine 12-Volt-Starterbatterie. Und wenn die zu stark entladen oder defekt ist, dann bleibt man mit dem Auto liegen, genau wie beim Benziner oder beim Dieselfahrzeug. Die zweithäufigste Pannenursache ist die Elektronik, wenn irgendein Bauteil im Bordnetz nicht funktioniert. Auch das betrifft E-Autos und herkömmliche gleichermassen.
Die ersten E-Autos aus Serienproduktion sind nun über zehn Jahre alt. Was sollte man beachten, wenn man ein solches Fahrzeug als Occasion kauft?
Das Teuerste am Elektroauto ist die Batterie. Man sieht ihr nicht an, wieviel Prozent der anfänglichen Leistung und Kapazität sie noch bringt. Das herauszufinden und den richtigen Preis zu ermitteln ist derzeit eine Herausforderung für die Garagisten, die solche Autos weiterverkaufen wollen. Das muss man anders berechnen als bei herkömmlichen Autos. Immer wichtiger werden deshalb entsprechende Batteriebewertungstools, die von den Autoherstellern oder unabhängigen Organisationen angeboten werden. Bei einem zweijährigen E-Auto würde ich mindestens 90 Prozent der ursprünglichen Batteriekapazität erwarten.
«Im Idealfall können die Hochvoltbatterien noch ein paar Jahre in Gebäuden mit Photovoltaik als Speicher dienen.»
Markus Peter, AGVS
Und wenn die Leistung darunter liegt?
Fällt sie – je nach Marke und Modell – unter 70 bis 80 Prozent, bekommt man vom Hersteller neue Batteriemodule oder gleich eine neuwertige Hochvoltbatterie, falls die Garantie noch gilt. Meist garantieren die Hersteller eine Batterielaufzeit von rund acht Jahren oder 150’000 Kilometer. Wenn die Garantie abgelaufen ist, dann müssen Sie mit mehreren tausend Franken für eine neue Batterie rechnen. Das lohnt sich bei einem Occasionswagen oft nicht mehr.
Wie stellt man fest, ob die Hochvoltbatterie bei einer Occasion noch gut ist?
Sie müssen sich auf die Prüfprotokolle verlassen, die es für diese Batterien gibt. Es gibt spezielle Diagnosegeräte und -programme, die während der Fahrt registrieren, wie schnell und stark Spannung und Strom auf der Batterie zusammenbrechen und wie sich andere Werte, zum Beispiel zur Temperatur der Batteriezellen, verhalten.
Was passiert mit den Hochvoltbatterien, wenn sie ausgetauscht werden müssen?
Im Idealfall können sie noch ein paar Jahre in Gebäuden mit Photovoltaik als Speicher dienen, bevor sie recycelt werden. Das Recyceln ist in den letzten Jahren immer besser geworden, man gewinnt immer mehr Rohstoffe wieder zurück.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Peter.
Tipps vor dem Kauf eines Elektroautos
Darf ich eine Ladestation montieren? Brauche ich die Einwilligung vom Vermieter? Welche Ladestation für welches Auto? Müssen noch bauliche Massnahmen ergriffen werden? Der TCS und der AGVS empfehlen, diese Fragen vor dem Kauf eines E-Autos zu klären.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Meine Erfahrung: EFH mit eigener Ladestation
Ich fahre seit Anfang 2011 rein elektrisch EV (Mitsubishi i-MiEV) und hatte parallel dazu einen ebenso kleinen Benziner (Daihatsu Sirion). Die Fahrleistungen (Beschleunigung) waren bei beiden identisch. Beide Autos sind modern ausgerüstet: 4 Sitze, Klimaanlage, Sitzheizung, elektrische Seitenspiegel und Fenster, klappbare Rücksitze, usw.
Aber das EV hat folgende Vorteile:
– keine Vibrationen, geräuschlos, maximales Drehmoment aus dem Stand = anfahren so sanft wie mit dem Intercity,
– 9.0m Wendekreis, 1.5m schmal (Parkplätze), max. 1050L Laderaum = optimales Stadtfahrzeug
– Energie: zwischen 10 und 15 kWh, je nach Fahrweise und Einsatz der Heizung
– sehr tiefe Wartungskosten
– einzige Reparatur seit 2011: vorderes linkes Radlager ersetzt!
Die Reichweite ist von anfänglich 130km auf 85 km geschrumpft. Für ein Stadtauto völlig problemlos. Ich habe noch nie ein günstigeres Auto gefahren. Also kein Geschäft für eine Autowerkstatt.
Wenn man die Umweltauswirkungen eines E-Autos bei einem Unfall mit denjenigen eines Verbrenners vergleicht, darf man die ökologischen Schäden eines auslaufenden Benzintankes nicht ignorieren. Dies kommt sicher öfters vor als, dass die gut geschützte Batterie eine Defekt erleidet. Wobei man die Rohstoffe der defekten Batterie recyceln kann, das ausgelaufende Benzin wird man jedoch nicht mehr nutzen können.
Worüber man bei E-Autos und rund um die ganze E-Mobilität leider «viel zu wenig hört», sind weder Probleme beim Parkieren noch bei Pannen oder beim Occasion-Kauf sondern über die fatale Grundtatsache, dass E-Autos eine «elitäre Sackgasse» sind. Das hat Infosperber längst aufgezeigt: https://www.infosperber.ch/umwelt/boden-raum-verkehr/der-weltbeste-motorenbauer-daempft-die-elektroauto-euphorie/ Denn: E-Fahrzeuge sind leider keine Lösung für die völlig überbordende, Mobiltät der Menschheit. Es gibt auf dieser Welt derzeit 1,3 Milliarden Motorfahrzeuge. Und nicht einmal ein halbes Prozent davon sind E-Fahrzeuge – 99,5% sind und bleiben noch lange Verbrenner. Aber schon werden die seltenen Rohstoffe knapp, die es für den Bau der schweren Batterien barucht (70kg Kuper für 1 Tesla) – der Strom sowieso. Kurz und Ungut: E-Mobilität ist ein Beruhigungszückerchen für eine kleine, begüterte Schicht. Für alle anderen heisst es schon bald: «Bleiben Sie zuhause!» (Hobypilot Berset). N.R. Bern
starkes Interview mit einem Fachmann, zumindest für mich mit viele neuen Informationen… danke!
Vielen Dank für die nützlichen und seltenen Insider-Infos. Z.B. das mit den Reifen. Damit ist der Feinstaub-Abrieb der schweren Elektroautos vermutlich die grösste unmittelbare Schadstoffquelle.
Viele der genannten Probleme entstehen, weil die meisten Elektroautos der Industrie dieselben ineffizienten Fehlkontruktionen sind wie ihre Modelle mit Verbrennungsmotoren. Ein bis zwei Tonnen, um (meistens) 0,1-0,2 Tonnen mit (meistens) geringen Geschwindigkeiten zu transportieren: dass sich die Ingenieure nicht schämen!. Dabei ist es möglich, leichtere Elektromobile mit einer viel höheren Effizienz zu konstruieren, welche für die häufigsten Fahrzwecke völlig reichen. Leider werden solche Modelle kaum nachgefragt, weil die Kunden Fahrzeuge wollen, die jederzeit mit hohen Geschwindigkeiten hunderte Kilometer am Stück fahren können, auch wenn sie das selten tun.
Manche Aussagen könnte man genausogut zu Verbrennern machen:
«…Wenn sie aber genau an dem Kotflügel, wo der T a n k s t u t z e n ist, einen Parkschaden haben, dann wird es aufwändiger. …“
«… Bei einigen V e r b r e n n e r n ist die Bodenfreiheit relativ gering. …
ist grosse Vorsicht geboten, dass man dabei nicht den Unterboden beschädigt, der den B e n z i n t a n k schützt. …»
Übrigens: Meine Batterie hat in 7 Jahren/90’000 km 7% Reichweite verloren.
Und: Wenn’s feucht ist bremse ich hin und wieder, damit die Bremse nicht Rost ansetzt, – immer noch besser als die Bremse einfach abnützen, weil der Verbrenner bergab die Energie nicht zurückgewinnen kann, sondern einfach die Bremsen aufheizt 🙁 .