Sperberauge

Asthmasprays: Klein, aber sehr umweltschädlich

Martina Frei © zvg

Martina Frei /  Eine Leitlinie rät zum klimabewussten Verordnen von Medikamenten zum Inhalieren. Das kommt dem Klima und den Lungenkranken zugute.

Auch Arzneimittel können einen Beitrag zum Klimaschutz leisten oder nicht. Eine siebenstündige Narkose mit dem Wirkstoff Desfluran beispielsweise kann, je nachdem wie viel Narkosegas dabei verbraucht wird, so viel CO2 freisetzen wie eine Autofahrt von 15’700 Kilometer Länge. Das umweltverträglichere Sevofluran dagegen bedeute eine CO2-Last von 780 Kilometer, berichtete das «arznei-telegramm» letztes Jahr.

Handlungsbedarf sah die pharmakritische Fachzeitschrift bei der Behandlung von Asthma und der Lungenkrankheit COPD. Viele Patienten bekommen ihre Medikamente in Form von Sprays. Doch diese kleinen Spraydosen tragen zum Klimawandel bei. Sie enthalten Treibmittel, die starke Treibhausgase sind. Die seit Jahren stark beworbenen und teureren Pulverinhalatoren dagegen sind frei von solchen Treibhausgasen. 

In Bezug auf die Herstellung beider Fertigarzneimittel sowie die Vertriebswege unterscheide sich der CO2-Fussabdruck von Dosieraerosolen und Pulverinhalaten nicht wesentlich, fasste das «arznei-telegramm» zusammen. 

Ein Spray entspricht der CO2-Bilanz von 24 Pulverinhalatoren

Sobald jedoch das Treibgas der Dosieraerosole nach Inhalation in die Atmosphäre gelange, seien die Unterschiede beträchtlich: Ein einziges Dosieraerosol habe dann die gleiche CO2-Bilanz wie 24 Pulverinhalatoren, rechnet das «arznei-telegramm» vor. Auch wenn man berücksichtigt, dass die Pulverinhalatoren oft weniger Dosen enthalten als die Sprays, bleibt die Bilanz positiv.

«Die CO2-Emission eines einzigen Dosieraerosols entspricht der Klimaschädlichkeit einer Autofahrt mit Verbrennungsmotor auf einer Strecke von 190 km bis 280 km, bei einem Pulverinhalator lediglich von 6 km bis 9 km», schrieb das «arznei-telegramm». «Da eine Verschlechterung der Umweltlage mit einer Zunahme auch von Atemwegserkrankungen einhergehen dürfte, sind Dosieraerosole nicht nur Teil der Therapie, sondern auch Teil des Problems.»

Auch die «Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin» (DEGAM) hat sich jüngst für die Pulverinhalatoren stark gemacht. Ihre neue Leitlinie empfiehlt den Ärztinnen und Ärzten, die Präferenzen des Lungenkranken zu ermitteln und – sofern keine medizinischen Gründe dagegen sprechen – klimabewusst zu verordnen.

Pulverinhalatoren sind nicht für alle Personen geeignet

Für die klimafreundlicheren Pulverinhalatoren kommen nur Patienten in Frage, die über zwei bis drei Sekunden kräftig ein- und ausatmen können. Sie werden deshalb bei Kindern unter fünf Jahren, sehr betagten oder schwachen Menschen und Personen mit akuter Verschlechterung der Lungenfunktion nicht empfohlen. Davon abgesehen sei eine Umstellung auf Pulverinhalatoren für viele Betroffene gut möglich, so die DEGAM. 

Hochgerechnet auf ein Jahr,  spare dieser Wechsel mehr CO2 ein als der Verzicht auf einen Kurzstreckenflug über 1’000 Kilometer und etwa gleich viel wie die Umstellung auf vegetarische Kost.

Grafik Asthmasprays
In ihrer Leitlinie wird der CO2-Fussabdruck von Dosieraerosolen (DA) und Pulverinhalatoren (DPI) verglichen. Die Grafik zeigt, wieviel Kilogramm CO2 man pro Jahr einsparen könnte, wenn man die Darreichungsform wechselt. Zugrunde gelegt wurde die tägliche Einnahme von zwei Hüben.

Bei den Sprays gibt es deutliche Unterschiede

Werde aus medizinischen Gründen ein Spray benötigt, könnte die Umstellung auf ein Produkt mit einem klimafreundlicheren Treibgas (zum Beispiel mit Norfluran anstelle des klimaschädlicheren Apaflurans) etwas bringen. Norfluran (auch Tetrafluorethan genannt) hat «ein rund 1’300-fach höheres Treibhauspotenzial verglichen mit CO2 und eine Verweildauer in der Atmosphäre von 13,4 Jahren. […] Apafluran hat sogar einen mehr als 3’300-fach grösseren Treibhauseffekt als CO2 und eine doppelt so lange Verweildauer wie Norfluran», schreibt das «arznei-telegramm».

«Wenn möglich, sollte ein Dosieraerosol mit Apafluran vermieden werden», rät die DEGAM-Leitlinie. Apafluran (Heptafluorpropan) ist zum Beispiel in «Flutiform»-Spray enthalten. 

Die DEGAM gibt zu bedenken, dass in den USA zehn Prozent des nationalen CO2-Ausstosses im Gesundheitswesen anfallen, in Grossbritannien seien es etwa vier Prozent.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Weiterführende Informationen

  • Auf dieser Website der Atemwegsliga sind Informationen, wie man die verschiedenen Medikamente zum Inhalieren korrekt anwendet. Es ist sinnvoll, sich in der Anwendung anfangs instruieren zu lassen.

Zum Infosperber-Dossier:

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Die Klimapolitik kritisch hinterfragt

Die Menschen beschleunigen die Erwärmung der Erde. Doch kurzfristige Interessen verhindern griffige Massnahmen.

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3 Meinungen

  • am 16.08.2022 um 12:14 Uhr
    Permalink

    Als Nutzer eines solchen Sprays habe ich meine liebe Mühe mit dem Artikel. Aufklärung über die Belastung dieser Medikamente ist ja ok. Aber ein so einseitiger Artikel kann ich nicht unkommentiert stehen lassen. Um leben zu können, brauche ich den Spray. Die Pulveralternative geht nicht so tief in die Lunge. Der Grund warum ich den Spray brauche, ist u.a. die Umweltbelastung (Abgase, Feinstaub, Ozon etc.). Auf einen Flug kann ich verzichten. Auf ein Medikament, dass mir das Atmen ermöglicht nicht. Daher empfinde ich den Artikel als unsensibel gegenüber Lungenkranken. Denn wer einmal erlebt hat, wie das ist, einzuatmen aber dabei nicht genügend Sauerstoff zu erhalten, würde sich dreimal überlegen, ob sie mit so einem Bericht gegen diese Sprays auftreten will.

    • Portrait Martina Frei 2023
      am 16.08.2022 um 13:35 Uhr
      Permalink

      @Herrn Bossard: Genau deshalb wird in der ärztlichen Leitlinie Folgendes empfohlen: Den Patienten informieren bezüglich der Vor- und Nachteile verschiedener Inhalationssysteme, dabei auch den Aspekt des Klimas erwähnen, dann die Präferenz des Patienten ermitteln und ihn je nachdem, wie die Entscheidung ausfällt, in der Anwendung des jeweiligen Medikaments schulen. Unten am Artikel ist ein Link zur Website der Atemwegsliga mit Schulungsvideos angegeben. Es geht nicht darum, den Betroffenen den Spray auszureden sondern mit ihnen zusammen die bestmögliche Lösung zu finden.

  • am 16.08.2022 um 18:54 Uhr
    Permalink

    Im ersten Moment hielt ich den Artikel für Satire. Ich finde, es sollte bei medizinischen Themen einzig um das Patientenwohl gehen. Sind heutige Mittel schädlicher bzw. gibt es gesündere Alternativen wohlgemerkt für die Patientengesundheit (statt fürs Klima)? Was mich seit jeher stört, dass ich von Klimaleuten einzig das Schlagwort CO2 sehe. Zumal es in obigem Artikel um Inhalationsmittel geht, möchte ich dezidiert hinweisen, dass bei Atemwegsthemen wie Asthma, COPD, Long-Covid, es der Feinstaub ist (giftige Chemie, Schwermetalle aus Verbrennungsmotoren und Reifenabrieb), der ruinös wirkt, das gilt dito für den Feuerholzhype (CO2) in der Schweiz, den Kachelmann zu Recht scharf kritisiert. Ich sehe einfach das Problem, dass sich die Klimabewegung mit falschen Akzenten unnötig Gegner schafft, während umgekehrt, dort wo es zählt (Verkehr, Militär) und punkto meinen bahnbrechenden Lösungsvorschlag, ich keine Antwort bzw. nichts Reelles innert nützlicher Frist seitens Klimaleuten erblicke.

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