Seol Biotonne Video

Die Koreanerin Lee Seo-Un entsorgt etwa sechs Kilo Lebensmittelabfälle pro Woche im elektronischen Biokübel vor dem Haus. © France 24

Von Resten zu Ressourcen: Südkoreas beeindruckendes Recycling

Daniela Gschweng /  Südkorea verwertet fast 100 Prozent seines Lebensmittelabfalls. Dank strikter Trennung, KI, Gebühren, Bildung – und Strafen.

Noch 2005 wurden lediglich zwei Prozent aller Lebensmittelabfälle in Südkorea weiterverwertet. Inzwischen hat sich das asiatische Land zum Recycling-Meister mit beeindruckenden Quoten entwickelt. Plastik, Glas, Metall und Lebensmittelabfälle werden in separaten Behältern entsorgt. Lebensmittelabfälle werden fast vollständig weiterverwertet.

Akribisch sortierter Hausmüll und High-Tech-Tonnen

Dafür müssen Koreanerinnen und Koreaner wie Lee Seo-Un den Hausmüll sorgfältig trennen. «Kartoffelschalen gehen zum Lebensmittelabfall, Zwiebelschalen zum Restmüll», erklärt sie in einem Videobericht von «France 24», während sie das Essen zubereitet

Anfangs sei das Sortieren schwierig gewesen und sie habe eine gedruckte Anleitung benötigt. Jetzt könne sie etwa 80 Prozent ihrer Abfälle korrekt trennen. Pro Woche entsorgt Seo-Un etwa sechs Kilogramm Bioabfall im elektronischen Biokübel vor dem Haus in Seoul. Er wird mit einer Karte entsperrt und berechnet gleich Gebühren, demonstriert sie. Sie entwässert ihre Abfälle sorgfältig, damit sie weniger wiegen.

Nicht jeder hat einen High-Tech-Kübel vor dem Haus. Die meisten Koreanerinnen und Koreaner müssen noch spezielle Bioabfallsäcke kaufen. Die elektronischen Kübel sollen aber im ganzen Land den Biomüll schlucken. Neben der sich schliessenden Bioklappe ist im Video eine andere, offensichtlich überfüllte, zu sehen, deren Deckel nicht mehr schliesst – ein Hinweis darauf, dass das System nicht immer wunschgemäss funktioniert.

Trennung und Gebührenkleber im Restaurant

Sortiert wird auch in Restaurants. Sie müssen die Lebensmittelabfälle getrennt entsorgen. Ein traditionelles koreanisches Essen besteht aus einem Hauptgericht und Dutzenden kleiner Beilagengerichte, genannt Banchan. Davon bleibt häufig etwas übrig.

«Hier haben wir einen pikanten Pfannkuchen und eingelegtes Gemüse von der Insel Juu und das sind sautierte Paprikaschoten mit kleinen Fischen», erklärt ein weiblicher Gast die vielen Tellerchen und Schüsselchen. Die Reste von Banchan werden separat entsorgt. Die Restaurantmanagerin Kim Young-Hee demonstriert die sorgfältige Trennung und zeigt Gebührenkleber für die Abfalltonne.

Obwohl Südkorea fast fünf Millionen Tonnen Lebensmittel pro Jahr entsorgt, beträgt die Recyclingrate nahezu 100 Prozent. Nach dem Weltabfallindex des slowakischen Unternehmens Sensoneo recycelt Südkorea insgesamt 61 Prozent des gesamten Siedlungsabfalls und ist damit Weltspitze. Übrig gebliebene Lebensmittel werden in Recyclinganlagen verarbeitet. Zum Beispiel im Hanam Environmental Complex. 3300 Tonnen Lebensmittelabfälle würden dort pro Tag gereinigt, gemahlen und zu Tierfutter verarbeitet, sagt der Manager im Video.

«Iss deinen Teller leer» in digital

Ein innovativer Schulversuch hat ebenfalls dazu beigetragen, das Bewusstsein für Lebensmittelverschwendung zu schärfen. Eine Wissenschaftlerin zeigt, wie sie künstliche Intelligenz und Wiegegeräte in Schulen nutzt, um die Schüler für Abfälle und die damit verbundenen Treibhausgasemissionen zu sensibilisieren.

Die Kinder stellen ihren Teller nach dem Essen auf eine Waage, die ihr Gesicht erfasst und dann ausgibt, welche Klimabelastung die Essensreste darstellen. «Iss deinen Teller leer» in digital? Aus westlicher Sicht ist das sicher etwas gewöhnungsbedürftig. Das Pilotprojekt reduzierte den Abfall von fünf Schulen um durchschnittliche 60 Prozent, in einer Schule sogar um 86 Prozent.

Wer nicht trennt, zahlt

Ganz günstig ist dieser Aufwand nicht. Die südkoreanische Regierung investiert seit 20 Jahren rund 700 Millionen Euro jährlich in ein Recyclingprogramm, das auch die Produktion von Biogas aus Lebensmittelabfällen umfasst.

Südkorea hat damit nicht nur eine beeindruckende Recyclingrate erreicht, sondern auch eine konsequente Trennung von Lebensmittelabfällen – die Voraussetzung für jede Kreislaufwirtschaft. Ein zusätzlicher Anreiz, die Mülltrennungsvorschriften einzuhalten, mögen auch die Strafen sein, die bei Nichteinhaltung fällig sind. Wer falsch trennt, bezahlt laut «France 24» bis zu 700 Euro. Das ist viel Geld. Der durchschnittliche Jahreslohn in Südkorea betrug vor zwei Jahren 48’922 US-Dollar und lag damit etwa in der Mitte zwischen Polen und Deutschland.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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6 Meinungen

  • am 20.02.2024 um 11:45 Uhr
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    Was im Artikel nicht ausgedrückt wird, ist die Tradtion des Abfralltrennens- und Sammelns in Südkorea. Als ich 1976 mit dem Velo in Süd-Korea war, fielen mir in Soul in den Quartieren kleine Sammelstellen auf. Männer zogen mit einem Handkarren durchs Quartier und sammelten alles: Karton, Bleck, Schnüre, Papier usw. Mit einer riesigen Schere in der Hand erzeugten sie ein lautes Geräusch, dass die Anwohnerschaft auf sie aufmerksam machte und rauskommen liess. Südkorea kann also auf ein traditionell verankertes Sorgetragen zu Ressourcen zurückgreifen, lange bevor das Wort Recyling bekannt war.

    • am 20.02.2024 um 22:57 Uhr
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      War das nicht eher ein Zeichen von Armut? Der Artikel scheint eher auszudrücken, dass Südkoreaner heute viele Nahrungsmittel wegwerfen. Im Artikel werden leider keine pro-Kopf-Vergleichszahlen des food waste mit anderen Ländern präsentiert. Bei Respekt gegenüber den Nahrungsmittelproduzenten und der Umwelt wären ja diese ganzen Dressur- und Kontrollmassnahmen nicht nötig. Südkorea erscheint mir in diesem Artikel jedenfalls weniger als Vorbild als eine schlechtere Version der USA.

  • am 20.02.2024 um 12:08 Uhr
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    «Die Kinder stellen ihren Teller nach dem Essen auf eine Waage, die ihr Gesicht erfasst und dann ausgibt, welche Klimabelastung die Essensreste darstellen. «Iss deinen Teller leer» in
    digital? Aus westlicher Sicht ist das sicher etwas gewöhnungsbedürftig.

    Die Begründung, mit «westlicher» Sicht , sprich mutmassliche Skepsis bis Ablehnung, diese Art von Kontrolle auch bei Kindern durchzuführen , greift wahrlich zu kurz.

    «Schwarze Pädagogik» schadet allen Kindern auf dieser Welt!

    Dass diese auch «mit «westlicher Sicht» noch praktiziert wird, hat der Gehorsam und Glaube an die erlösende Corona-Spritze und sog.Schutzmassnahmen gezeigt, die auch vor Kindern nicht halt machten!

    • alex_nov_2014_1_3_SW(1)
      am 21.02.2024 um 09:20 Uhr
      Permalink

      Um gerecht zu sein: Gesichtsscans in Verbindung mit Namen und Restegewicht ist schon etwas schaurig. Ob das Projekt pädagogisch begleitet wird, wird im Film nicht thematisiert. Das wäre grundsätzlich sehr sinnvoll und wird auch in anderen Ländern gemacht, wie z.B. Frankreich. Auch Erwachsene scheitern gelegentlich daran, sich nur so viel aufzuladen, wie sie essen können. Das kann man an jedem Hotelbuffet sehen.
      Was das mit Corona zu tun haben soll, erschliesst sich mir nicht. Und was meinen Sie mit «erlösende Corona-Spritze»?

  • am 20.02.2024 um 16:53 Uhr
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    Fast 1 Kilo Bioabfall pro Tag pro Person? Das scheint mir doch ziemlich viel zu sein, insbesondere wenn das vorher noch getrocknet wird. Vorher Trocknen? Wie denn? an der Luft? Das braucht Platz und dürfte etwas stinken… Wohl kaum im Obsttrockner mit Atomstrom? Wenn 20% dann doch noch falsch entsorgt werden, dürfte der Trennaufwand immer noch beträchtlich sein. Und was machen diejenigen, deren intellektuelle Fähigkeiten die beträchtlichen Anforderungen nicht erfüllen? Und öffentliche Abfallkübel funktionieren dann nur noch per ID-Karte? Das tönt ja ziemlich beängstigend. Der nächste Schritt dürften dann Minuspunkte sein, wenn man das falsche isst…

  • am 20.02.2024 um 21:31 Uhr
    Permalink

    Schöne neue Welt: Oma presst das letzte Säftle aus den Kartoffelschalen damit sie nicht zuviel für den Müll zahlen muss und Junior kriegt eine Essstörung weil er das Tellerchen nicht leergegessen hat und die CO2-Skala piept. So funktioniert Gängelung und Konditionierung. Der kontrollierte Bürger bekommt schon im Kindergarten die CO2-Propaganda um die Ohren gehauen während die Reichen und Mächtigen auf Riesenjachten um den Globus donnern und jeder einzelne Weltraumstart mehr Dreck macht als ein Koreaner in fünfzig Leben.

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