Tübingen: McDonald’s muss nun doch Einweg-Steuer zahlen
Seit Anfang 2022 gilt im süddeutschen Tübingen eine Verpackungssteuer für Fast-Food-Verpackungen. Steuerpflichtig sind alle To-Go-Verpackungen, egal aus welchem Material, also Kaffeebecher genauso wie Pommesschalen sowie Besteck.
Kaum war die Steuer eingeführt, klagte der Fast-Food-Konzern McDonald’s dagegen. Zunächst mit Erfolg. Im Mai entschied ein übergeordnetes Gericht, die Steuer sei doch rechtmässig. Damit ist Realität, was die Fast-Food-Branche befürchtete und viele Städte erfreut: eine Insellösung, die Müll reduziert.
Ein Sieg für Tübingen und dessen Oberbürgermeister Boris Palmer
Im März 2022 hatte der Verwaltungsgerichtshof des Landes Baden-Württemberg McDonald’s zunächst Recht gegeben. Palmer (ehemals Grüne, inzwischen parteilos), der das in Deutschland geltende duale System mit dem gelben Sack für eine «Selbstbetrugsveranstaltung» hält, reiste nach Mannheim, um sein Abfallkonzept zu verteidigen. Sein Versuch, die «unzulänglichen Bemühungen des Staates» zu ergänzen, scheiterte.
Die Stadt gab nicht auf und zog vors Bundesverwaltungsgericht, das im Mai entschied, dass Tübingen eine örtliche Steuer einführen darf. Die Universitätsstadt Tübingen hat eine lebhafte und touristisch beliebte Altstadt, in der Littering vor allem bei gutem Wetter ein Problem ist.
Abfallmenge «sichtbar und spürbar» zurückgegangen
Betriebe, die in Tübingen To-Go-Mahlzeiten ausgeben, bezahlen seit anderthalb Jahren für jede einzelne Verpackung 50 Cent und für jedes Besteck 20 Cent, aber maximal 1,50 Euro pro Mahlzeit. Betroffen sind etwa 440 Unternehmen.
Die Menge an Verpackungsmüll in Tübingen sei mit der Besteuerung «sichtbar und spürbar» zurückgegangen, schreibt die Medienstelle der Stadt auf Anfrage. Da Abfall jedoch lediglich nach Gewicht erfasst werde und Verpackungen vergleichsweise leicht seien, gibt es keine konkreten Zahlen.
Wegen des offenen Verfahrens hat die Stadt Tübingen die Steuer bisher noch nicht eingefordert. Die Stadt schätzt die Einnahmen «auf einen höheren sechsstelligen Betrag».
Städte dürfen eigenmächtig gegen Verpackungsmüll vorgehen
In der gerichtlichen Auseinandersetzung ging es vor allem darum, ob eine Stadt eine lokal gültige Steuer eigenmächtig erlassen darf und ob sie übergeordnetem Recht entspricht. Ja, fand das Gericht. To-Go-Lebensmittel würden typischerweise schnell gegessen und der Müll bleibe so meist im Gemeindegebiet.
Die Tübinger Verpackungssteuer verfolge dasselbe Ziel wie der Bund und die EU: die Vermeidung von Verpackungsabfällen. Rechtswidrig sei lediglich die «zu unbestimmte Obergrenze von 1,50 Euro», schreibt das deutsche Bundesverwaltungsgericht in einer Pressemitteilung.
Mindestens 80 weitere Kommunen werden folgen
Dass ein ähnlicher Ansatz der Stadt Kassel 1998 vor Gericht gescheitert war, sahen die Richterinnen und Richter nicht als Widerspruch an. Inzwischen habe sich das Abfallrecht weiterentwickelt. Kassel kann es also nochmals versuchen.
Nach Schätzungen der deutschen Umwelthilfe (DUH), die sich über das Urteil erfreut zeigt, gibt es mindestens 80 weitere Kommunen, die eine Verpackungssteuer nach Tübinger Vorbild einführen wollen.
McDonald’s hat angekündigt, die schriftliche Urteilsbegründung abzuwarten, und erwägt laut «Utopia» eine Verfassungsbeschwerde.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Bravo! Fast-Food = Fast Waste. Alles auf Mehrweg umstellen. Die Bilder ausserorts entlang der Strassenränder genügt als Begründung.
Warum nicht nach Singapurer Vorbild?: Wer die Stadt vermüllt, wird dreistellig zur Kasse gebeten. Klappt ja bei Hundekot auch.
Weil es dann keinen Anreiz gibt, auf Einwegplastik zu verzichten?
Richtig, ich bin auch für eine Reduzierung der Einwegverpackungen. Aber die Vermüllung der Innenstadt ist ein anderes Thema, das man meiner Meinung nach eher mit Kontrolle, Strafe und Verbot löst.
Ich hatte mich 2020 schon einmal mit Littering auseinandergesetzt (https://www.infosperber.ch/umwelt/abfaelle/tut-endlich-was-gegen-littering-nur-was). Litteringbussen gibt es ja schon in vielen Städten, nur werden sie kaum durchgesetzt. Der Personalaufwand ist enorm und an einigen Orten wie Grillstellen, Rastplätzen oder auf Grossveranstaltungen sind Kontrollen nicht wirklich durchführbar. Eine zeitlich und räumlich sehr beschränkte Lösung.