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So eher nicht, aber die Menschheit produziert jedes Jahr Millionen Tonnen Elektroschrott - da sind kreative Lösungen gefragt. © Depositphotos

Recycling-Bakterien holen wertvolle Metalle aus dem Müll

Daniela Gschweng /  Metalle wie Kobalt und Lithium könnten schon bald aus aufgelöstem Schrott und Bakteriensuppe zurückgewonnen werden.

Handys, Kühlschänke, Lampen – oder auch Dinge, von denen man vage annimmt, dass sie elektrisch sind, weil sie eine LED-Leuchte haben – mit jedem Stück Elektroschrott gehen Ressourcen wie Lithium, Mangan und Kobalt verloren. Dazu kommen seltene Erden, mit Namen wie Scandium, Yttrium, Lanthan, Neodym oder Terbium. So selten sind sie oft gar nicht. Sie in grösseren Mengen zu gewinnen, kann aber sehr aufwendig sein.

Gute Gründe, solche Rohstoffe wiederzugewinnen. Bisher lohnt Recycling aber oft nicht. Konventionelle chemische Verfahren sind aufwendig, deshalb wenig effizient und verwenden oft belastende Chemikalien. Für kleine Mengen sind sie oft nicht geeignet.

Lithium, Kobalt und Mangan aus dem Bioreaktor

Forschende suchen daher schon länger nach Möglichkeiten aus der Biologie. Die jüngste Erfolgsmeldung stammt von der Universität Edinburgh. Ein Team um die Biotechnologin Louise Horsfall hat es geschafft, Metalle wie Lithium, Nickel, Kobalt und Mangan mit Hilfe von Bakterien aus Elektroabfall zu isolieren.

«Es gibt nur eine endliche Menge dieser Metalle auf der Erde. Wir können es uns nicht mehr leisten, sie als Abfall wegzuwerfen, wie wir es jetzt tun», sagt die Wissenschaftlerin.

Laut einer Aufstellung des E-Waste-Monitors produzierte die Menschheit 2022 rund 62 Millionen Tonnen Elektroschrott. Etwa ein Viertel dieses Abfalls wird weltweit recycelt, in Europa etwas mehr als zwei Fünftel (43 Prozent). Der Recyclinganteil sinkt zunehmend, weil die Elektroschrottmenge insgesamt wächst. Neue Verfahren sind also begrüssenswert.

Ein Grund mehr: Viele der erwähnten Elemente werden in oder von China abgebaut und verarbeitet. Kein Handy, kein Windrad und keine Autobatterie funktioniert ohne sie. Wer Zugriff auf solche Metalle hat, hat auch politisch Einfluss.

Forschende nutzen einen Selbstschutz-Mechanismus von Bakterien

Horsfalls Team macht sich bei der Extraktion einen natürlichen Mechanismus zunutze. Die Forschenden verwenden Bakterien, für die Metalle wie Nickel und Lithium giftig sind. Sie nehmen diese zwar auf, machen aus den gelösten Metallen dann aber Nanopartikel und scheiden sie aus – aus Selbstschutz, vermuten die Wissenschaftler:innen.

Bakterien haben gegenüber konventionellen chemischen Verfahren mehrere Vorteile: Sie wachsen schnell, tun ihre Arbeit meist in etwa bei Raumtemperatur, brauchen in der Regel keine anderen extremen Bedingungen und keine gefährlichen Chemikalien.

Aus Elektroschrott wie Autobatterien, deren Teile vorher aufgelöst wurden, konnten die Forschenden in Edinburgh so erst Mangan und später auch Nickel und Lithium gewinnen. «Mit einem anderen Bakterienstamm konnten wir dann Kobalt und Nickel extrahieren», ergänzt Horsfall gegenüber dem «Guardian».

Bakterien-Kumpel arbeiten sauber und gründlich

Wie genau das Bakterien-Bergwerk funktioniert, ist beispielsweise hier beschrieben. Die kleinen Bergarbeiter mit Namen wie Desulfovibrio alaskensis und Acidithiobacillus thiooxidans schafften es nach einer Studie, die im Juli veröffentlicht wurde, fast alles Metall aus der Recycling-Lösung zu entfernen. Sie lieferten dabei sehr reine Kobalt- und Lithiumverbindungen produzierten nur wenige Abfälle, schreiben die Forschenden.

Ziel ist es, die gewonnenen Metalle für neue Batterien oder Geräte zu verwenden. Horsfalls Team sucht dabei nach Organismen, die sich später auch in grösserem Masstab einsetzen lassen.

Zukünftig plant die Gruppe, auch gentechnisch veränderte Bakterien einzusetzen, um die Effizienz zu steigern. «Wir können [mit natürlich vorkommenden Bakterienstämmen] zum Beispiel im Moment Nickel und Kobalt nicht getrennt gewinnen», erklärt Horsfall.

Die Chancen, dass aus Bakteriensuppe ein industrieller Prozess wird, stehen gut

Bis zu einem wirklich nachhaltigen, kreislauffähigen Prozess sei es aber noch ein weiter Weg, schreibt die Biologin im Magazin «The Biologist» der Royal Society of Biology. Für eine Anlage, die grosse Mengen E-Waste verarbeiten könne, müsse noch viel getan werden. Bisher seien die Anlagen klein und lokal.

Horsfall kooperiert mit interdisziplinären Gruppen anderer Institutionen und hofft auf staatliche Forschungsgelder. Recycler davon zu überzeugen, auf biotechnologische statt konventionelle Methoden zu setzen, sei ebenfalls eine grosse Herausforderung.

Von Bakteriophagen bis Blaualgen – Forschende lassen sich was einfallen

Die britische Wissenschaftlerin ist nicht allein. Forschende in aller Welt untersuchen erfolgreich biotechnologische Ansätze, um begehrte Stoffe aus Elektroschrott zu isolieren. Drei weitere Beispiele:

Das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf beispielsweise setzt auf die Oberflächenproteine von Bakteriophagen, um seltene Erden wiederzugewinnen.

Bakteriophagen sind Viren, die Bakterien befallen. Sie sind gekoppelt mit kurzen Proteinsequenzen (Peptiden), die wiederum an Metalle anheften können. Beide Teile müssen dabei zueinander passen – für bestimmte Metalle gibt es bestimmte Peptide. Das Helmholtz-Team findet die passenden Peptide, isoliert sie und koppelt sie an magnetische Träger. So lassen sich dann selektiv bestimmte Metalle aus Gemischen isolieren.

Die TU München, setzt die aus «Algenblüten» bekannten Blaualgen (Cynaobakterien) ein, um Lanthan, Cer, Neodym und Terbium in einer wässrigen Lösung zu binden.

Und die ETH Zürich hat eine Methode entwickelt, das Seltenerdmetall Europium aus Leuchtstofflampen zurückzugewinnen. Sie will demnächst ein Startup gründen, um diese und andere Recyclingmethoden in die Praxis zu übersetzen.

Für die Schweiz und auch für die Umwelt wäre das ein Gewinn, sagt Victor Mougel, Professor am Laboratorium für Anorganische Chemie der ETH Zürich. Derzeit würden Lampenabfälle, die Europium enthielten, ins Ausland geschickt, um in Deponien zu entsorgt zu werden.


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