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Norwegens Clean-Up-Team hat seit 2020 tausende Kilometer Küste von Plastik befreit. © iljofond.no/Videoscreenshot

Norwegen: Beach-Clean-Up reduziert Mikroplastik deutlich

Daniela Gschweng /  In Norwegen gibt es ein professionelles Team, das Plastik von den Stränden sammelt. Finanziert wird es durch eine Plastikabgabe.

Norwegen hat neben Kanada eine der längsten Küstenlinien der Welt. Das bedeutet: Sehr viel Plastik aus aller Welt wird an den Stränden angespült. Am meisten davon findet sich an Norwegens nördlichem, arktischen Ende. Seit einigen Jahren säubern Profis die Küste. Die Mikroplastikbelastung hat sich seither deutlich verringert.

Das berichtet unter anderem «National Geographic». Die Reportage beginnt auf den Lofoten, einem Ort, an dem nur wenige Menschen dauerhaft leben. Die norwegische Inselgruppe ist eine der abgelegensten und am wenigsten besiedelten Gegenden der Welt. Auf den Lofoten herrscht ein relativ mildes Klima, weil sie am Golfstrom liegen – einige hundert Kilometer nördlich des Polarkreises.

Raue, ursprüngliche Arktis – und sehr moderner Plastikmüll

Nur ein Teil der Inseln ist besiedelt – meist der östliche, da dort Wind und Seegang weniger heftig sind. Wer hier lebt, hat mit Fischerei oder mit Tourismus zu tun oder er forscht. Zu sehen gibt es Fjorde, Berge, raue Natur, den wilden Ozean, Nordlichter. Und Plastik.

Nicht nur auf den Lofoten, sondern an der ganzen norwegischen Küste. «Man könnte meinen, die Lofoten seien so abgelegen und so weit weg von grossen Städten, dass es hier kaum Müll gebe», sagt Carl Höjman, Surfer und Projektmanager des unabhängigen norwegischen Forschungsunternehmens SALT, das sich mit Küstenentwicklung und Meeresverschmutzung beschäftigt, zu «National Geographic». Meeresströmungen tragen den Zivilisationsmüll heran, er bleibt an Norwegens Stränden liegen.  

Norwegens Beach-Clean-Up-Profis

Der Plastikmüll komme teilweise von weit her. Als Kaltwasser-Surfer bekomme er die Verschmutzung des Ozeans unmittelbar mit, erzählt Höjman. Die Plastikschwemme ist so gross, dass das Land seit fünf Jahren Vollzeitkräfte bezahlt, die das Plastik einsammeln. Seit 2020 haben sie laut «National Geographic» fast 21’700 Kilometer Küste gesäubert. Nach einem Video des Programms sind es sogar knapp 24’000 Kilometer. Zum Vergleich: Die Küstenlinie von Norwegens Festland misst 29’000 Kilometer; mitsamt den Inseln sind es über 100’000 Kilometer.

Pro Strandmeile sammelten sie tausende Pfund Abfall ein, sagt Höjman. Finanziert wird das Programm durch eine Abgabe von drei Kronen (etwa 25 Rappen) auf jedes Plastiksäckli im Laden. Zu den Profis kommen tausende Freiwillige. Für viele sei es eine prägende Erfahrung, festzustellen, dass einen weggeworfenes Plastik bis an die schönsten Orte der Natur verfolge, sagt Höjman. Norwegen ist eines der grössten Erdölförderländer in Europa, das muss man dazu sagen.

In der europäischen Arktis ist Nordnorwegens Küste am stärksten mit Plastik verschmutzt

Eine im Dezember 2024 veröffentlichte Studie, die Plastikabfall an den Stränden der europäischen Arktis untersuchte, stellte fest, dass Norwegens nördlichste Region stark verschmutzt ist. Mit durchschnittlich 27 weggeworfenen Gegenständen pro Meter Strand ist der Bezirk Finnmark an der Barentsee der schmutzigste im Vergleich. Im Durchschnitt der verglichenen Orte Finnmark/Norwegen, Russland, Grönland/Dänemark sowie Spitzbergen fanden sich acht Gegenstände pro Meter.

Ein guter Teil des Abfalls ist Fischereiabfall wie Geisternetze, Leinen, Reusen, Bojen und ähnliches. Ein Zusammenhang der Plastikdichte mit den Positionsdaten von Fischerbooten in der Region sei gegeben. Weltweit macht «Ghost Gear» etwa 10 Prozent der elf Millionen Tonnen Plastik aus, die jedes Jahr ins Meer gelangen. 

Aufräumen lohnt sich – viel weniger Mikroplastik

Der Aufwand jedenfalls lohnt sich. Die Menge an Mikroplastik im Wasser und an der Küste einer Insel bei Bergen sei schon nach einem Jahr Beach Cleaning um satte 99,5 Prozent gesunken, fand die Forschungsorganisation Norce heraus. Die Autor:innen der Studie vermuten, dass Meeresplastik kaum noch zerfällt, wenn es rechtzeitig eingesammelt wird, da es weniger UV-Licht ausgesetzt ist und nicht in seichterem, wärmerem Wasser liegt. 

Prada wirbt mit den Lofoten für Recycling-Täschchen

Gelohnt hat sich die Aktion auch für den Modekonzern Prada. Es ist kein Zufall, dass sich «National Geographic» die wilde und ursprüngliche Inselgruppe der Lofoten für einen Bericht ausgesucht hat. Prada hat dort in Zusammenarbeit mit «National Geographic» einen Werbefilm mit dem Schauspieler Benedict Cumberbatch gedreht. Das Modehaus recycelt einen Teil des Plastikmülls, der dort eingesammelt wird, vor allem Geisternetze.

Mit dem Kurzfilm beworben wird die Kollektion Re-Nylon. Ab 1000 Euro gebe es ein Täschchen oder einen Hut, berichtet «GQ».  «Turning trash into treasure», sagt Cumberbatch im Film. Der Modekonzern unterstützt dazu ein Unesco-Programm, das über Meeresverschmutzung aufklärt. Ob das den Lofoten wirklich hilft? Die meisten Umweltorganisationen halten Plastik-Recycling für Augenwischerei, weil nur ein Bruchteil des Abfalls wirklich recycelt wird (Infosperber berichtete beispielsweise hier und hier).


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Eine Meinung zu

  • am 1.02.2025 um 13:49 Uhr
    Permalink

    Norwegen nimmt auch bei der Bekämpfung der „Schwarzen Tränen des Meeres“ eine Vorreiterrolle ein und engagiert sich auch international für strengere Umweltauflagen und Lösungen für Wracks in der Nordsee. Trotz Herausforderungen – hohe Kosten, Denkmalschutz – zeigt das Land, dass durch Technologie und Weitblick Umweltkatastrophen verhindert werden können. Andere Nationen sollten diesem Vorbild folgen.

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