Es regnet Plastik
Dass Mikroplastik überall ist, weiss mittlerweile jeder. In welchen Mengen es sich in der Luft und damit auch im Niederschlag findet, untersuchten gerade gleich zwei Studien.
Die erste eher zufällig: Gregory Wetherbee, Forscher in der wissenschaftlichen Behörde USGS (US Geological Survey), interessierte sich eigentlich für den Stickstoffgehalt des Regenwassers in den Rocky Mountains. Was er fand, hatte er nicht erwartet. Bei der mikroskopischen Untersuchung der Wasserproben aus dem US-Bundesstaat Colorado fand er zahlreiche winzige bunte Plastikpartikel in verschiedenen Formen. «Perlen, Splitter, Fasern», berichtet er in einer Zusammenfassung seines Fundes.
Erwartet hatte der Wissenschaftler eigentlich «mehrheitlich Erde und mineralische Partikel», berichtet der «Guardian», sprich: normalen Staub. Das heisst das, was vor wenigen Jahrzehnten noch normaler Staub gewesen wäre.
Was normal ist und was nicht, hat sich verschoben
Sogar in Proben, die auf über 3’000 Metern Höhe im Rocky Mountain Nationalpark gesammelt wurden, fanden sich Plastikfasern. «Das wichtigste Ergebnis, das wir mit der amerikanischen Öffentlichkeit teilen können, ist, dass es mehr Plastik da draussen gibt, als man denkt. Es ist jetzt Teil unserer Umwelt», stellt Wetherbee fest. «Es regnet Plastik», hat er seine Zusammenfassung betitelt.
Wie viel Plastik er genau gefunden hat, kann USGS aufgrund fehlender Messmethoden und des unerwarteten Charakters von Wetherbees Entdeckung nicht sagen. Seine Ergebnisse decken sich jedoch mit anderen Untersuchungen, die Mikroplastik in abgelegenen Gegenden nachgewiesen haben.
Der US-Wissenschaftler fand buntes Mikroplastik in allen Regenwasserproben. Sogar in solchen, die auf über 3’000 Metern Höhe in einem Nationalpark gesammelt worden waren (Spalte ganz rechts). (Quelle: USGS/Wetherbee)
Gezielter ging ein Team von Forschern des Bremerhavener Alfred-Wegener-Instituts vor, das Schneeproben «von den Alpen bis zur Arktis» auf Mikroplastik untersuchte. Mit Hilfe von Infrarotspektroskopie zählten die Forscher die gefundenen Teilchen.
In Schneeflocken sind winzige Kunststoffteilchen, sogar in der Arktis.
Den höchsten Partikelgehalt hatte demnach der Schnee neben einer bayerischen Landstrasse mit 154’000 Partikeln pro Liter geschmolzenem Schnee, bestehend grösstenteils aus Kautschukteilchen. In der Arktis fanden sich noch durchschnittlich 1‘760 Teilchen je Liter. Auch das ist schon sehr viel, zudem war der Anteil künstlicher Partikel ausgerechnet in der Arktis am höchsten.
Wie sie dorthin kommen, ist nicht genau geklärt. Sicher ist aber, dass sich sehr kleine Teilchen wie etwa Saharastaub bei entsprechenden Wetterbedingungen über grosse Entfernungen ausbreiten können. Schnee filtert natürlichen wie künstlichen Feinstaub anscheinend besonders effektiv aus der Luft. Warum, wird noch nicht genau verstanden.
Am meisten Mikroplastikteilchen pro Liter geschmolzenem Schnee fanden sich in Bayern. (Science Advances)
Wo sich wie viel Plastik in der Luft und damit auch im Schnee findet, hängt dennoch davon ab, wo gesucht wird. Der Neuschnee bei Tschuggen war so sauber wie auf mancher Eisscholle, in Davos dagegen fand sich so viel Mikroplastik wie in Bremen.
Anhand der Form oder der chemischen Bestandteile lässt sich bei manchen Fragmenten zurückverfolgen, woher sie stammen, wie etwa bei Kautschuk aus Reifenabrieb oder Fasern, die aus Kleidung stammen.
Die Kunststoffarten, aus denen die gefundenen Teilchen im Schnee bestehen, sind sehr unterschiedlich. (Science Advances)
Wieviel Plastik sich in der Umwelt befindet und woher es stammt, ist jedoch noch weitgehend unerforscht. Wissenschaftler können bisher nur etwa ein Prozent davon an den Ursprung zurückverfolgen.
Einen Anhaltspunkt dafür, was demnächst als künstliches Fallout auf uns herunterregnen könnte, gibt lediglich die Herstellungsstatistik (Infosperber: «Plastikmüll für die Ewigkeit»). Demnach wird die Menschheit bis 2050 auf schätzungsweise 12 Milliarden Tonnen Plastikmüll sitzen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine