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Social-Media-Nutzer posten gerne Bilder von McDonald's-Menüs in anderen Ländern wie hier in Taiwan. Bei allen Abweichungen bleibt eines allerdings gleich: der Verpackungsmüll. © cc-by-sa dmcdevit, flickr

Der Mehrweg-Verhinderer: McDonald’s’ EU-Lobbying

Daniela Gschweng /  Die EU sagt Einwegverpackungen den Kampf an. McDonald’s wehrt sich vehement – unter anderem mit einer fragwürdigen Studie.

Littering, Müllexporte, To-Go-Welle, Online-Bestellungen – das Problem hat viele Namen. Europa produziert zu viel Müll. Viel zu viel. Vor allem eine Sorte Müll ist stossend: Jeder Einwohner der EU verursacht pro Jahr 180 Kilogramm Verpackungsmüll.

Zwei Fünftel des in der EU verwendeten Plastiks und die Hälfte des verwendeten Papiers sind für Verpackungen vorgesehen. EU-Einwohner werfen jedes Jahr 14 Millionen Tonnen Plastikverpackungen weg.

Die EU auf dem langen Weg zum Mehrweg

Die EU versucht seit Jahren, diesen Müll durch Recycling und Kreislaufwirtschaft zu reduzieren. Seit Januar 2023 gilt beispielsweise in Deutschland die Mehrwegpflicht: Jedes Restaurant, das To-Go-Lebensmittel anbietet, muss auch Mehrwegverpackungen anbieten. Die Einführung läuft zwar harzig, aber immerhin. Bisher wird gegen Verstösse kaum durchgegriffen. 

Ab 2030 will die Europäische Union Einwegverpackungen in Restaurants und Cafés verbieten und den Anteil der Mehrweg-Lösungen im Take-Away auf 10 Prozent erhöhen.

Die umfangreichste Lobbyarbeit, die jemals im EU-Parlament beobachtet wurde

Das klingt nicht nach einer bahnbrechenden Umwälzung. Dennoch stösst das Gesetzesvorhaben bei den Anbietern auf heftigen Widerstand. Besonders vehement wehrt sich die Fast-Food-Kette McDonald’s.

McDonald’s produziert weltweit eine Million Tonnen Verpackungsmüll pro Jahr. Nach einer Recherche des Umweltmediums «DeSmog» betreibt das Unternehmen die umfangreichste Lobbyarbeit, die jemals im Europäischen Parlament beobachtet wurde, um das Gesetz zu verhindern oder seine Einführung hinauszuzögern.

So beschreibt es Jean-Pierre Schweitzer, stellvertretender Politikmanager für Kreislaufwirtschaft beim Europäischen Umweltbüro (EEB). Gegenüber «DeSmog» bezeichnet er das Gesetz als das «am stärksten lobbyierte Dossier, das viele Menschen im [EU-]Parlament je erlebt haben».

Zusammen mit einer Reihe von Verpackungsherstellern und Handelsverbänden wandte sich die Fast-Food-Kette Ende April schriftlich an die europäischen Entscheidungsträger. Die Gruppe forderte, den Gesetzgebungsprozess für wiederverwendbare Verpackungen in Europa zu pausieren. 

Die Forderung folgte dem zunehmendem Druck aus der Branche im vergangenen Jahr. Seit Juni 2022 hätten McDonald’s und andere einschlägige Interessengruppen drei Studien finanziert, zwei Websites eingerichtet und mehrere Artikel gesponsert, zählt «DeSmog» auf. Das Gesetzesvorhaben wird darin mit der Behauptung angegriffen, es würde die europäischen Netto-Null-Ziele untergraben.

Was es mit der Kearney-Studie auf sich hat

Einer im Februar 2023 veröffentlichten Studie der Unternehmensberatung Kearney, die McDonald’s finanziert hatte, folgte ein Lobbying-Sturm im EU-Parlament. Vertreter der Verpackungsindustrie trafen sich im Februar 177 Mal mit EU-Abgeordneten. Während des gesamten vorangegangenen Jahres habe es 112 Treffen gegeben.

Aktivisten und auch einige Akademiker beschuldigen McDonald’s, mit der Studie «No Silver Bullet» wissenschaftlich zweifelhafte Fakten zu veröffentlichen.

Die Zahl, die angeblich alles ändert

Wie so oft geht es dabei um Details. Die Kearney-Studie nimmt an, dass Mehrweggeschirr drei Mal wiederverwendet wird. Kearney bezieht sich dabei auf «Pilot-Daten» von McDonald’s aus mehreren europäischen Ländern. Eine bei weitem zu pessimistische Annahme, sagen die Kritisierenden. Eine im März veröffentlichte Studie in den USA kam zu dem Ergebnis, dass sich die Klimaschädlichkeit eines Behälters um über 50 Prozent reduziert, wenn dieser 20 Mal verwendet wird statt nur einmal.  

Ebenfalls im März 2023 finanzierte McDonald’s einen Sponsored-Content-Artikel in «Politico EU». In diesem behauptet der Konzern ebenfalls, dass «Mehrwegverpackungen kontraproduktiv für die Ziele des Green Deal sind». Im bekannten Brussels Playbook-Newsletter des gleichen Mediums wird McDonald’s zitiert mit «Die Treibhausgasemissionen würden um bis zu 50 Prozent beim Essen im Restaurant und um 260 Prozent im Take-Away steigen, wenn Europa auf Mehrwegverpackungen umsteigen würde.»

Die Europäische Kommission geht im Gegenteil davon aus, dass das geplante Mehrweggesetz den CO2-Ausstoss bis 2030 um 23 Millionen Tonnen pro Jahr reduzieren kann. Die Kommission schätzt ausserdem, dass das neue Verpackungsgesetz die Kosten für Umweltschäden bis 2030 um 6,4 Milliarden Euro senken und zu Einsparungen von über 45 Milliarden Euro führen könnte.

Judith Hilton, wissenschaftliche Mitarbeiterin für Verpackungs-Recycling an der Universität Portsmouth, sagt zu «DeSmog»: «Die grössten Emissionen entstehen bei der Gewinnung und Produktion [von Plastikverpackungen aus Rohstoffen]. Alles, was in diesem Bereich reduziert wird, wird einen gewaltigen Unterschied in Bezug auf Emissionen, Toxizität und Schäden für die lokale Bevölkerung machen.»

Warum die Branche keine wiederverwendbaren Verpackungen will

Bleibt die Frage, warum sich McDonald’s und andere Fast-Food-Ketten mit so grossem Aufwand gegen ein Gesetz wehren, das mit 10 Prozent Mehrweg-Anteil im Take-Away binnen sieben Jahren nicht einmal besonders ambitioniert ist.

Dass McDonald’s und andere Fast-Food-Riesen wandlungsfähig sind, haben sie mehrmals bewiesen. Machte der Burgerbrater einst Werbung für sein Rindfleisch, gibt es inzwischen McPlant-Patties und -Nuggets, Holzlöffel und Pappstrohhalme. Die einst in Styropor-Verpackungen erhältlichen Burger kommen mittlerweile in einer beschichteten Pappbox. Wobei auch die Beschichtung problematisch ist, weil sie potenziell gesundheitsgefährdende Chemikalien enthält (Infosperber berichtete).

Die Kearney-Studie warnt davor, dass die Umstellung auf Mehrweg-Geschirr zwischen 2 und 20 Milliarden Euro an Anfangsinvestitionen kosten könnte. Allein in Deutschland machte McDonalds im vergangenen Jahr geschätzte 4,2 Milliarden Euro Umsatz.

«In vielen Fällen verkaufen Unternehmen die Verpackung und nicht den Inhalt.»

Judith Hilton, Spezialistin für Verpackungs-Recycling, Universität Portsmouth

Die Rücklaufquote von Mehrwegverpackungen lässt sich erhöhen, wenn alle Restaurants dieselbe Verpackung verwenden. Das haben andere Verpackungsformen und -modelle wie das deutsche Dosenpfand gezeigt.

Standardisierung geht allerdings zu Lasten eines individuellen Markenauftritts. Bei sonst grösstenteils austauschbaren Produkten ist die Verpackung ein wichtiger Werbeträger. «In vielen Fällen verkaufen die Unternehmen die Verpackungen und nicht den Inhalt», sagt die Verpackungsspezialistin Hilton. Hamburger von Burger King würden dann schlimmstenfalls gleich verpackt wie solche des Konkurrenten McDonald’s. Oder noch schlimmer: Ein Kunde käme mit einer Burger-King-Schachtel vorbei, um sich einen Big Mac abzuholen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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