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Mit diesem Bild bewirbt Lidl Schweiz eine neuartige Käseverpackung auf Zellulosebasis, die seit Sommer 2024 im Schweizer Handel ist. © Lidl Schweiz

Der Käse mit dem Käseplastik

Daniela Gschweng /  Lidl führt eine Käseverpackung aus Biokunststoff ein, nachhaltig und «ohne Plastik». Bravo. Aber.

Lidl Schweiz führt bei zwei Käsemarken eine Verpackung ohne fossile Grundstoffe ein. Die neue Käsehülle besteht aus einem Zellulosekunststoff, der auf Basis von Holz hergestellt wird. Verwendet werden dazu laut Lidl Resthölzer aus der Verarbeitung von FSC-zertifizierten Bäumen.

Die neuartige Verpackung sei bisher in etwa 100 Lidl-Filialen erhältlich, überwiegend in der Deutschschweiz und im Tessin. Und zwar für die beiden Bio-Käsemarken Alpstein Bergkäse und Usserrhödler Bergkäse der Käserei Herdegger im Thurgau. Qualitätseinbussen gebe es mit der neuen Verpackung keine, zitiert Lidl deren Verkaufs- und Marketingleiter.

Ein Schritt in die richtige Richtung

Eine Verpackung, die ohne fossile Rohstoffe auskommt und kein Mikroplastik verursachen wird, das noch Jahrzehnte in der Umwelt bleibt – Bravo. Zwei Sorten Käse sind zwar noch keine grosse Nachhaltigkeitsinitiative, eher ein vorsichtiges Herantasten. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.

Lidl Schweiz hat sich 2019 strategische Nachhaltigkeitsziele gesetzt und hat nach eigenen Angaben in den vergangenen Jahren bereits den Recycling-Anteil in den Plastik-Verpackungen seiner Eigenmarken deutlich erhöht. Das bedeutet erst einmal: weniger fossile Rohstoffe im Kreislauf.

Aber. Lidl Schweiz bildet auf seiner Homepage einen Alpstein-Käse in einer transparenten Verpackung mit grünem Aufkleber «Verpackt ohne Plastik» ab. Mit dem Begriff «Ohne Plastik» wolle man die geringeren Umweltauswirkungen und die bessere Abbaubarkeit der Verpackung im Vergleich zu herkömmlichen Kunststoffen verdeutlichen, antwortete Lidl Schweiz auf die Fragen von «Infosperber». Der Begriff «Plastik» werde im allgemeinen Sprachgebrauch meist mit synthetischen, nicht abbaubaren Materialien verbunden. Lidls Anspruch stehe im Einklang mit den Schweizer Vorschriften

Darf die Käsehülle «ohne Plastik» heissen?

Kunststoff auf der Basis von Zellulose ist noch immer ein Kunststoff, also Plastik, oder?  «Ja und nein», sagt Gustav Nyström, Leiter der Empa-Abteilung Cellulose & Wood Materials, die auch an Zellulose-Materialien forscht. «Es gibt biobasierte Kunststoffe, die ähnlich wie synthetische erdölbasierte Polymere hergestellt werden, und es gibt natürlich vorkommende Biopolymere.»

Die Grenze zwischen beidem hinge sehr von Regulierungsmasstäben ab, was nicht immer hilfreich sei. Eine nur geringfügige Änderung an einem Ausgangsstoff ändere manchmal die Bezeichnung.

Ein Zellulosekunststoff sei auf jeden Fall schon ein Stück von Stoffen wie Pet und PP (Polypropylen) entfernt, sagt er und schickt zur Erklärung eine Grafik. Die Empa arbeitet in Projekten mit Lidl an Zellulosekunststoffen, an den Käseverpackungen sei man aber nicht beteiligt, sagt Nyström.

Forschende der ETH Zürich, die wir ebenfalls gefragt haben, wollten sich ohne detailliertere Angaben nicht äussern. Zellulosekunststoff sei Plastik oder Bioplastik, das findet zumindest Wikipedia, rät aber vom Begriff «Bioplastik» ab. Alles etwas unscharf also.

Und was ist noch drin?

Zellulose allein wäre für eine Verpackung nebenbei nicht geeignet. Was also ist im Käsepaket noch drin? «Nur Zellulose hat nicht die notwendigen Eigenschaften als Wasser- und Fettbarriere», bestätigt Nyström auf Nachfrage. Wahrscheinlich sei noch ein anderes Biopolymer enthalten oder ein Weichmacher. Mehr kann er mangels genauer Informationen nicht sagen.

Genaue Information hätten wir von «Infosperber» auch gerne gehabt. Auf die Frage, welche Stoffe neben Zellulose in den neuen Käseverpackungen enthalten sind, antwortete Lidl Schweiz mit einiger Verzögerung, dass in der Käseverpackung Glycerin als Weichmacher verwendet werde, man die anderen enthaltenen Stoffe aber nicht nennen könne, da die Zusammensetzung der Folie geschützt sei.

Der schwammige Begriff «Bioplastik»

Die Käsehülle aus Zellulose ist also weiterhin ein Kunststoff, für den aber kein Erdöl verwendet wurde. Bioplastik. Dieser Begriff ist, wie Wikipedia richtig schreibt, obendrein für Konsumentinnen und Konsumenten verwirrend. «Bioplastik» bezeichnet mehrere Dinge, die grundlegend verschieden sind.

Kunststoff aus natürlichen Rohstoffen heisst eigentlich biobasiert, muss deshalb aber nicht bioabbaubar sein und ob er auch kompostierbar ist, ist damit nicht gesagt. Darauf hat Infosperber schon 2019 hingewiesen. Andererseits können auch Kunststoffe aus fossilen Rohstoffen kompostierbar sein. «Biobasierter Kunststoff» ist dazu kein geschützter Begriff. Alles klar? Vermutlich nicht. Von den Resultaten dieser Begriffsverwirrung kann die Abfallwirtschaft ein Lied singen.

Besser wäre ohnehin: Gar kein Plastik oder keine Einwegverpackung, denn das würde auch bedeuten: kein Abfall, kein Mikroplastik, kein Littering.

Lidl schneidet im Verpackungstest nicht gut ab

Sicher ist das nicht immer möglich. Zumindest sollte man also das Engagement der Lidl-und-Schwarz-Gruppe in ihrer Bemühung, Verpackungsabfälle zu reduzieren, loben.

Allerdings auch nur so halb. Zur Reduzierung werden die Hersteller und Detailhändler nämlich mehr oder weniger sanft gezwungen, zumindest in der EU. Die EU-Verpackungsverordnung sieht ein Abfallvermeidungsziel vor.  

Bei einem «Verpackungscheck», den die Deutsche Umwelthilfe (DUH) anhand von Stichproben in Deutschland durchgeführt hat, schnitten die Discounter Aldi, Lidl, Netto, Norma und Penny aber gar nicht gut ab.

DUH fordert eine Mehrwegquote

Es gebe teilweise sogar noch mehr verpacktes Obst und Gemüse als im Jahr zuvor, kritisiert die DUH. Mehrwegboxen oder -becher gebe es nur bei Edeka, Rewe und in Biomärkten. Mehrwegflaschen seien bei Aldi und Lidl ebenfalls nicht zu finden, in anderen Supermärkten nur zu 30 Prozent.

Das Verpackungsgesetz schreibt für Getränke eine Mehrwegquote von 70 Prozent vor. Ein verbindliches Reduktionsziel für den Handel gibt es jedoch nicht, was die DUH kritisiert. Sie fordert eine Quote wie in Frankreich, um dem Ziel von deutlich weniger Verpackungsmüll näherzukommen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Eine Meinung zu

  • am 1.09.2024 um 09:24 Uhr
    Permalink

    Etwas allgemeinere Sicht :
    Verpackung = Verkauf,Verkauf will Gewinn. Das primäre Ziel.Man kann unterstellen, daß die Umweltverträglichkeit auch angestrebt wird.Dazu werden einzelne Schritte unternommen, die auch partiell positiven Effekt haben. Hier also Zellulose statt Plastik. Ähnliche Schritte werden bei anderen Produktionen untenommen. Bald aber stellte man bei GENAUERER Betrachtung fest, daß der positive Effekt hier von einem negativen dort gefolg wird. Das Ganze ist eher wirkungslos. Das liegt daran, daß in dem komplexen GESAMTPROZEß des industriellen Handelns immer nur differenzielle Schritte betrachtet werde -die im günstigsten Fall über einen Teilraum des Handelns integriert werden. DAS reicht einfach nicht.
    Mathematisch gesprochen muß über eine Variationsrechnung der Gesamtprozeß optiniert werden. Eine gewaltige Aufgabe, aber sie muß wenigstens formuliert werden.Es kann angenommen werden, daß über KI auch mindestens Näherungslösungen gefunden werden können.

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