Das Pentagon ist einer der grössten Klimagrüsel der Welt
Wo Kriege stattfinden, häuft sich über kurz oder lang der Müll. Treibstoff, Schwermetalle, Sprengstoffe und andere Chemikalien finden zusammen mit Schutt aus zerbombten Gebäuden und den Abfällen der Kämpfenden. Die oft langanhaltende Umweltverschmutzung ist eine der am wenigsten beachteten Kriegsfolgen der Welt.
Noch weniger Aufmerksamkeit bekommen die Treibhausgasemissionen des Militärs. Das Pentagon, sagt Neta C. Crawford, sei einer der grössten einzelnen CO2-Verursacher der Welt. In einem Interview mit «Mother Jones» stellt die Politikwissenschaftlerin der Universität Oxford ihr Buch «Pentagon, Climate Change, and War: Charting the Rise and Fall of US Military Emissions» vor.
Das US-Militär emittiert mehr CO2 als viele Industrieländer
Crawford, die auch für das Projekt «Costs of War» der Brown University tätig ist, macht das an Zahlen fest: Seit 2001 entfielen 77 bis 80 Prozent des staatlichen Energieverbrauchs auf das Militär. Das US-Verteidigungsministerium sei der weltweit grösste institutionelle Nutzer fossiler Brennstoffe.
Das Ministerium verwalte weltweit mehr als 560’000 Gebäude auf rund 500 Militärbasen, was einen grossen Teil ihrer Emissionen ausmache. Dazu kommen Waffensysteme, LKWs, Kriegsschiffe und Jeeps, die mit fossilien Rohstoffen betrieben werden. Den bei weitem grössten Treibstoffbedarf haben Flugzeuge, stellte auch eine Studie der Lancaster and Durham University 2019 fest, die das US-Militär im Ländervergleich auf Platz 47 der grössten CO2-Emittenten einordnete.
Der grösste Posten ist Flugzeugtreibstoff
Vom Beginn des «War on Terrorism» 2001 bis 2017 habe die US-Armee 1,2 Milliarden Tonnen Treibhausgase ausgestossen, hat «Costs of War» ebenfalls 2019 ausgerechnet. Davon seien 400 Millionen Tonnen direkt auf den Treibstoffverbrauch zurückzuführen.
Der CO2-Aussstoss des US-Militärs von 59 Millionen Tonnen war 2017 laut Statista vergleichbar mit dem des Landes Marokko und nicht ganz doppelt so hoch wie jener der Schweiz (34,4 Mio. Tonnen).
Das seien grösstenteils errechnete Mengen, erklärt Crawford. Kriegsbedingte Emissionen aus brennenden Gebäuden und Ähnlichem sind dabei nicht inbegriffen. Die Wissenschaftlerin stellte schnell fest, wie schwer es war, an exakte Daten zu kommen. Viele Dokumente seien nicht öffentlich zugänglich. Dieser Mangel an Transparenz habe sie schliesslich motiviert, ein Buch über den CO2-Fussabdruck des US-Militärs zu schreiben.
US-Militär wollte seine Emissionen aus der Länderbilanz streichen
Das Pentagon war eine der ersten Institutionen, die die beginnende Klimakrise erkannt und viel Geld in die Forschung investiert hat. Nun ist es einer der grössten Verschmutzer – paradox, findet «Mother Jones».
Nach Crawfords Recherchen wusste das Pentagon darüber sehr gut Bescheid. Die Wissenschaftlerin stiess auf Hinweise, nach denen das Verteidigungsministerium bereits in den 1990er-Jahren durch vehementes Lobbying versuchte, seine Emissionen aus dem Kyoto-Protokoll herauszuhalten.
Die Klimabelastung steigt nicht nur durch Kriege, sondern auch dann, wenn ein Land diese nur befürchtet. Nach dem Ende des Kalten Krieges seien die Emissionen des US-Militärs gesunken, nach 9/11 stiegen sie wieder an, führt Crawford an.
Die Klimakrise sei eine Tatsache, die die Menschheit auf lange Sicht umbringen könne, eine kriegerische Auseinandersetzung mit beispielsweise China oder Russland eine hypothetische Bedrohung. Die globale Kriegsvorbereitung auf einen vielleicht niemals stattfindenden Krieg nehme dem Kampf gegen die bereits eingetretene Klimakrise die Ressourcen weg, gibt Crawford zu bedenken.
US-Militärdoktrin konzentriert sich noch immer aufs Öl
Es gebe Möglichkeiten, gegenzusteuern, zum Beispiel mit der Verringerung militärischen Personals oder umweltfreundlicheren Flugzeug- und Schiffstreibstoffen, sagt sie. Die Forschenden der Durham University fordern, der CO2-Fussabdruck des US-Militärs müsse in der Innenpolitik und in internationalen Klimaverträgen berücksichtigt werden.
Gleichzeitig sei das im globalen Gefüge schwierig, weiss Crawford. Rüste ein Land auf, antworte ein anderes mit den gleichen Mitteln – ein nicht erst seit dem Kalten Krieg bekanntes Sicherheitsdilemma. Ein anderer Grund sei die US-Militärdoktrin, die seit den 1980er-Jahren unverändert gelte. Diese stelle immer noch den Zugriff auf Ölreserven ins Zentrum. Öl, das dann verwendet werden könne, um schmutzige Energie zu erzeugen oder Krieg zu führen.
Der Müll des Krieges in der Welt
Eine Strategie, die für die US-Bevölkerung auch dort Folgen hat, wo keine Kriege stattfinden. Im Dezember 2021 gelangte beispielsweise Kerosin ins Grundwasser Hawaiis. Es stammte aus einem Tank, der seit dem Zweiten Weltkrieg existiert, und machte rund 6000 Menschen krank. In der näheren Umgebung einiger US-Militärbasen im eigenen Land gibt es ebenfalls Probleme mit der Verschmutzung des Trinkwassers.
Die Folgen geführter und nicht geführter Kriege sind auch anderswo gesundheits- und umweltschädigend. Der Kriegsmüll der USA verschmutzt zum Beispiel die Natur in Grönland, Japan, Afghanistan und dem Nahen Osten.
Dazu vergiftete das US-Militär sein Personal und die lokale Bevölkerung mit dem Rauch aus Burn Pits und den Rückständen von Feuerlöschschäumen. In Nord- und Ostsee liegen etwa 5000 Tonnen Munitionsreste aus verschiedenen europäischen Kriegen, in der Arktis radioaktiver Müll der Sowjetunion. Welche Umweltschäden Russland in der Ukraine verursacht hat, ist erst ansatzweise bekannt.
Kriegsmüll auch ohne Krieg in der Schweiz
Auch die nicht-kriegführende Schweiz sitzt auf Tonnen von Munitionsresten und Kriegsabfall, der die Umwelt verschmutzt und die Bevölkerung bedroht. Schon 1947 explodierte ein Munitionslager der Schweizer Armee bei Mitholz mit 7000 Tonnen dort gelagerter Munition – eine der grössten künstlichen Explosionen, die nicht durch Kernwaffen verursacht wurde.
Der nicht explodierte Teil ist noch immer gefährlich und muss wieder ausgegraben werden. Eine der Folgen: Munition wurde im Thuner-, Brienzer-, Genfer, Neuenburger- und Vierwaldstättersee versenkt, wo sie heute noch liegt. In den Schweizer Seen lagern 8000 Tonnen Munition und Munitionsrückstände der Armee, gibt das VBS an. Ein Bergungskonzept gibt es nicht, obwohl es Hinweise gibt, dass Munition teilweise offen auf dem Seegrund liegt.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Diese Werte überraschen sogar mich, als alten Kriegsveteran.
Aber mal genauer darüber nachgedacht waren wir als Soldaten, gerade auch im Ausland, zwar offiziell an deutsche Gesetze gebunden, doch streng genommen waren wir wohl die schlimmsten Umweltsäue ohne sich darüber wirklich Gedanken zu machen.
Abby Martin erhielt die Möglichleit, nach einem Podiumsgespräch beim letztjährigen COP26, eine Frage zu diesem Thema an Nancy Pelosi zu richten.
https://www.youtube.com/watch?v=t0DE1M5wpgY
Was ist ein «Grüsel»? (Vorsicht mit «Ziridytsch»: Ich bin Basler-Basler und sage «Sayniggel», falls das vielleicht dasselbe ist.)
Ich finde, die Welt-Schäden der Kriegsindustrie in CO2-Einheiten verrechnen zu wollen ist ein absoluter Sarkasmus, eine unbedachte Verharmlosung der ganz enormen Schäden an Menschen, Infrastruktur und Natur!
Wie bitte sollen denn die durch panzerbrechende Uranmunition radioaktiv missgebildeten Neugeborenen in harmlosen CO2-Aequivalenten abgerechnet werden?
Sucht doch bitte nach den verbotenen Dok-Filmen von Frieder Wagner «Deadly Dust»!
WER hat das Verbot verordnet? – und welche «selbstständigen» Institutionen gehorchen diesem Diktat?
Beide zählen sich zum freien Werte-Westen!
Die globalen Umwelt- und Klimaschäden durch Aufrüstung, Kriege, Verseuchung und Wiederaufbau sind wohl kaum bezifferbar. Von seelischen bzw. psychischen Schäden ganz zu schweigen.
Die «Kriegsindustrie» ist die mit Abstand verheerendste Industrie, die Menschen je gemacht haben und sie wächst im Rahmen der Gewaltspirale exponentiell.
Übrigens: Sind wir sicher, dass wir die dabei gemachten Schäden mit den noch vorhandenen Ressourcen wieder aufbauen können – und was bedeutet das fürs Klima und die Umwelt?
Wer es immer noch nicht versteht: Gewaltlosigkeit und Frieden/Friedensverhandlungen und eine massive Reduktion der Rüstungsindustrie ist für mich der entscheidende Weg, falls die Menschheit eine Zukunft haben will.
Willkommen in der Friedensbewegung, denn sie sollte eigentlich die wichtigste Bewegung selbstdenkender Menschen sein.
Endlich wird einmal in der Öffentlichkeit darüber gesprochen, welche immensen Belastungen die Rüstung und Kriegsvorbereitung haben.
Mir fehlt allerdings ein genauso bedeutsamer Aspekt, nämlich den Verbrauch von Rohstoffen durch Rüstung. Damit werden uns und der nachfolgenden Generation Rohstoffe genommen, die zukünftig dringend gebraucht werden. Dass darüberhinaus Produktionskapazitäten für Umwelttechnik nicht zur Verfügung stehen, da mit Ihnen hochwertige Flugzeuge, Raketen … produziert werden, scheint ebenso niemand zu interessieren.
Die finanziellen Mittel, die Staaten ihren Gesellschaften entziehen, sind nur die unmittelbarsten Folgen.
Bedenkt man, dass allein die NATO-Staaten mehr als 1 Billion Dollar jährlich dafür aufwenden, zeigt, welche Prioritäten hier zählen! Was könnten nur 10% davon in den meist betroffenen Ländern bewirken!!