Ab 2025 keine Textilien mehr in den deutschen Restmüll
Ab dem ersten Januar 2025 dürfen deutsche Konsument:innen Altkleider nicht mehr im Restmüll entsorgen. Auch sämtliche Alttextilien wie Vorhänge und Bettwäsche müssen separat entsorgt werden.
Das besagt eine EU-Richtlinie, die ab dem 1. Januar gilt. In Deutschland wurde sie in die Abfallrahmenrichtline übersetzt. Wer gegen die neue Regel verstösst, muss mit einem Bussgeld rechnen, zusätzlich bleibt die Tonne stehen und wird nicht geleert. Kontrolliert werden soll in Stichproben.
Für ein umfassendes Textilrecycling gibt es gute Gründe
Ein gutes Vorhaben eigentlich – der Textilmarkt soll nachhaltiger werden, der Staat unterstützt, dass daraus eine echte Kreislaufwirtschaft entsteht. Textilien sollen dazu grundsätzlich getrennt gesammelt werden.
Dafür gibt es gute Gründe. Die Herstellung von Kleidern verschmutzt die Umwelt erheblich. Selbst dann, wenn Hemd und Hose nicht aus synthetischen Stoffen gefertigt sind, welche am Ende als Mikroplastik in der Umwelt landen. Die Textilherstellung hat einen enormen Frischwasser- und Chemikalienverbrauch. Sie stösst mehr Treibhausgase aus als Schiffs- und Flugverkehr zusammen.
Laut dem Deutschen Fachverband Textilrecycling warf eine Person in Deutschland 2018 mehr als 15 Kilogramm Kleider weg. Der deutsche Restmüll enthält laut SWR ein bis zwei Prozent Altkleider. Im EU-Durchschnitt entstehen pro Kopf und Jahr 12 Kilogramm Textilabfall.
Recycelt wird nach EU-Angaben aber nur ein Prozent der gebrauchten Kleidung. Das ist durchaus verbesserungswürdig.
Was mit nasser und schmutziger Kleidung passiert, ist offen
Dennoch gibt es von Seiten der Recycler Kritik am neuen Gesetz. So ist unklar, wie mit verschmutzter und kontaminierter Kleidung verfahren werden soll. Was einigermassen verwunderlich ist, da die Neuregelung schon länger angekündigt ist.
Österreich habe bereits beschlossen, schmutzige Kleidung weiter im Restmüll zuzulassen, berichtet «Öko-Test». Die Recycling-Pflicht könnte das System sprengen, warnen die Textilverwerter. Am Ende ginge das auf Kosten der Konsument:innen.
Wie man zum Ziel kommen will, ist unklar
In Deutschland gibt es sowohl gemeinnützige als auch private Altkleidersammler und kommunale Entsorger. Letztere können sich bisher eher zurückhalten, da der Markt grösstenteils unter den beiden anderen Teilnehmern aufgeteilt ist.
Diese aber stehen zunehmend unter Druck. Wenn sie aufgeben müssen, fällt die Aufgabe auf die kommunalen Entsorger zurück.
«Das System finanziert sich über gut erhaltene und tragbare Kleidung», erklärte Thomas Fischer, Experte für Alttextilien beim Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung (BVSE), gegenüber mehreren Medien. Nehme der Anteil unbrauchbarer Textilien zu, sei es nicht mehr belastbar. «In der Alttextilbranche kann keine verschmutzte Kleidung verwendet werden», sagt er. Jedes Kleidungsstück werde von Hand sortiert. Was nass oder verschmutzt sei, werde nicht einmal mehr zu Putzlappen.
In der Textilindustrie gibt es viele Schieflagen
Gejammert wird in jeder Branche. Vor allem dann, wenn Regeln geändert werden. Im Textilsektor und im Altkleidermarkt gibt es aber wirklich einige Schieflagen. Da hilft es auch nichts, dass Hersteller unverkaufte Textilien nicht mehr wegwerfen dürfen.
Paradoxerweise ist sogar das gestiegene Umweltbewusstsein schuld am Textilversagen. Immer mehr Konsumenten und vor allem Konsumentinnen bieten gebrauchte Kleidung auf Second-Hand-Plattformen wie Ebay oder Vinted an oder kaufen sie dort.
Die besten Stücke bleiben so im Kreislauf. «Ziel erreicht», könnte man meinen. Für die organisierten Wiederverwerter bleibt damit aber weniger übrig. Die restliche Kleidung wird dabei immer minderwertiger, weil zunehmend mehr Fast Fashion gekauft wird.
Erste Textilverwerter schon insolvent
Die von den Verwertern gesammelte Kleidung wird sortiert, der grösste Teil der brauchbaren Teile wird nach Osteuropa und Afrika exportiert. Oft nicht so sorgfältig, wie es sein sollte. Journalisten aus Schweden fanden 2023 zum Beispiel Skistiefel auf einem Markt in Ghana. An den Stränden des Landes türmen sich Berge von nicht verkauften Gebrauchtkleidern, berichteten sie (Infosperber: H&M-Kleider verschmutzen Ghana).
In vielen Ländern Afrikas konkurrenziert günstige Kleidung aus Asien dazu zunehmend die Gebrauchttextilien aus Europa. Um die Altkleiderflut aus dem Ausland einzudämmen, haben einige Länder Importverbote erlassen.
Auch die Kleidersammlung in Deutschland wird immer problematischer. Vielerorts wurden Kleidercontainer abgebaut, weil sie als Restmülldeponien missbraucht, mit schmutzigen Kleidern geflutet oder Opfer von Vandalismus geworden waren.
Die Kosten für Fahrzeuge und Treibstoff würden höher, berichtet der SWR. Personal für die Sammlung sei immer schwerer zu finden. Erste Textilverwerter seien bereits insolvent, weil sich das Geschäft nicht mehr lohne.
Fast Fashion kreislauffähig machen?
Für die europäischen Konsument:innen heisst das: Sie müssen dann die nicht funktionierende Kreislaufwirtschaft mit ihren Müllgebühren subventionieren, bis sie rund läuft. Keine populäre Idee – die Gebühren sind in den vergangenen Jahren vielerorts bereits deutlich gestiegen.
Ob sich ein Fast-Fashion-System jemals kreislauffähig machen lässt, ist dabei fraglich. Etwa 20 Prozent des weltweiten Altkleideraufkommens könne recycelt werden, zitiert «Recyclehero» das Beratungsunternehmen McKinsey. Derzeit sei es aber nur ein Prozent. Der Hauptgrund: Es ist kaum möglich, Textilabfall sortenrein zu sammeln. Ein massgeblicher Teil der Alttextilien gelange ins Downcycling, werde also zu Malervlies oder Isoliermaterial.
Ausweg Konsumverzicht
Bleibt der Ratschlag vieler Umweltverbände wie Greenpeace: Nur Kleidung zu kaufen, die man wirklich länger tragen will – vorzugsweise aus ethischer Herstellung und natürlichen Materialien. Wir wiederholen an dieser Stelle unsere Tipps von 2019: Das nächste Kleidungsstück, dass Sie kaufen, sollte so teuer sein, dass es wehtut (ein Tipp aus «Quartz»). Und: Rechnen Sie aus, wie viel ein Stück bei jedem Tragen kostet («Cost per Wear»).
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
In Schönheit sterben – nenne ich das. Hauptsache, ein Gesetz daraus machen. Kein Wunder, wird die EU immer unbeliebter.
Der Artikel benennt das Problem: die summarisch eingeworfenen «Klamotten» wieder in 2 Linien ( Verwertbar bzw. Abfall) zu trennen UND benennt die richtige Konsequenz : Kleidung möglichst lange zu benutzen, also auch mal zu flicken. «Nicht verschwende, wieder verwenden» – ein Leitspruch, der heute schon im Kindergarten geübt wird. Wunderbar. Aber auch die vielen jungen Leute sind auf dem richtigen Pfad : sie tragen, selbst im Winter,löchrige Jeans munter umher. Da fehlt aber offenbar noch der Handarbeits-Stopf-Kurs schon in der Schule.Auch die Herrenwelt wirkt mit, indem sie Krawatten grundsätzlich einspart und im Proletarier-Look selbst beim Staatsakt erscheint. ABER : der Endeffekt ist offenbar zu gering.Der Grund : durch die Pest der Werbung animiert stellen sich die Menschen vor allem durch das Äußere dar. Kurzum – das Problem ist natürlich eine «auf Umsatz getrimmte Gesellschaft», also ein absurdes und fatales Modell. DA muß man ansetzen, an der Wurzel des, ja fast aller Probleme.