Kommentar
Zukunft der WTO bleibt ungewiss
Die Zukunft der Welthandelsorganisation WTO bleibt weiter ungewiss. Die zehnte WTO-Ministerkonferenz endete am Wochenende in der kenianischen Hauptstadt Nairobi trotz Verlängerung um 24 Stunden ohne Einigung auf eine Fortsetzung der 2001 ausgerufenen und bis heute weitgehend ergebnislosen «Doha-Verhandlungsrunde». Die Wirtschafts- und Handelsminister der nach dem in Nairobi vollzogenen Beitritt von Afghanistan und Liberia jetzt 164 WTO-Mitgliedsstaaten konnten sich lediglich auf den allmählichen Abbau von Agrarexportsubventionen verständigen sowie auf den Wegfall von Zöllen für rund 200 Produkte der Informationstechnologie.
Von den im Jahr 2001 als «Entwicklungsrunde» deklarierten Doha-Verhandlungen sollten laut dem damals beschlossenen Mandat vor allem die armen Staaten des Südens profitieren. Obwohl dieses Versprechen bis heute nicht erfüllt wurde, wollen nicht nur diese Staaten die Doha-Runde fortsetzen, sondern auch Schwellenländer wie Indien und China, die vor 14 Jahren WTO-intern noch als «Entwicklungsländer» klassifiziert wurden.
Die USA, die EU-Staaten, die Schweiz, Japan, Kanada, Australien und andere Industriestaaten dringen jedoch auf das Ende der Doha-Runde und die Vereinbarung eines Verhandlungsmandats über den Internethandel und andere neue Themen. Über die Ziele, die die Industriestaaten selber ursprünglich in der Doha-Runde durchsetzen wollten ,verhandeln sie bereits seit einigen Jahren außerhalb der globalen WTO in bilateralen und regionalen Verhandlungsrunden wie TTIP, TTP, TISA und EPA. Bei Nichtregierungsorganisationen (NGO) stieß das Ergebnis der Ministerkonferenz auf Kritik. «Der fehlende Konsens über die Fortsetzung der Doha-Runde ist der erste Schritt zum Ausstieg aus der Entwicklungsagenda der WTO», erklärte Sven Hilbig, Welthandelsexperte der evangelischen Hilfsaktion Brot für die Welt. Die WTO-Expertin von Oxfam, Marita Wiggerthale, kritisierte, die USA und die EU hätten « das Versprechen einer Entwicklungsrunde nie eingelöst und entwicklungsfreundliche Handelsregeln immer wieder blockiert». Das sei bei vielen Themen in Nairobi nicht anders gewesen.
Die EU-Länder, die USA und andere Industriestaaten versprachen in Nairobi , die jahrzehntelange Forderung nach baldiger Abschaffung ihrer Agrarexportsubventionen zu erfüllen – allerdings weiterhin mit Ausnahmen für einige Produkte. «Dieser Schritt zum Verbot kommt rund 20 Jahre zu spät», erklärte Tobias Reichert, Teamleiter für Handel und Welternährung bei der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch. «Vor allem in afrikanischen Ländern haben stark subventionierte Agrarexporte aus der EU viele Bauern in den Ruin getrieben.» Die meisten Länder des Südens sollen laut der Vereinbarung von Nairobi den Abbau der Agrarexportsubventionen bis 2018 vollziehen. Sie können aber bis 2023 ihren Bauern beim Transport und beim Marketing finanziell helfen. Den nach UNO-Definition 50 ärmsten, weil «am wenigsten entwickelten Ländern» (LDC) der Welt wurde noch eine Frist bis 2030 eingeräumt. Weiterhin nicht bereit zu einer vollständigen Öffnung ihrer Märkte für Agrarprodukte aus den Ländern des Südens sind vor allem die USA , aber auch viele EU-Staaten. In der Abschlusserklärung von Nairobi werden die Industriestaaten lediglich «aufgefordert», Importe von Baumwolle aus den ärmsten Ländern nicht mehr zu beschränken. Auch konnten sich die WTO-Mitglieder nicht auf einen Abbau der Hilfen reicher Länder für ihre eigenen Baumwollfarmer einigen. Dagegen sperrten sich vor allem die USA.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine. Andreas Zumach ist spezialisiert auf Völkerrecht, Menschenrechtspolitik, Sicherheitspolitik, Rüstungskontrolle und internationale Organisationen. Er arbeitet am europäischen Hauptsitz der Uno in Genf als Korrespondent für Printmedien, wie beispielsweise die tageszeitung (taz), Die Presse (Wien), die WoZ und das St. Galler Tagblatt, sowie für deutschsprachige Radiostationen und das Schweizer Fernsehen SRF. Bekannt wurde Zumach 2003 als Kritiker des dritten Golfkrieges. Im Jahr 2009 wurde ihm der Göttinger Friedenspreis verliehen.
Wie schon die EU und auch und erst recht die USA bedarf auch die WTO einer massiven Generalsanierung weg von libertären Wirtschaftsprinzipien, die nicht nur Staaten und Grenzen sondern auch Kulturdiversität vorab als lästige Handelshemmnisse begreifen.