Wladimir Putin: «Verantwortung für Vergangenheit und Zukunft»
US-Präsident Donald Trump kommuniziert mit der Öffentlichkeit über Twitter. Das sind dann jeweils maximal 280 Buchstaben, Wort-Zwischenräume eingerechnet. Da kann er sich gewisse Vereinfachungen leisten – und ein wenig verdecken, dass er von dieser Welt keine grosse Ahnung hat. Leider hat er bewirkt, dass auch viele andere hohe Politiker angefangen haben, über Twitter zu kommunizieren. Lange Erklärungen sind ja nicht nötig, man sucht die politische Zustimmung, und die scheint man mit Vereinfachungen von Fakten – mit Simplifizierungen – offensichtlich zu erreichen.
Russlands Präsident Wladimir Putin hat jetzt einen anderen Weg beschritten. Offensichtlich als Reaktion auf die äusserst provokative, aber von den meisten Medien «übersehene» Resolution im Europa-Parlament vom 19. September 2019, in der die Schuld am Zweiten Weltkrieg zur Hälfte Russland in die Schuhe geschoben wurde – Infosperber hat darüber eingehend informiert –, hat er jetzt einen langen und detailreichen Artikel geschrieben, der über 200 mal länger geraten ist als eine Twitter-Botschaft.
Vom grossen Bogen bis zu vielen Details
Aus journalistischer Sicht ist Putins Artikel nicht wirklich aus einem Guss. Er beginnt mit der persönlichen Erinnerung und der russischen Erinnerungskultur und erklärt dann, warum der Versailler Friedensvertrag nach dem Ersten Weltkrieg 1919 eine Fehlleistung war und mit den (zu) hohen Reparationszahlungen, die Deutschland auferlegt wurden, zum Erfolg der Nationalsozialisten beigetragen hat.
Sehr interessant ist seine genaue Schilderung des Münchner Abkommens 1938, in dem das Vereinigte Königreich, Frankreich und Italien Hitler erlaubt haben, das Sudetenland der Tschechoslowakei wegzunehmen und dabei die Tschechoslowakei, mit der es ein Verteidigungsbündnis gab, sträflich verraten haben. Da die Tschechoslowakei sofort kapitulierte und es also keine Toten gab, wird dieses traurige Kapitel der europäischen Geschichte noch nicht zum Zweiten Weltkrieg gezählt – zur Freude all der Staaten, die damals eine doch recht üble Rolle gespielt haben.
Bei der Schilderung des Molotow-Ribbentrop-Paktes geht Putin noch mehr ins Detail, wohl, wie oben erwähnt, wegen der Resolution des Europa-Parlamentes vom 19. September 2019, das in diesem Punkt die UdSSR in die direkte Mitschuld am Zweiten Weltkrieg zu bringen versuchte.
Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg überfliegt Putin in wenigen Sätzen und macht schliesslich relativ konkrete Vorschläge, wie solche Kriege künftig verhindert werden sollen. Wie ganz am Anfang, so auch hier, schreibt Putin in der Ich-Form – was manchmal fast komisch wirkt, weil man beim Lesen des Artikels eher den Text eines Historikers vor sich zu haben glaubt, als den Text des gegenwärtigen, leibhaftigen Präsidenten der Russischen Föderation.
Vielleicht sind es aber nicht zuletzt diese Stilbrüche, die es wahrscheinlich machen, dass da Wladimir Putin tatsächlich selber in die Tasten gegriffen hat und nicht einfach einen professionellen PR-Mann hat schreiben lassen. Auch Zwischentitel fehlen, was das Lesen des doch ziemlich langen Artikels zusätzlich erschwert.
Der ganze Artikel von Putin erschien zuerst in englischer Sprache in der US-amerikanischen Zeitschrift für Aussenpolitik «The National Interest». Kurz nach deren Erscheinen am 18. Juni wurde der Artikel dann auch auf der Homepage des Kremls publiziert, dort natürlich in russischer Sprache.
Zur Dokumentation
Da die meisten grossen Medien vor allem aus westlicher Sicht informieren und über Russland oft nur, wenn es Negatives zu berichten gibt, erlauben wir uns – «Infosperber sieht, was andere übersehen» – hier einige bemerkenswerte Abschnitte aus Putins Artikel wörtlich wiederzugeben: im Sinne zeithistorischer Dokumentation. Wer Putins ganzen Artikel lesen will, findet die russische, die englische und auch die deutsche Version im Anschluss an die hier folgenden Auszüge.
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«Ich erinnere noch einmal an offensichtliche Dinge: Die eigentlichen Ursachen des Zweiten Weltkriegs ergeben sich in vielerlei Hinsicht aus den Entscheidungen, die zu den Ergebnissen des Ersten Weltkrieges getroffen wurden. Der Vertrag von Versailles wurde für Deutschland zu einem Symbol tiefer Ungerechtigkeit. Tatsächlich wurde das Land, das den westlichen Verbündeten riesige Reparationen zahlen musste, richtiggehend ausgeraubt. Der Oberbefehlshaber der alliierten Armeen, Frankreichs Marschall Ferdinand Foch, gab dem Versailler Vertrag eine prophetische Bezeichnung: ‹Das ist kein Frieden. Das ist ein Waffenstillstand auf 20 Jahre.›»
«Gerade die nationale Demütigung bildete den Nährboden für radikale und revanchistische Stimmungen in Deutschland. Die Nazis spielten geschickt mit diesen Gefühlen, bauten ihre Propaganda darauf auf und versprachen, Deutschland vom ‹Erbe von Versailles› zu befreien, seine ehemalige Stärke wiederherzustellen, und sie drängten das deutsche Volk recht eigentlich zu einem neuen Krieg. Paradoxerweise trugen westliche Staaten, vor allem Großbritannien und die USA, direkt oder indirekt dazu bei. Ihre Finanz- und Industriekreise investierten durchaus aktiv in deutsche Fabriken und Werke, die Rüstungserzeugnisse produzierten. Und unter der Aristokratie und dem politischen Establishment gab es viele Anhänger radikaler, rechtsextremer, nationalistischer Bewegungen, die sowohl in Deutschland als auch im übrigen Europa an Stärke gewannen.»
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«Der Völkerbund konnte auch Konflikte in verschiedenen Teilen der Welt nicht verhindern, wie etwa den Angriff Italiens auf Äthiopien, den Bürgerkrieg in Spanien, die Aggression Japans gegen China oder auch den Anschluss Österreichs ans Deutsche Reich. Und im Fall des Münchner Abkommens 1938, an dem neben Hitler und Mussolini die Staats- und Regierungschefs Großbritanniens und Frankreichs teilnahmen, kam es mit voller Zustimmung des Völkerbundrates zu einer Aufteilung der Tschechoslowakei. Ich möchte in diesem Zusammenhang betonen, dass sich Stalin im Unterschied zu vielen damaligen europäischen Führern nicht mit einem persönlichen Treffen mit Hitler befleckte, der damals in westlichen Kreisen als durchaus respektabler Politiker galt und oft ein willkommener Gast in den europäischen Hauptstädten war.»
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«Die Aufteilung der Tschechoslowakei war grausam und zynisch. ‹München› zerstörte damit jene fragilen Garantien, die es auf dem westlichen Kontinent formal gab, und es zeigte sich, dass all die gegenseitigen Vereinbarungen nichts wert waren. Gerade das Münchner Abkommen 1938 diente als Auslöser, nach dem ein großer Krieg in Europa unvermeidlich wurde.»
«Heute möchten viele europäische Politiker, vor allem polnische Spitzenpolitiker, ‹München› lieber ‹verschweigen›. Warum? Nicht nur deswegen, weil ihre Länder damals ihre Verpflichtungen nicht eingehalten haben und das Münchner Komplott unterstützten, wobei einige sogar an der Beute des Abkommens teilnahmen, sondern auch weil es unangenehm ist, sich daran zu erinnern, dass sich nur die UdSSR in jenen dramatischen Tagen für die Tschechoslowakei eingesetzt hat.»
(Zum Thema «Münchner Abkommen 1938» siehe auch Infosperber vom 23. März 2019, hier anklicken.)
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«Wir wissen auch nicht, ob es irgendwelche ‹geheimen Protokolle› und Anhänge zu den Vereinbarungen einiger Länder mit den Nazis gab. Es bleibt uns nur, aufs Wort zu glauben. Unter anderem sind Materialien über geheime anglo-deutsche Gespräche bis heute nicht freigegeben worden. Daher rufen wir alle Staaten dazu auf, den Prozess der Öffnung ihrer Archive, die Veröffentlichung bisher unbekannter Dokumente aus der Vorkriegs- und Kriegszeit zu intensivieren – so, wie es Russland in den vergangenen Jahren getan hat. Wir sind hier zu einer breiten Zusammenarbeit, zu gemeinsamen Forschungsprojekten von Historikern bereit.»
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«Der Zweite Weltkrieg brach nicht von heute auf morgen aus, er begann nicht unerwartet, nicht plötzlich. Und die deutsche Aggression gegen Polen war auch nicht unerwartet. Es ist das Ergebnis vieler Tendenzen und Faktoren in der Weltpolitik jener Zeit. Alle Vorkriegsereignisse reihten sich in eine schicksalshafte Kette ein. Aber das Wichtigste, was die größte Tragödie in der Geschichte der Menschheit vorbestimmte, war natürlich der staatliche Egoismus, die Feigheit, die Nachsicht gegenüber einem Aggressor, der an Stärke gewann, und die Nichtbereitschaft der politischen Eliten, einen Kompromiss zu suchen.»
«Daher ist es ungerecht zu behaupten, dass der zweitägige Besuch des Nazi-Außenministers Ribbentrop in Moskau der zentrale Grund sei, der zum Zweiten Weltkrieg geführt habe. Alle führenden Länder haben seinen Ausbruch in dem einen oder anderen Maße zu verantworten. Jedes von ihnen hat nicht wiedergutzumachende Fehler in der selbstgefälligen Zuversicht begangen, dass man andere überlisten, einseitige Vorteile für sich gewinnen und dem heranrückenden globalen Unheil ausweichen kann. Für diese Kurzsichtigkeit, für den Verzicht auf die Schaffung eines Systems der kollektiven Sicherheit mussten Millionen Menschen mit ihrem Leben und riesigen Verlusten zahlen.»
«Ich schreibe das ohne die geringste Absicht, die Rolle eines Richters zu übernehmen, jemanden zu beschuldigen oder zu rechtfertigen oder gar eine neue Runde der internationalen Informationskonfrontation im historischen Bereich loszutreten, die Staaten und Völker gegeneinander aufbringen kann. Ich bin der Meinung, dass die Suche nach ausgewogenen Bewertungen vergangener Ereignisse der akademischen Wissenschaft mit einer breiten Vertretung namhafter Forscher überlassen werden sollte. Wir alle brauchen Wahrheit und Objektivität. Ich persönlich habe meine Kollegen immer zu einem ruhigen, offenen und vertrauensvollen Dialog aufgefordert, zu einem selbstkritischen und unvoreingenommenen Blick auf die gemeinsame Vergangenheit. Ein solcher Ansatz wird es uns ermöglichen, die damals begangenen Fehler nicht mehr zu wiederholen und eine friedliche und erfolgreiche Entwicklung für die kommenden vielen Jahre sicherzustellen.»
«Viele unserer Partner sind jedoch noch nicht bereit, zusammenzuarbeiten. Im Gegenteil, um ihre Ziele zu erreichen, erhöhen sie die Anzahl und das Ausmaß der Informationsangriffe gegen unser Land, wollen es dazu bringen, dass es sich rechtfertigt und schuldig fühlt; sie verabschieden durch und durch scheinheilige politisierte Resolutionen. So wurde in der am 19. September 2019 vom Europäischen Parlament gebilligten Entschließung zur ‹Erhaltung des historischen Gedächtnisses für die Zukunft Europas› die UdSSR zusammen mit Nazideutschland direkt beschuldigt, den Zweiten Weltkrieg entfesselt zu haben. Es fehlte natürlich jegliche Erwähnung des Abkommens von München.»
(Zu dieser «Resolution» siehe auch Infosperber vom 28. September 2019, hier anklicken.)
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«Den Sieg brachten die Bemühungen aller Länder und Völker, die mit einem gemeinsamen Feind kämpften. Die britische Armee verteidigte ihre Heimat vor einer Invasion, kämpfte gegen die Nazis und deren Satellitenstaaten im Mittelmeer und in Nordafrika. Amerikanische und britische Truppen befreiten Italien und eröffneten die Zweite Front. Die Vereinigten Staaten versetzten dem Angreifer im Pazifik vernichtende Schläge. Wir erinnern uns an die kolossalen Opfer des chinesischen Volkes und ihre enorme Rolle bei der Zerschlagung der japanischen Militaristen. Vergessen wir nicht die Kämpfer von ‹La France libre›, die die beschämende Kapitulation nicht anerkannten und den Kampf gegen die Nazis fortsetzten.»
«Wir werden auch für die Hilfe stets dankbar sein, die die Alliierten der Roten Armee mit Munition, Rohstoffen, Verpflegung, Technik leisteten. Und das war eine beträchtliche Unterstützung, die ca. sieben Prozent der gesamten Kriegsproduktion der Sowjetunion ausmachte.»
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«Damals standen die Führer der UdSSR, der USA und Großbritanniens vor einer historischen Aufgabe. Stalin, Roosevelt und Churchill vertraten Länder mit unterschiedlichen Ideologien, Bestrebungen, Interessen und Kulturen, zeigten jedoch großen politischen Willen, erhoben sich über die Widersprüche und Vorurteile und stellten die wahren Interessen der Welt in den Vordergrund. Infolgedessen konnten sie eine Einigung erzielen und eine Lösung finden, von der die gesamte Menschheit profitierte.»
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«Die Schaffung eines modernen Systems internationaler Beziehungen ist eines der wichtigsten Ergebnisse des Zweiten Weltkriegs. Selbst die unvereinbarsten Widersprüche – geopolitische, ideologische, wirtschaftliche – beeinträchtigen nicht die Suche nach Formen von friedlichem Zusammenleben und friedlicher Interaktion, wenn es den Wunsch und den Willen dafür gibt. Heute erlebt die Welt nicht die friedlichsten Zeiten. Alles ändert sich: vom globalen Gleichgewicht zwischen Macht und Einfluss bis zu den sozialen, wirtschaftlichen und technologischen Grundlagen des Lebens von Gesellschaften, Staaten und ganzen Kontinenten. In den vergangenen Epochen gingen Verschiebungen dieser Größenordnung fast nie ohne große militärische Konflikte und ohne Machtkampf um den Aufbau einer neuen globalen Hierarchie vonstatten. Dank der Weisheit und Weitsicht der politischen Führer der alliierten Mächte konnte ein System geschaffen werden, das extreme Manifestationen dieser Rivalität verhindert, welche historisch der globalen Entwicklung innewohnt.»
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«Auf der Grundlage unseres gemeinsamen historischen Gedächtnisses können und müssen wir uns gegenseitig vertrauen. Dies wird als solide Grundlage für erfolgreiche Verhandlungen und konzertierte Maßnahmen zur Stärkung der Stabilität und Sicherheit auf dem Planeten sowie für den Wohlstand und das Wohlergehen aller Staaten dienen. Dies ist – ohne Übertreibung – unsere gemeinsame Pflicht und Verantwortung gegenüber der ganzen Welt, gegenüber den gegenwärtigen und den zukünftigen Generationen.»
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Zum ganzen Artikel von Putin in russischer Sprache hier anklicken.
Zum ganzen Artikel von Putin in englischer Sprache (auf «The National Interest») hier anklicken.
Zum ganzen Artikel in deutscher Sprache als PDF zum Lesen und zum Herunterladen und Ausdrucken hier anklicken. Diese deutsche Version ist auf der Homepage der russischen Botschaft in Bern zu finden.
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Nachtrag vom Sonntag, 28. Juni, 20 Uhr
Mit etwas Verzug hat nun auch das Schweizer «Echo der Zeit» auf diesen Artikel von Wladimir Putin hingewiesen (hier anklicken). Der Russland-Korrespondent David Nauer blieb sich dabei selbst treu. Er kritisierte zwar zu Recht die Passage, in der Putin die «Inkorporation» der baltischen Staaten beschreibt, brachte es aber einmal mehr fertig, die extrem provozierende Resolution des Europa-Parlamentes vom 19. September 2019, die die Schuld am Zweiten Weltkrieg zur Hälfte der Sowjetunion zuzuschieben versucht, mit keinem Wort zu erwähnen. Und dass Putin – nach dem Rückzug der USA aus den verschiedensten internationalen Verträgen nachvollziehbar – ein neues Zusammentreffen der fünf vetoberechtigten Mitglieder des UNO Sicherheitsrates vorschlägt, interpretiert Nauer als weiteren Versuch Putins, Russland zu alter Grossmacht zurückzuführen. Es darf leider auch im Schweizer «Echo der Zeit» einfach nicht wahr sein, dass Putin versucht, geopolitische Probleme nicht mit Waffengewalt, sondern mit Verhandlungen zu lösen. Russland-Korrespondent David Nauer scheint immer noch US-Präsident Barack Obama nachzutrauern, der es sich 2014 leistete, Russland als «Regionalmacht» herabzuwürdigen. (cm)
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Wladimir Putin live im Interview, russisch gesprochen, mit englischen Untertiteln, knapp 7 Minuten, hier anklicken
Eine beachtenswerte Erklärung Putins. Im Westen fehlen Staatsmänner dieses Kalibers. Leider…
Sehr gut, dass der Infosperber Putins Artikel bringt, der eine sehr gute Grundlage bietet, das historische Gedächtnis gegen immer dreister werdende Verzerrungen aufzufrischen. Mittlerweile scheint ja die Wahrheit zu einer Frage von Abstimmungen durch Ahnungslose zu verkommen. Putins Artikel bietet eine Grundlage, um einen weltweiten Diskurs darüber an-zuregen, wie wir den Weltfrieden wahren können, wie wir als „Vereinte Nationen“ die Sou-veränität eines jeden Staates sowie die Menschenrechte eines jeden Menschen wahren können. Nach dem „Sieg des Westens“ im „Kalten Krieg“, was in Wirklichkeit dem „Neuen Denken“ Gorbatschows, seiner einseitigen Abrüstungsinitiative und der Großzügigkeit gegenüber Deutschland zu verdanken ist, hat der Westen nicht nur das Ende der Sowjetunion durch Unterstützung des alkoholbenebelten Jelzin beschleunigt, das blockfreie, multiethni-sche Jugoslawien durch Einmischung und Krieg zerstört. Die NATO wurde 1991 nicht entsprechend der Auflösung des Warschauer Vertrags für obsolet erklärt, sondern sogar unter Einbeziehung ehemaliger Warschauer Vertragsstaaten und ehemaliger jugoslawischer Teil-republiken von 16 auf 30 Mitgliedsstaaten erweitert, obwohl es den gleich nach dem Sieg über Nazideutschland zum Gegner erklärten, ehemaligen Alliierten Sowjetunion nicht mehr gab, gegen den die NATO im eklatanten Widerspruch zu den „Vereinten Nationen“ 1949 sich gründete. Kriegslüsterne Politik muss ein Ende haben, Putins Artikel ist ein wichtiger Beitrag dazu.
Für mich ist die Frage welche Möglichkeiten gab es aus der schweren Krise zu kommen ?
Die Sozialdemokraten setzten soziale Kahlschläge ( wie 2004 Gerhard Schröder durch ) . Die Gewerkschaften demonstrierten zusammen mit den Kommunisten. Die Industrieversuchte eine Gegengewucht zu unterstützen, die NSDAP.
In den USA setze Präsident Franklin Delano Roosevelt drei Punkt u.a. durch
1. Soziale Maßnahmen, Erhöhung des Spitzensteuersatz auf 70 %
2. Bankenregulierung
3. Strikte Gesetze gegen Spekulation
Man vergleiche die Maßnahmen mit der Krise heute. Wie Sie sehen, sehen sie nichts.
Aber Professor Sinn ehemaluger Chef vom Ifo Institut sagte, die Banken haben so gut wie kein Eigenkapital. Deutsche Bank real 3,5 % Eigenkspital. Er sagte, das große Glücksrad wird gedreht. Geht es gut gibt es riesige Rendite. Geht es schief haftet der Steuerzahler. Er bezeichnet das als Kasinokapitalismus.
Was die Spekulation betrifft siehe BlackRock verdient gleich doppelt in der Krise. Ein Artikel von Jens Berger auf nachdenkseiten.
Putin und Russland wieder einmal in der Opferrolle?
Hier ein Beitrag aus der aktuellen Woz:
«Verschwörungstheorien hat es natürlich schon immer gegeben…. Autoritäre Politiker wie Donald Trump oder Wladimir Putin deuten jeden geringen Widerstand gegen ihre Politik zu einer grossen Verschwörung um. Strassenproteste? Von George Soros bezahlt! Kritik? Die dekadenten Liberalen wollen mich stürzen! Ob Trump oder Putin nun selbst an diese Verschwörungen glauben oder nicht: Es ist eine bequeme Weltsicht und ein effizientes Machtinstrument…
Wenn Sie an Verschwörungstheorien glauben, leben Sie in einer düsteren, mysteriösen Welt. Der Weg zur Wahrheit ist Ihnen versperrt, weil überall Verschwörungen lauern. Sie können sich auf nichts mehr einen Reim machen….. Letztlich wird das zu einem Instrument, um die Massen zu kontrollieren: Wenn Sie selbst nichts ändern können, dann brauchen Sie eben einen Herrscher wie Putin, Erdogan oder Trump, der Sie mit starker Hand durch dieses dunkle, konspirative Labyrinth führt.»
Auszug aus dem Interview mit Peter Pomerantsev, Woz vom 25.6.2020,
@Oberhänsli
Zur Erinnerung, der Begriff Verschwörungstheorien wurden von reaktionärsten Kreisen in den USA verwendet, um Gegner des letzten Irak Krieges zu diffamieren. Diese «Verschwörungstheoretiker» behaupteten, das der Irak gar keine Massenvernichtumgswaffen mehr hat.
Die CIA belegte die Aussage der «Verschwörungstheorektiker» an Hand von Beweisen.
Angela Merkel, die heutige Bundeskanzlerin reiste in die USA, um den reaktionärsten Kreisen ihre Gefolgschaft zu bekunden. Die damalige deutsche Regierung lehnte Soldaten in den Irak ab.
Seit dieser Zeit nutzen immer wieder Politiker und Medien aus der braunen Ecke, mittels Begriff «Verschwörungstheoretiker» ihre Kritiken zu diffamieren.
Ob eine Information in braunen Medien zielführend ist, da habe ich erhebliche Bedenken.
@Dieter Gabriel
Die linke WoZ ein braunes Medium?
Definieren Sie braune Medien. Welche Medien sind denn nicht braun Ihrer Meinung nach?
Braun ist auch eher die falsche Kategorisierung für Politiker, welche ihre Kritiker in die VT-Ecke setzen und so diffamieren. Es sind autoritäre Politiker mit Hang zu Machtpolitik und Schwierigkeiten, sich der Kritik, speziell jener einer freien Presse zu stellen. Neben den genannten Trump, Putin, Erdogan, können sicher auch Orban, Bolsonaro, Vucic, Xi Jinping und viele andere dazugezählt werden. Merkel, Obama und die beiden Buschs zum Beispiel würde ich jedoch eher nicht zu dieser Art von Politiker zählen.
@Thomas Oberhänsli
Wo sehen Sie eine Verschwörungstheorie im historischen Rückblick von Putin? Haben Sie den Text von Putin gelesen, oder wenigstens den vorliegenden Artikel von Christian Müller?
@Christoph Meier
Sie haben Recht. Verschwörungstheorien waren hier nicht das Thema. Das WoZ Interview ist jedoch indirekt relevant, da es das Macht-Selbstverständnis von Putin und seinesgleichen beleuchtet. In diesem Kontext kann man auch darüber diskutieren, welche Absichten Putin mit dem Text verfolgt hat. Dazu gibt es eine ganze Reihe von Beiträgen und Artikeln zB im Echo der Zeit und der NZZ, welche den Text etwas kritischer beleuchten, als es Christian Müller getan hat. Was man sicher sagen kann, dass Putin viel mehr staatsmännische Qualitäten als der egomane Trump aufweist und seine Sicht der Dinge konsistenter und reflektierter kommuniziert, da gehe ich mit Christian Müller einig.
Offensichtlich ist der Anteil des Westens am Zustandekommen des Weltkriegs immer noch tabu im Westen, und was Putin vorbringt, kann ja nicht richtig sein. Aber ebenso wenig geht es Putin um «die wirkliche, menschliche Wahrheit». Sein Essay dient, offen zugegeben, der Schaffung einer neuen Staatsideologie, einer Durchdringung insbesondere der Jugend mit Patriotismus, der sich bei keiner Geschichtsschreibung (auch nicht in der Schweiz) mit Wahrheitsfindung verträgt. In 3 Sätzen glaubt Putin die ungeheuerlichen Opfer der sowjetischen Bevölkerung durch den stalinistischen Terror abhaken zu können, weil die Erinnerung daran dem Patriotismus schadet. Ein wahrhaftiges Gedenken an die Millionen von Opfern würde keinen Unterschied machen zwischen den gefallenen Uniformierten und den grund- und schuldlos Ermordeten der staatlichen Repressionen. Es müsste auch derjenigen Soldaten gedacht werden, die in deutsche Gefangenschaft gerieten und deshalb als Verräter nach dem Sieg im Straflager leiden mussten, ebenso wie die als ZwangsarbeiterInnen Verschleppten nach der Rückkehr ins Vaterland. Die Archive darüber dürften im Gegensatz zu Putins Behauptung nicht verschlossen werden. Ein Patriotismus, der nach Putins Selbstverständnis seinen zentralen Ausdruck in der Siegesparade findet, muss trotz schöner Worte erschrecken: Begeisterung, immer noch, für zur Willenlosigkeit geformte, uniformierte, kommandierte Massen. Patriotismus ODER Frieden – schrieb der Russe Tolstoj dem Zaren.