«Wir sind von den Israelis geduldet, bis man uns los wird»
Diana Buttu, Anwältin und frühere Beraterin der PLO (Palestine Liberation Organization: Befreiungsorganisation Palästina), sieht schwarz. Der designierte Ministerpräsident Benjamin Netanyahu verbündet sich für die neue israelische Regierung mit Rechtsextremen, welche die Palästinenserinnen und Palästinenser am liebsten ausser Land hätten. Das schrieb Buttu in einem Gastkommentar der «New York Times».
Rechtsextreme erhalten Schlüsselministerien
Die soeben von Netanyahu geformte neue Regierung zeige das wahre Gesicht der als neofaschistisch, rassistisch und homophob bekannten extremen Rechte als Steigbügelhalterin von Likud, sagt Diana Buttu. Der «Spiegel» beschrieb die Regierungsbildung wie folgt: «Ein Hetzer als Minister für Nationale Sicherheit, der Chef einer homophoben Partei mitverantwortlich für Schulen: Benjamin Netanyahu baut an der radikalsten Regierung der israelischen Geschichte.»
Beim «Hetzer» handelt es sich um den Siedler und Chef der «Jüdischen Stärke», Itamar Ben-Gvir, der wegen Anstiftung zu Rassismus und Unterstützung einer terroristischen Gruppierung verurteilt wurde. Netanyahu hat Ben-Gvir jetzt ausgerechnet zum neuen Sicherheitsminister ernannt. In dieser Eigenschaft wird er Chef der Polizei in Israel und eines Teils der Polizeigewalt im besetzten Westjordanien. Es war wohl ein Zugeständnis Netanyahus, um nochmals an die Macht zu kommen.
Der «Chef einer homophoben Partei» ist Bezalel Smotrich vom «Religiösen Zionismus», der sich selbst als «stolzen Schwulenhasser» bezeichnete. Er wird Finanzminister und erhält laut CNN auch die Befugnis, den Leiter der israelischen Militärbehörde zu ernennen, die unter anderem für die Grenzübergänge und die Erteilung von Genehmigungen für Palästinenser zuständig ist.
Regierungsbildung nach Rechtsrutsch
Der Likud-Führer und frühere Premier Benjamin Netanjahu hatte die vorgezogenen Parlamentswahlen vom 1. November in einer Allianz mit den beiden rechtsextremen Parteien HaTzionut HaDatit (Der religiöse Zionismus) von Bezalel Smotrich und Otzma Yehudit (Jüdische Stärke) von Itamar Ben-Gvir deutlich gewonnen. Dies, obwohl die Partei des bisherigen Premier Jair Lapid, Jesch Atid (Es gibt eine Zukunft), sogar sieben Sitze dazugewonnen hat. Grund für den deutlichen Sieg des Rechtbündnisses um Netanjahu ist das gute Abschneiden des ultrarechten Blocks, der 14 Sitze gewann. Damit kommt das Rechtsbündnis mit 64 von 120 Sitzen zu einer komfortablen Mehrheit in der Knesset, dem israelischen Parlament.
Auswirkungen auf Palästinenserinnen und Palästinenser
Diana Buttu lotet in ihrem Gastbeitrag die Folgen der rechtesten israelischen Regierung seit der Staatsgründung für die palästinensische Bevölkerung in Israel und den besetzten Gebieten (Westjordanland und Gazastreifen) aus. Für sie als israelische Palästinenserin mit Wohnsitz in Haifa sei die «Atmosphäre schon jetzt derart rassistisch aufgeladen gewesen, dass sie sich hüte, in öffentlichen Verkehrsmitteln Arabisch zu sprechen». Die Rechte der Palästinenserinnen und Palästinenser seien durch den Wahlerfolg des Rechtsblocks und der Regierungsbeteiligung von rechtsextremen Parteien «auf die lange Bank geschoben worden».
Gemäss einer Umfrage von Pew Review von 2016 haben 48 Prozent der jüdischen Bevölkerung Israels bekundet, dass «die Araberinnen und Araber aus Israel vertrieben oder umgesiedelt» werden sollten. Diana Buttu meint denn auch, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis «wir gegangen worden sind». Die Hoffnungen auf eine Zweistaatenlösung oder ein friedliches Zusammenleben von jüdischen und arabischen Israelis hätten sich aufgrund der erwähnten Verschiebungen im Parlament und der Regierung zerschlagen oder zumindest nochmals verringert.
Jedenfalls ist Diana Buttu überzeugt, dass die «gewaltsame Repression der Palästinenserinnen und Palästinenser durch Israel in nächster Zeit nur noch zunehmen» werde, weshalb eine weitere Spirale von Gewalt und Gegengewalt drohe. Dabei machten die Behörden die Palästinenserinnen und Palästinenser für «die Zunahme von Extremismus und Rassismus» verantwortlich und sähen nicht, dass der «Rassismus in der israelischen Bevölkerung inzwischen zum Normalzustand» gehöre.
Die Rolle von USA und Europa
Als einzigen Silberstreifen am Horizont sieht Diana Buttu die Möglichkeit, dass «der Aufstieg von Herrn Ben-Gvir und dessen extremistischen Gefolgsleuten die Augen von mehr Amerikanern öffnen» könnte. So hätten frühere Mitglieder des US-Aussenministeriums die Biden-Regierung aufgefordert, mit den «extremsten Mitgliedern der neuen Koalition in Israel» nicht zu unterhandeln. Auch US-amerikanische Jüdinnen und Juden hätten sich ausdrücklich gegen die neue Regierung in Israel ausgesprochen und vor Rechtextremismus und Rassismus gewarnt.
Diana Buttu ist allerdings angesichts der Haltung des Westens in den letzten Jahren und Jahrzehnten alles andere als zuversichtlich. Die westlichen Regierungen – allen voran die USA – hätten zwar bei der Regierungsbeteiligung von «extremen» Parteien jeweils lauthals protestiert, mit der Zeit aber Positionen und Haltungen als «normal» betrachtet oder sogar legitimiert, die «einmal als absolut inakzeptabel» gegolten hätten. Als Beispiele nennt sie den früheren General Ariel Sharon oder den Ultranationalisten und Siedler Avigdor Lieberman. Nach anfänglichen Protesten hätten amerikanische und europäische Regierungsleute beiden die Hände geschüttelt.
«Wir bezahlen den höchsten Preis»
Diana Buttu glaubt nicht, dass dies bei den beiden rechtsextremen und rassistischen Koalitionspartnern Itamar Ben-Gvir und Bezalel Smotrich anders sein werde. «Was vor ein paar Jahren noch undenkbar war, wird bald Wirklichkeit sein, wobei die Palästinenserinnen und Palästinenser unweigerlich den grössten Preis für Israels Wahlergebnis bezahlen werden».
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Die Homophoben und Rassisten haben gewonnen und die USA und im Schlepptau die EU und auch die allseits vorauseilende hörige Schweiz wird sich gerne auf dem roten Teppich präsentieren wie immer schon. Dass leise Leiden der Bevölkerung auf beiden Seiten geht weiter und die Zeichen stehen auf Krieg.Die Extremisten bekommen wieder regen Zulauf. Die Händler und Zulieferer des Todes reiben sich die Hände. Traurige Zeiten und keine Chancen für die Gemässigten auf beiden Seiten.
Shalom ??
Europa und die USA werden vielleicht einige Bemerkungen fallen lassen, aber das Geschäft muss weiter laufen. Die wie auch immer gearteten Wirtschaftlichen Gewinne nimmt man lieber mit als Werte wie Menschenrechte und Frieden ein zu fordern. Für Deutschland gilt ja eh noch die Schuld der Verlierer, die dürfen schon vom Mainstream her ihre Meinung nicht vertreten oder äussern.
Tatsächlich, von den USA ist keine Hilfe zu erwarten, der amerikanische Judenkongress ist viel zu mächtig. Was entsetzlich und empörend ist, sind die unzähligen Sanktionen, die die EU und die Schweiz gegen verschiedene Staaten ausprechen, welche die Menschenrechte nicht respektieren. Aber gegen Israël hat noch kein europäisches Land daran gedacht, endlich Sanktionen zu ergreifen, obwohl dieses Land seit 1947 konsequent gegen die UNO-Resolution verstösst, die Menschenrechte verachtet und brutal gegen die Palästinenser vorgeht. Ich bin oft in Palästina gewesen, habe mit eigenen Augen gesehen, wie ein Bauer auf seinem Feld im Westjordanland von einem jüdischen Siedler, der mit seiner Familie spazieren wollte, erschossen wurde. Keine Polizei, keine Verhaftung, nur die lautlose Bestürzung der palästinensischen Dorfbewohner. Es ist Zeit, dass unsere Land auch endlich Massnahmen gegen Israël ergreift, auch wenn unsere militärische Zusammenarbeit darunter leiden sollte!!