Wie Nixon, Carter und Reagan die US-Plutokratie vorbereiteten
Red. Die Demokratie USA verkommt zu einer Plutokratie, in der die Reichen herrschen. Sie bestimmen die Wahlen sowie die Beschlüsse des US-Kongresses und des Präsidenten. Noch mehr als früher umgibt sich der Präsident mit Milliardären, die ihren Einfluss direkt ausüben können.
Historiker David N. Gibbs, Professor an der University of Arizona, beschrieb letztes Jahr in seinem Buch «Revolt of the Rich», wie der Neoliberalismus zur dominierenden Politik werden konnte. Im Folgenden dokumentieren wir eine seiner eigenen kurzen Zusammenfassungen.
Richard Nixon wollte als reformerischer Präsident den regulierten Kapitalismus mit seinen Wirtschafts- und Sozialprogrammen des New Deal zugunsten einer «freien Marktwirtschaft» umstürzen. Er bewunderte Milton Friedman, den Wirtschaftswissenschaftler der Universität von Chicago, der als sein informeller Berater diente. Friedmans Einfluss wuchs, als seine Mitarbeiter Schlüsselpositionen in Ministerien und im Wirtschaftsrat übernahmen. Diese Verbindung stärkte das Ansehen der Friedman-Ökonomie, das über Nixons Amtszeit hinaus Bestand hatte.
Um Friedmans Ideen zu verbreiten, nutzte Nixon ein Netzwerk um den rechtskonservativen «Think-Tank» American Enterprise Institute (AEI). Er drängte Wirtschaftsführer, das AEI zu finanzieren und dafür die liberale Brookings Institution und andere Rivalen nicht mehr zu unterstützen.
Gleichzeitig mobilisierte Nixon Sozialkonservative und Evangelikale gegen Rechte für Homosexuelle sowie gegen Rechte zur Abtreibung. Diese Koalition aus Geschäftsleuten und Sozialkonservativen machte den Konservatismus politisch stark.
Nixon legte zwar die Grundlage für seine Vision, doch der Watergate-Skandal verhinderte ihre vollständige Umsetzung. Trotzdem gewannen die von ihm entfesselten wirtschaftlichen Kräfte an Dynamik. Nach dem Watergate-Skandal starteten amerikanische Wirtschaftskonzerne und -Lobbys eine massive Beeinflussungs-Kampagne, die von Denkfabriken und Lobbygruppen unterstützt wurde. Friedman und seine Kollegen lieferten die ideologischen Grundlagen. Diese Kampagne sollte die US-Politik grundlegend verändern.
Der Widerstand gegen diese Rechtswende war schwach. Die Arbeiterbewegung hatte ihre dynamischsten Anführer verloren. Die verbliebene Führung war schwach. Neue progressive Gruppen konzentrierten sich auf Themen ausserhalb der Wirtschaft und konnten keine breite Koalition bilden. So konnten die neoliberalen Friedman-Anhänger den New Deal begraben.
Die Rechte war den Anhängern einer sozialen Marktwirtschaft strategisch überlegen. Sie spielte das politische Spiel und tat dies meist erfolgreich. In den 1970er Jahren startete eine Kampagne der Elite und des militärisch-industriellen Komplexes, um die Militärausgaben zu erhöhen und die Entspannungspolitik mit der Sowjetunion zu beenden.
Das Committee on the Present Danger (CPD), das überall vor dem Kommunismus warnte, führte diese Kampagne an. Unterstützung erhielt es von Wirtschaftslobbys und der Israel-Lobby. In der Folge erhöhte der Kongress die Militärausgaben massiv. Das belastete die Binnenwirtschaft, weil Gelder von Sozialprogrammen abgezogen wurden.
Wirtschaftskrisen führten zu drastischen Kürzungen der Bundesausgaben, ausser im Militärbereich. Der militärisch-industrielle Komplex profitierte, während einkommensschwache Gruppen litten.
Der Laissez-faire-Kapitalismus ersetzte den regulierten Kapitalismus des New Deal. Das Bretton-Woods-System, das die internationalen Finanzmärkte regulierte und den Wert des Dollars an den Wert des Goldes band, wurde 1973 abgeschafft. Das ermöglichte eine Deregulierung im Finanzsystem. Es kam zu einer «Finanzialisierung» der US-Wirtschaft: Mit Spekulation ist seither für viele mehr zu verdienen als mit Erwerbsarbeit in der realen Wirtschaft.
Präsident Jimmy Carter hat die neoliberale Wirtschaftspolitik fortgesetzt, die Nixon eingeleitet hatte. Er deregulierte mehrere Industrien und den Finanzsektor, was die Löhne drückte. Carters Steuerreformen belasteten Lohnempfänger stärker und senkten die Steuern für Investoren. Er nutzte die Geldpolitik zur Inflationsbekämpfung, was die Arbeitslosigkeit erhöhte.
Obwohl die neoliberale Wende oft Präsident Ronald Reagan zugeschrieben wird, begann diese unter Carter. Reagan verstärkte lediglich eine bereits bestehende Rechtswende. Carters nicht ideologische Sprache verschleierte den Friedman-Charakter seiner Politik. Seine beeindruckende Zeit nach der Präsidentschaft beeinflusste die öffentliche Wahrnehmung, doch seine Präsidentschaft veränderte das Land in Richtung zunehmender Ungleichheit.
Der eh schon grosse Einfluss des Geldes und der Reichen und Superreichen auf die Politik nahm ständig weiter zu. Eine zentrale Rolle spielte dabei das sogenannte «Deep Lobbying» oder die erweiterte Lobbyarbeit. Sie zielt darauf ab, die öffentliche Meinung zu beeinflussen und geht weit über traditionelle Lobbyarbeit hinaus. Diese will meist kurzfristige Ziele erreichen wie etwa bestimmte Gesetzesvorhaben zu beeinflussen. Doch das «Deep Lobbying» versucht, die Politik langfristig zu verändern, indem es die öffentliche Diskussion der ganzen Gesellschaft beeinflusst. Akteure sind häufig «Think-Tanks» oder sonstige Institutionen. Sie fördern Wissenschaftler, wissenschaftliche Institutionen oder NGOs, welche die gewünschte Ausrichtung haben.
Der «blinde Fleck» der neoliberalen «Marktwirtschaftler»
upg. Die Neoliberalen wollen den «freien Markt» spielen lassen und möglichst wenig regulieren. Das Spiel der Marktkräfte löse die meisten Probleme am effizientesten. Der Staat dürfe das Marktgeschehen höchstens mit finanziellen Anreizen wie Subventionen beeinflussen.
Damit jedoch der «freie Markt» die Bedürfnisse der Menschen tatsächlich mit dem kleinstmöglichen Aufwand befriedigt und zudem so, dass die Umwelt und die Ressourcen so gut wie möglich geschont werden, muss eine grundlegende Voraussetzung erfüllt sein: Die Preise müssen sämtliche Kosten enthalten: auch die Kosten der Umweltbelastung, des Recyclings oder der Entsorgung von Abfällen, der Erschöpfung der Vorräte an nicht-erneuerbaren Ressourcen sowie der verursachten sozialen Kosten. Doch diese Kosten sozialisieren Neoliberale noch so gerne, obwohl sie sonst mit Sozialisierung wenig am Hut haben wollen.
Die Kostenwahrheit als Voraussetzung für das Funktionieren des «freien Marktes» ist heute weniger denn je erfüllt.
Ein erheblicher Teil der Klimakrise und der heutigen Energiekrise ist darauf zurückzuführen, dass man bei der Förderung, dem Transport und dem Verbrauch fossiler Rohstoffe den «Markt» spielen liess, ohne kostengerechte Preise durchzusetzen. Die Glaubwürdigkeit haben ideologische Marktwirtschaftler und Neoliberale endgültig verloren, als sie sich während der letzten Jahrzehnte nicht dagegen auflehnten, dass fossile Energieträger mit Abermilliarden direkt subventioniert wurden und es noch immer werden.
Seit den 1970er Jahren gewann «Deep Lobbying« an Bedeutung und verschob das Kräfteverhältnis zugunsten der Wirtschaftselite.
Ein prominentes Beispiel ist Charles Koch von Koch Industries. Koch und andere Milliardäre nutzen ihren Reichtum, um an Hunderten von Colleges und Universitäten in den USA, darunter auch an der University of Arizona, Think-Tanks für den «freien Markt» zu etablieren. Ihr Ziel ist es, Ideen des «freien Marktes» zu verbreiten und die in den 1970er Jahren begonnene Laissez-faire-Revolution weiter voranzutreiben.
Während viele NGOs oder Parteien sich auf oberflächliche Kulturkämpfe konzentrieren, fördert Koch die Laissez-faire-Wirtschaft, Deregulierung und Einkommensungleichheit. «Deep Lobbying» bleibt meist im Verborgenen und wirkt daher nicht wie traditionelle Lobbyarbeit.
Die Revolte der Reichen und Superreichen verändert die Demokratie in den USA hin zu einer Plutokratie – einem Land, indem die Vermögenden herrschen.
Von Donald Trump (geschätztes Vermögen 6 Milliarden Dollar) designierte Superreiche:
Elon Musk, Co-Leiter des neuen «Department of Government Efficiency» (DOGE), geschätzes Vermögen 400 Milliarden Doller
Charles Kushner, Botschafter in Frankreich, 7 Milliarden Dollar.
Stephen Feinberg, stellvertretender Verteidigungsminister, 4,6 Milliarden Dollar.
Warren Stephens, Botschafter in Grossbritannien, 3,4 Milliarden Dollar.
Linda McMahon, Bildungsministerin, Vermögen mit ihrem Mann von 2,6 Milliarden Dollar.
Howard Lutnick, Handelsminister, 2 Milliarden Dollar.
Chris Wright, Energieminister, 170 Millionen Dollar.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine. David N. Gibbs ist Professor für Geschichte und Politik an der Universität von Arizona. 2024 erschien sein Buch «Revolt of the Rich: How the Politics of the 1970s widened America’s Class Divide».
Gespräch mit Pascal Lottaz auf YouTube über die Entwicklung der Plutokratie in den USA.
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