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Granitblöcke warten in einem Steinbruch im Western Area Peninsula National Park, Sierra Leone, auf den Export. © Source Material

Wie Granitabbau in Sierra Leone die Natur zerstört

Daniela Gschweng /  Illegaler Bergbau in Sierra Leone bedroht Umwelt und Bevölkerung. Aber er ist eine Goldgrube für chinesische Unternehmen.

Granit aus Sierra Leone ist begehrt. Selbst im Naturschutzgebiet wird dafür Wald abgeholzt. Die Gegend des Western Area Peninsula National Park sehe auf Satellitenbildern des World Food Programmes WFP aus «wie Schweizer Käse», schreiben «Source Material» und der britische «Telegraph», die sich vor Ort umgesehen haben: Löchrig in der Mitte, angeknabbert an den Rändern.

Der 18’300 Hektaren umfassende Park beherbergt hunderte Vogelarten und Dutzende teils gefährdete Säugetierarten. Er ist UNESCO-Welterbe, seit 2012 ist er geschützt. In weniger als zwei Jahren hat der Naturpark 22 Prozent seiner Bewaldung verloren. Wenn das so weitergeht, sind bis 2027 noch 21 Prozent des Waldes übrig, schätzt das World Food Programme.

Drei Steinbrüche trotz Bauverbot

In dem Naturschutzgebiet an der Küste Westafrikas gilt ein absolutes Bauverbot, rings herum gibt es eine einen Kilometer breite Pufferzone, in der nur mit spezieller Genehmigung gebaut werden darf. Trotzdem gebe es drei illegal betriebene Steinbrüche innerhalb des Reservats sowie einige private Bauvorhaben.

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Auf der Western Peninsula (li.) in Sierra Leone (re.) gibt es drei illegale Steinbrüche.

«Source Material» beschreibt eine einst grüne Hügelkuppe, auf der es von Wildtieren wie Pangolins und Schimpansen wimmelte. Jetzt ist sie eine abrasierte graue Einöde. Chinesische Arbeiter haben hunderte Granitplatten für den Export gestapelt. Die Betreiber der Steinbrüche beteuern, legale Lizenzen zu haben.

Abholzung bedroht eine Million Menschen in der Hauptstadt

Mensch und Umwelt leiden durch die Entwaldung, die die Bodenerosion fördert und Tieren den Lebensraum nimmt. Sierra Leone sei ohnehin eines der Länder, die am stärksten von den negativen Auswirkungen des Klimawandels betroffen seien, sagt Batatunde Ahonsi, der UN-Koordinator vor Ort.

Zunehmend unregelmässige Regenfälle zerstören die Ernten, die Slums der Hauptstadt Freetown wachsen deshalb immer weiter. Die Stadt zieht sich etwa 30 Kilometer am hügeligen Meeresufer neben dem Nationalpark entlang.

Überschwemmungen bedrohen die etwa eine Million Einwohner von Freetown. Abholzung und Bergbau im Einzugsgebiet tragen dazu bei, weil sie den Boden destabilisieren. Es gebe jedes Jahr Tote, sagt Ahonsi. Im bisher grössten Unglück 2017 fielen mehr als 1000 Personen einer Schlammlawine zum Opfer.

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Einer der Steinbrüche im Nationalpark auf einem Satellitenbild.

Laut «Source Material» ist Freetown auch von Trinkwasserverschmutzung bedroht, da die Wasserversorgung vom Naturschutzgebiet abhängt. Im vergangenen Jahr mussten die Einwohner eines Dorfes ärztlich behandelt werden, weil sie verschmutztes Wasser aus einem Bach unterhalb eines Steinbruchs getrunken hatten. Ein Stausee, der als Trinkwasserreservoir für Freetown dient, könnte durch Schlamm unbenutzbar werden.

Der politische Wille ist schwach

Der politische Wille, gegen die chinesischen Investoren vorzugehen, ist jedoch schwach. Auf dem Welt-Korruptionsindex von Transparency International steht Sierra Leone auf Platz 100 von 180 Ländern. Wer Sierra Leone in einer Suchmaschine sucht, bekommt Artikel zu Korruption und Palmöl, Korruption und Diamanten, Korruption und Kinderarbeit. Und Sierra Leone ist arm. 57 Prozent der Bevölkerung leiden an Nahrungsmittelunsicherheit (WFP).

Nach den britischen Kolonialherren die chinesischen Finanziers

Chinas Einfluss sei wie auch in anderen afrikanischen Ländern spürbar, schreibt der «Telegraph», der seine Reportage mit einer Beschreibung des zerfallenden Hill Station Clubs in Freetown beginnt – einem Symbol der britischen Kolonialgeschichte, die bis zur Unabhängigkeit 1961 andauerte.

Seit den 1970er-Jahren hätten chinesische Investoren 2,6 Milliarden Franken ins Land gebracht. Chinas Unternehmen bauten Infrastruktur, engagierten sich in der Bildung, schafften Arbeitsplätze. Ein Teil der Bevölkerung sieht das positiv, aber ihr Anteil schrumpft. Die chinesische Agenda besteht auch daraus, die natürlichen Ressourcen Sierra Leones auszubeuten, zum Teil gegen geltende Gesetze.

Wo chinesische Interessen auf einheimische prallen

«Der Granit ist von sehr guter Qualität», sagt Xiao Peng vom Unternehmen Hong Tai. Er habe vor, Granit aus Sierra Leone «überall hin» zu exportieren. Aus den Steinen in Sierra Leones geschützten Wäldern werden also vielleicht Küchenarbeitsplatten in London, Paris, Wien oder Kopenhagen.

Die Abbaugenehmigung zu bekommen, habe nur vier Monate gedauert, sagt Peng, der laut dem «Telegraph» zwei Steinbrüche in den Wäldern der Western Peninsula besitzt. Die 13 Hektaren, die er derzeit bewirtschaftet, möchte er auf 24 ausdehnen. Er plane ausserdem den Bau einer Fabrik, in der der Granit poliert werden kann, bevor er in die ganze Welt exportiert wird.

Das zuständige Ministerium sei froh um seine Aktivität, da sie gut für die Wirtschaft sei. Laut Prince Dumbaya, einem lokalen Park-Ranger, hat das chinesische Unternehmen lediglich eine Lizenz für die Pufferzone am Rand des Parks.

«Es ist eine Geldmaschine.»

Yvonne Aki-Sawyerr, Bürgermeisterin von Freetown, Sierra Leone

Auch Yvonne Aki-Sawyerr, Freetowns Bürgermeisterin, sieht das chinesische Engagement kritisch. Die Regierung schaue weg und leiste der Korruption Vorschub. «Das ist Plünderung», sagt sie, «wenn das nicht aufhört, wird es kein Freetown mehr geben.»

Die EU, die Sierra Leones «Green Economy» mit 122 Millionen Euro unterstützt, zögere, ihr politisches Gewicht geltend zu machen, sagt Bala Amarasekaran, der aus Sri Lanka stammt und ein Wildlife Sanctuary für Schimpansen im Western Peninsular National Park betreibt.

Mit Katapulten gegen Gewehre

Im Park wachen 22 Parkranger über 50 Quadratkilometer Parkfläche. Nach ihren Schilderungen herrschen im Park kriegsähnliche Zustände. Wenn Baufirmen mit schwerem Gerät anrücken, versuchen sie, sie am Abholzen zu hindern. Die Auseinandersetzungen enden nicht selten in Gewalt.

«Im Irak war es einfacher», sagt der Veteran Alie Thoroniga. «Da waren wir wenigstens angemessen ausgerüstet.» Seine einzige Waffe besteht aus einem selbstgebauten Katapult, das er den Reportern zeigt.

Der leitende Ranger Prince Dumbaya erzählt, dass sein Vorgesetzter ihn nach der letzten Konfrontation angewiesen habe, den Dingen ihren Lauf zu lassen. Die Steinbrüche werden nun vom Militär bewacht. Und die von den Bergbauunternehmen geschaffenen Strassen ziehen Land-Grabber an. Auch diese reagieren mit Gewalt, wenn die Ranger versuchen, einzuschreiten.

Es geht nicht nur um Bergbau

Es geht auch nicht nur um Bergbau. Ein Paar, das in einer Bucht an den Ufern des Parks eine kleine Öko-Lodge betreibt, berichtet, wie es von Bulldozern förmlich weggeschoben wurde, als chinesische Investoren begannen, einen Hafen für die chinesische Hochseeflotte zu bauen. Die Baufirma kam mit Soldaten und etlichen Polizisten, verprügelte die Fischer und nahm die Gastgeberin und einen Gast der Lodge fest.

Ein dubioses Umweltgutachten sieht vor, zum Ausgleich für die zerstörte Natur einen Marine Park zu gründen. Das Unternehmen, das das Gutachten erstellt hat, hat keine gültige Adresse und keine Webpage. Einer der Autoren arbeitet im Fischereiministerium.

Nicht alle aus dem ärmlichen Dorf am Black Johnson Beach sind gegen den Bau. Jane Aspden, der die Öko-Lodge in der ehemals idyllischen Bucht gehört, hofft, dass «sie damit nicht durchkommen». Die Fischer haben laut dem «Telegraph» Angst, dass mehr industrielle Fischerei ihr Einkommen weiter schrumpfen lässt.

Freetowns Bürgermeisterin hofft auf Wandel

Aki-Sawyerr, die Bürgermeisterin von Freetown, die einen aussichtslosen Kampf um den Erhalt der Mangrovensümpfe an der Küste der Stadt geführt hat, hat Hoffnung. Es sei noch nicht zu spät, sagt sie. Auch andere Länder hätten sich vom Entwaldungskreislauf zurückgezogen. Costa Rica zum Beispiel, das noch 1985 eine der höchsten Entwaldungsraten der Welt hatte. Das Land habe die Waldbedeckung durch Steuern und Subventionen wieder deutlich erhöhen können. «Es kann etwas getan werden», findet Aki-Sawyerr, «was uns fehlt, ist der politische Wille».


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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