Wie der Westen zur Misere in Kenia beiträgt
Seit Wochen demonstrieren in Kenia Jugendliche gegen den Präsidenten William Ruto. Sie stürmten das Parlament, und bei Strassenkämpfen mit der Polizei wurden mehr als 30 Demonstranten getötet.
Bei der angekündigten Steuererhöhung handelte sich um die gravierendsten Sparmassnahmen in der Geschichte Kenias. Die geplanten Massnahmen hätten unter anderem eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Brot und andere Dinge des täglichen Bedarfs mit sich gebracht. «Dies ist keine Sparpolitik, sondern ein Griff ins Portemonnaie der Armen, um den Lebensstil der Reichen zu finanzieren», schrieb die kenianische Aktivistin Nanjala Nyabola im «Guardian».
Auch wenn die umstrittene Steuerreform inzwischen vom Tisch ist und fast die komplette Regierung entlassen wurde, sind die Demonstranten nicht zufrieden und fordern weiterhin den Rücktritt des Präsidenten.
Die Menschen in Kenia haben die Selbstbedienungsmentalität ihrer Politiker satt. Nicht nur die First Lady hat laut Medienberichten ein eigenes Büro mit Personal, sondern auch die Vize-First-Lady und die Frau des Premierministers. Ausserdem beziehen laut einer Studie der Independent Parliamentary Standards Authority (Ipsa) kenianische Abgeordnete in Relation zum Durchschnittseinkommen ihrer Bürger die zweithöchsten Saläre weltweit (übertroffen nur noch von Nigeria). Von den meisten Steuern sind sie befreit. Obwohl es bereits reichlich Minister und Staatssekretäre gibt, plante Ruto kürzlich, Stellen für 50 neue «Haupt-Verwaltungssekretäre» mit unklarem Aufgabenbereich zu schaffen. Allerdings hat der Oberste Gerichtshof diese Massnahme als unbegründet und verfassungswidrig gekippt, wie die kenianische Zeitung «Daily Nation» berichtete.
Präsident Ruto muss sein Land auf Sparkurs bringen, weil der Internationale Währungsfond IWF ihn dazu zwingt. Eine im Jahr 2021 geschlossene Vereinbarung über einen Milliardenkredit enthält Forderungen, die Kenia innerhalb von 38 Monaten erfüllen muss: Steuererhöhungen, Subventionsabbau, Privatisierungen. Genau dies sind die Massnahmen, gegen die das Volk jetzt protestiert.
Hinter dem IWF stehen die USA und die Staaten des Westens, mit denen sich Ruto bestens versteht. Noch vor wenigen Wochen zeigte ihn «Associated Press» Arm in Arm mit US-Präsident Biden, der Ruto für den Einsatz kenianischer Soldaten in Haiti dankte.
Ruto bemüht sich eifrig, die Erwartungen des Westens zu erfüllen, aber dies hat dazu geführt, dass Kenia heute laut dem National Bureau of Statistics fast 50 Prozent seiner Exporteinkünfte zur Schuldentilgung verwenden muss – vor fünf Jahren betrug der Anteil noch 19 Prozent.
Wie der Ökonom Fadhel Kaboub im «Guardian» beklagt, wird Kenia seit Jahrzehnten eine falsche, westliche Politik aufgezwungen, die eine Fortsetzung der Kolonialpolitik früherer Jahrhunderte in neuem Gewand darstellt. Dieser Neo-Kolonialismus fusst auf drei Prinzipien:
- Kenia ist nichts weiter als ein Lieferant billiger Rohmaterialien.
- Die Menschen im Land sind nichts weiter als Konsumenten westlicher Produkte.
- Kenias Industrie kauft dem Westen veraltete, ausrangierte Produktionsmittel ab, womit ihre Position am unteren Ende der Wertschöpfungskette verewigt wird.
Die jugendlichen Demonstranten fordern keine Steuersenkungen, sondern eine echte Dekolonialisierung Kenias. Dazu gehört ein Ausweg aus der Schuldenfalle, wie er von der Organisation erlassjahr vorgeschlagen wird, und eine regionale Industriepolitik mit dem Ziel, Lebensmittel und nachhaltige Energien von den Menschen für die Menschen vor Ort herzustellen. Eine solche Politik ist nicht mit, sondern nur gegen die Staaten des Westens machbar. Aus diesem Grund beschliessen immer mehr afrikanische Länder, sich vom Westen unabhängig zu machen und neue Wege einzuschlagen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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«Kenianische Verhältnisse» allerorten!
Mal sehen, wann sich hier der Großteil der Bevölkerung, die von der Regierung ‹kriegstüchtig› gemacht werden soll, auf die Straße bewegt.
Die Friedensdemo am 3.August in Berlin
wird bereits wieder mit den sattsam bekannten Diffamierungs-Etiketten runter gemacht.
Diese Verortung in gut und schlecht wird nie enden. Ich erlebe es ständig, dass ich in meinem Umfeld manchmal der Einzige bin, der überhaupt hinsieht und sich informiert. Viel zu Viele lassen sich vorschreiben, was «seriös» und was «verschwörerisch» daher kommt.
Ich bin mir sicher, dass auch das Vorgehen des IWF in Kenia und die entsprechenden Mechanismen insbesondere von China ganz genau beobachtet werden… überall werden den Asiaten neue Ansatzpunkte für eine vertiefte Einflussnahme geliefert.
Es hat auch etwas sehr paternalistisches an sich, alle Probleme Kenias dem Westen zuzuschreiben. Implizit sagt man damit ja auch, dass man den Kenianern nicht zutraut, ihre Geschicke selbst in die Hand zu nehmen. Kenia ist seit langer Zeit keine Kolonie mehr. Das Land ist durchaus in der Lage, selbst zu bestimmen, was geht und was nicht. Hoffentlich ist die aktuelle Bewegung ein Ansatz, dies besser als bisher zu realisieren!