Wer Krieg und Aufrüsten nicht bekämpft, kann Klima nicht retten
upg. Der Autor gehört dem Forum Gewerkschaftliche Linke in Berlin an. Der Artikel erschien am 14. September auf der Agentur Pressenza. Redaktion und Zwischentitel von Infosperber.
Wer behauptet, er könne das Klima retten, ohne dem Aufrüsten entgegenzutreten, der leugnet die Fakten.
Im Jahr 2023 erreichten die Militärausgaben weltweit insgesamt 2,4 Billionen Dollar. Das ist ein massiver Anstieg von 6,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Die USA gaben mit 916 Milliarden Dollar rund 40 Prozent aus: mehr als China, Russland und die weiteren sieben Länder mit den grössten Militärausgaben zusammen. Die USA betreiben weltweit über 800 ausländische militärische Stützpunkte. Russland 20, China 1.
China plant fünf weitere Militärbasen, welche die USA zu verhindern suchen.
Der CO2-Ausstoss des Militärs wird bei der CO2-Bilanzierung ausgeklammert
Bei der Klimakonferenz Kyoto 1997 haben die USA durchgesetzt, dass der militärische Komplex bei der CO2-Bilanzierung unberücksichtigt bleibt.
Die Forschung ist somit auf Schätzungen angewiesen, um den CO2-Ausstoss des Betriebs des Militärapparats, der Rüstungsindustrie und der realen Kriegsereignisse. Die Schätzungen schwanken zwischen 5 und 10 Prozent der weltweiten CO2-Bilanz.
Die gegenwärtige, weltweite Rüstungsspirale und die zunehmenden militärischen Konflikte dürften diese Prozentwerte deutlich nach oben verschieben. Nach Schätzungen sollen sich die CO2-Emissionen im Jahr 2023 allein für den Militärbetrieb der Nato um 15 Prozent und von Deutschland um 55 Prozent erhöht haben. (Quellen hier und hier und hier und hier.)
Was den Militärbetrieb so teuer und extrem CO2-belastend macht
Ein paar Beispiele:
- Ein Panzer benötigt das 100 fache an Kraftstoff von einem PKW.
- Ein Eurofighter kostet pro Flugstunde so viel wie die durchschnittliche Lebenshaltung bei uns pro Jahr.
- 10 Tornado-Flugstunden emittieren so viel CO2 wie ein Auto in seiner gesamten Laufzeit.
Der Unterhalt der weit über 800 Militärbasen durch die USA im Ausland und der riesigen Flugzeugträgerflotte sowie die wachsende Zahl Manöver usw. sind extrem aufwändig und umweltbelastend.
Neben Militärbetrieb, Rüstungsindustrie und den eskalierenden Kriegen gibt es eine Reihe zusätzlicher Faktoren im Rahmen der Militarisierung, welche die Klimabilanz negativ beeinflussen:
- die CO2-Bilanz für das «Kriegstüchtigmachen ziviler Infrastrukturen» (Bunker, Zivilschutz…);
- die CO2-Bilanz von nicht allein militärisch verwendbaren Zulieferteilen und -materialien für die Rüstungsindustrie;
- die CO2-Belastung für den Wiederaufbau durch Kriege zerstörte Infrastrukturen und Landschaften. Das geschätzte Wiederaufbauvolumen für die gesamte Ukraine (einschliesslich Donbas und Luhansk) soll zum aktuellen Zeitpunkt rund 900 Milliarden Euro betragen;
- die CO2-Bilanz für internationale Kollateralschäden wie Störungen der Versorgungssicherheit. Der Aufbau der neuen LNG-Infrastruktur (Flüssiggas) in Deutschland erzeugt grosse Mengen an CO2-Emissionen. LNG selbst ist um 30 bis 50 Prozent klimaschädlicher als Pipelinegas. Die Emissionen für aktuell notwendige Umleitungen von Flug- und Warenverkehr wegen Flugverbotszonen und Gefährdung von Schiffsrouten steigen um rund 30 Prozent.
Man muss annehmen, dass die CO2-Bilanz all dieser indirekten Aufwendungen und Folgen des Militarisierungskurses mindestens noch mal so hoch ist wie die geschätzte Summe des direkten Militärbetriebs, der Rüstung und der Kriegen selbst. Experten erwarten, dass die aktuellen Kriege in der Ukraine und Nahost diese CO2-Bilanzen noch deutlicher in die Höhe treiben.
Eine konfrontative Politik mit Kriegen ist nicht kompatibel mit der Eindämmung der Klimaerwärmung.
Klimakrise und Kriege verstärken sich gegenseitig
Die weltweiten Bestrebungen zur «militärischen Sicherheit» verbrauchen zudem riesige Mengen an monetären, intellektuellen und natürlichen Ressourcen, die dringend zum Klimaschutz wie zur Schaffung sozialer Gerechtigkeit und damit zum Aufbau der Internationalen ökologischen wie sozialen Sicherheit benötigt werden.
Wer die Klimakrise nicht bekämpft, nimmt ein unendliches Leid in Kauf, welches das Leid vieler Kriege übersteigt. Dieses Leid wiederum schürt die Konflikte. Die Klimakrise wird damit zu einem Hauptbrandbeschleuniger von Kriegen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Dass in einer Welt, in der angeblich die Klimafrage eine der wichtigsten überhaupt sei, die CO2-Bürde von Rohstoffgewinnung und -verbrauch für Aufrüstung und auch Kriege nicht zur CO»-Bilanz dazugezählt werden, ist bereits ein offensichtlich skandalöser Widerspruch in der allgemeinen Geopolitik und Berichterstattung. Danke Infosperber.
Ein mindestens ebenso grosser und bisher kaum thematisierter Widerspruch liegt darin, dass die von oben verordnete Digitalisierung und vor allem die exponentiell wachsende KI einen gigantischen Stromverbrauch hat, so dass ein globaler Wettlauf um die Energiereserven entbrannt ist, sowohl fossil, als auch alternativ und neuerdings mit voller Wucht auch wieder atomar. Neuerdings will sogar Big Finance wieder ins Atomgeschäft einsteigen und dies unter dem bekannten Motto «Gewinne für die Privatindustrie (Banken/Konzerne) – Schulden, Verluste, Garantien für die Allgemeinheit.
Wurde das demokratisch diskutiert und so für gut befunden?
Dient es uns Menschen?
Ein ausgezeichneter Artikel! Er zeigt eindrücklich auf, wie wichtig es ist, die wesentlichen Zusammenhänge aufzuzeigen und Ursachen und Wirkung genau zu beleuchten. Das ist in der heutigen Mainstream-Medienwelt leider immer weniger Fall.
Stefan Eckhardt, Baar
zit.(«Wer Krieg und Aufrüsten nicht bekämpft, kann Klima nicht retten»). Dem ist nichts hinzuzufügen. Die angegebenen Abschätzungen nehme ich als plausibel an ohne sie kritisch zu hinterfragen. Aber folgenden Hinweis halte ich für notwendig : Der Autor kommt aus dem gewerkschaftlichen Bereich.
Alle Kriege sind nicht ohne Produktion der entsprechenden Materialien möglich.Diese Produktion wird von Beschäftigten durchgeführt. Die Gewerkschaften – weltweit – hätten also die Möglichkeit, hier den Hebel anzusetzen. Sie haben sich aber seit langem nur als «Lohnverhandler» gesehen und dabei ihre politische Aufgabe – die sie ohne Zweifel haben und haben müssen – venachlässigt. Offenbar fehlt es ihnen an der Überzeugungskraft gegenüber den Mitgliedern und politischem Mut, die notwendigen Schritte zu tun – falls nicht noch andere Abhängigkeiten eine Rolle spielen. Ich sehe hier eine Chance, den Wahnsinn zu stoppen – und um ehrlich zu sein, die einzige Chance.
In der Aufzählung fehlen wohl noch die Emissionen durch in die Luft gesprengte Treibstoff- und Munitionslager. Auch werden wohl einige Waldbrände aus kriegerischen Handlungen zurück zu führen sein.
Sonst ein sehr guter Beitrag welcher endlich einmal das Tabu Thema Klimaauswirkung durch Kriege anspricht.
Für mich ein schlagender Beweis, dass die sog. Eliten den CO2-Fetisch selber nicht ernst nehmen; geht es nämlich um die Wurst, ist das alles völlig egal. Solange der CO2-Fetisch für Schlagzeilen, Zertifikate-Deals und zum sonstigen Geldverdienen taugt, wird die Öffentlichkeit mit immer neuen Horrormeldungen übers Klima kirre gemacht. Geht es aber um die knallharte Geopolitik, bei der ein Jet schon bei Starten den Jahrestreibstoffverbrauch eines Kleinwagens rausballert, spielt das alles keine Rolle und wird nie eine spielen. Über den Ausstoß von giftigen Partikeln, Chemikalien und Feinstaub bei Explosionen von Munitionslagern, Fabriken, Raffinerien, Schiffen, Containerlagern usw. wird ja gar nicht erst debattiert; hier muss man sich schon in die Militärmedizin einlesen, die solche Auswirkungen wegen den Schutzes der eigenen Soldaten sehr genau untersucht hat. Es ist schon Ironie des Schicksals, wenn die einstige Umweltschutzpartei der GRÜNEN am meisten für Krieg plädiert.