«Warum ich Trump gewählt habe – und es bereue»
Die gegenwärtige US-Regierung sei inkompetent und wenig vertrauenswürdig, ohne Plan und gefesselt durch ideologische Grabenkämpfe. Eine politische Agenda sei nicht vorhanden, der Präsident eine Schande für sein Amt. Julius Krein, der das schreibt, ist kein Demokrat und kein notorischer Trump-Kritiker. Er hat Trump jahrelang kräftig unterstützt.
In Dutzenden Artikeln, Radio- und TV-Auftritten hat sich der Journalist für Trump eingesetzt. Er schrieb einen Pro-Trump-Blog und gründete ein konservatives Medium. In der «New York Times» erklärt er, welch grosse Hoffnungen er in Trumps Präsidentschaft setzte und wie sie enttäuscht wurden.
«Endlich einer, der die wunden Punkte anspricht»
Es hatte hoffnungsvoll begonnen: Erfrischend unideologisch und direkt fand Krein den Präsidentschaftskandidaten. Themen, welche die Vertreter der etablierten Parteien bis dahin umgangen hatten, sprach Trump direkt an:
- Er wagte es, den Konsens von Demokraten und Republikanern über die Freihandelsverträge zu kritisieren;
- Er sprach offen aus, dass die Deindustrialisierung und die Informationsgesellschaft viele Orte in den Ruin stürzen und Arbeitslosigkeit verursachen;
- Er verurteilte die Kriege im Irak sowie in Libyen als Fehler und die angebliche Implementierung von Demokratie als utopische Rhetorik;
- Er prangerte die wachsende Einkommensungleichheit im Land an – was kaum ein Republikaner vor ihm getan hatte. Er kritisierte sogar die eigene Partei und ihre Vertreter. Die Wähler liebten ihn dafür.
- Er empörte sich über Unternehmen, die Arbeitsplätze ins Ausland verschoben hatten;
- Er beklagte die Praxis der Steuervermeidung von Konzernen.
Jemand, der Amerika transformieren kann
Wie viele andere hatte Krein gehofft, dass Trump festgefahrene Positionen in der US-Politik sprengen, gegen das neoliberale Dogma angehen und Ordnung in die Migrationspolitik bringen würde, welche die Reichen bevorzuge. Gut, Trumps Aussagen zur Migrationspolitik seien «unnötig scharf» gewesen, gibt er zu. Seine rassistischen Ausfälle? In der Hitze des Gefechts geäussert.
Ein paar ungebührliche Tweets schienen ihm ein geringer Preis für eine Politik, die das Land vorwärtsbringen würde. Trump würde mit allen Lagern Kompromisse eingehen müssen, sagten sich seine Unterstützer.
Niemand hat einen Modell-Präsidenten erwartet
«Inzwischen ist klar, dass wir uns getäuscht haben», schreibt Krein. Niemand habe einen Modell-Präsidenten erwartet. Aber eben auch keinen, der Rassisten das Wort redet. Hätte Trump nach dem Todesfall von Charlottesville über das allgemeine politische Klima gesprochen, als er «viele Seiten» verantwortlich machte, wäre das für ihn treffend gewesen. Als Entschuldigung für einen Neo-Nazi, der einen Menschen getötet hat, tauge es nicht.
Als moralische Instanz unbrauchbar
Trumps Weigerung, sich sofort und spezifisch von rassistischen Gruppen zu distanzieren, sei «sowohl moralisch abstossend wie unglaublich dumm» gewesen. Als Präsident habe Trump an diesem Punkt versagt. Trump bestätige mit diesem Verhalten seine schärfsten Kritiker. Statt eine Vision nationaler Einheit zu erschaffen, fördere seine Zweideutigkeit die zersetzenden Kräfte im Land.
Eine Regierung, die keinen Plan und keinen Erfolg hat
Was das Tagesgeschäft angehe, sei die Regierung Trump eine Enttäuschung. Die bisherigen Erfolge in der Legislative seien bescheiden und es gebe keinen erkennbaren Plan für eine Verbesserung. Von den transformativen «Deals», die Trump angekündigt hatte, keine Spur. Wichtige Themen wie eine Umgestaltung der Wirtschaftspolitik, Infrastrukturfragen oder eine Steuerreform seien zurückgestellt worden, Vorschläge fänden kein Gehör. Stattdessen endete der Angriff auf Obamacare mit einer peinlichen Niederlage.
Chaos im Weissen Haus…
Im Weissen Haus herrsche Chaos. Trump habe einige wichtige Positionen in seiner Administration noch immer nicht besetzt. Zu viele, die ein Amt innehätten, seien «kleinkarierte, ahnungslose, abstossende Ideologen», die die Zeit damit verbrächten, sich gegenseitig «Sumpfkreaturen» zu nennen. Viele Mitarbeiter hätten sich entschieden, Trump schlicht zu ignorieren. Sein Verhalten werde fähige Leute davon abhalten, mit ihm zu arbeiten.
Nur in der Aussenpolitik sei noch nichts Katastrophales passiert. Bis jetzt. Die Aussichten darauf, dass es so bleibt, schätzt Krein nicht gut ein. Das Gebaren der US-Regierung sei wenig vertrauenserweckend.
…und die Aufmerksamkeit der Medien
Trumps einziges Talent scheine es zu sein, die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen. «Ich kann diese beschämende Regierung nicht länger unterstützen», schreibt er. «Leute wie ich haben Trump schon zu oft verziehen.»
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Diesen Beitrag hat Daniela Gschweng aufgrund eines Berichts in der «New York Times» erstellt.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine
Peinlich, wie sich da einer aus der Verantwortung ziehen will. Wie naiv war der denn? Respektive wie realitätsfremd? Zu hoffen, dass Trump den Reichtum umverteilen werde? Zu hoffen, dass Trump etwas für die «kleinen Leute» machen würde? Wenn Dummheit schmerzen würde, so sagte man früher, würde Herr Krein laut schreien….