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Das Abkommen soll den Handel mit Kampfpanzern und anderen Grosswaffensystemen einschränken © Commondreams/cc

Waffenhandel: EU-Länder gegen Transparenz

Andreas Zumach /  Erste Konferenz zum Waffenhandelsvertrag kann sich nicht auf uneingeschränkte Offenlegung aller Rüstungslieferungen einigen.

Die erste Vertragsstaatenkonferenz zum «Abkommen über den Waffenhandel» (Arms Trade Treaty, ATT) im mexikanischen Cancún hat sich nicht auf uneingeschränkte Transparenz bei Rüstungslieferungen einigen können. Der Hauptwiderstand gegen die Vereinbarung entsprechender verbindlicher Regeln kam von Deutschland und anderen Rüstungsexporteuren aus der EU.

Der bislang von 130 Staaten unterzeichnete ATT war nach über sechsjährigen Verhandlungen im April 2013 von der UNO-Generalversammlung mit Dreiviertelmehrheit verabschiedet worden. Er trat im Dezember 2014 nach der erforderlichen Ratifikation durch 50 Länder (inzwischen 72) in Kraft. Das Abkommen sieht Einschränkungen vor für den Handel mit sieben Grosswaffensystemen (Kampfpanzer und gepanzerte Fahrzeuge, schwere Artilleriegeschütze, Kampfflugzeuge und Kampfhubschrauber, Kriegsschiffe, Raketen beziehungsweise Raketenwerfer).
Das Abkommen gilt auch für Kleinwaffen, wenn die Gefahr besteht, dass diese Rüstungsgüter im vorgesehenen Empfängerland für Kriegsverbrechen, Völkermord und andere schwere Menschenrechtsverstösse verwendet werden. Handelseinschränkungen gelten auch bei der Gefahr, dass die gelieferten Waffen «Frieden und Sicherheit» im Empfängerland oder in der Region gefährden, oder für «geschlechtsspezifische Gewalttaten», Terrorakte oder zu «Zwecken organisierter Kriminalität» eingesetzt werden.

Ohne Transparenz geht es nicht

Voraussetzung zur Umsetzung dieser Bestimmungen wäre die lückenlose Offenlegung aller (geplanten) Rüstungsexporte und -importe durch alle Vertragsstaaten. Da darüber bei den Verhandlungen über den ATT-Vertragstext keine Einigung erzielt werden konnte, wurde diese Frage zusammen mit einigen weiteren noch offenen Umsetzungsbestimmungen auf die erste Vertragsstaatenkonferenz in Cancún verschoben.
Mexiko als Gastgeber sowie «Control Arms», eine internationale Koalition von Nichtregierungsorganisationen aus über 120 Ländern, forderten, dass die Regierungen alle relevanten Daten von Rüstungslieferungen in jährlichen Berichten offenlegen müssen. Und zwar nicht nur gegenüber dem bereits bestehenden, bislang aber auf freiwillige Berichte der Staaten angewiesene UN-Waffenregister in New York, sondern auch gegenüber den nationalen Parlamenten und der Öffentlichkeit.
Diese Forderung wurde von Deutschland und anderen Staaten abgelehnt. Nach dem Scheitern dieser Forderung in Cancún soll nun bei weiteren Verhandlungen zwischen den Vertragsstaaten bis spätestens Ende Mai 2016 eine Einigung erzielt werden. Bis dahin müssen die Vertragsstaaten ihren ersten Bericht zur Umsetzung des ATT vorlegen. «Ziel ist die Vereinbarung einer für jeden Vertragsstaat unterschiedlosen Berichtspflicht», erklärte der Präsident der Vertragsstaatenkonferenz, Jorge Lomonaco, Mexikos UNO-Botschafter in Genf. Die Direktorin von Control Arms, Anna Macdonald betonte, die Pflicht zur Offenlegung der Berichte sei «unverzichtbar für einen effektiven Waffenhandelsvertrag. Sollten einige Staaten bei ihrer Weigerung zur Offenlegung bleiben, wäre der Vertrag wertlos».

Als zufriedenstellend begrüsste Macdonald die Entscheidungen der Vertragsstaatenkonferenz zur weiteren Beteiligung von NGOs sowie zur Finanzierung des künftigen ATT-Sekretariats in Genf, das die Umsetzung des Vertrages überwachen soll. In Cancún wurde beschlossen, dass künftige Entscheidungen nicht mehr wie bislang im Konsens getroffen werden müssen – wobei jedes Land ein Veto hätte –, sondern dass bei inhaltlichen Fragen eine Zweidrittelmehrheit und bei prozeduralen Abstimmungen die einfache Mehrheit ausreichend sind.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. – Andreas Zumach ist spezialisiert auf Völkerrecht, Menschenrechtspolitik, Sicherheitspolitik, Rüstungskontrolle und internationale Organisationen. Er arbeitet am europäischen Hauptsitz der Uno in Genf als Korrespondent für Printmedien, wie beispielsweise die tageszeitung (taz), Die Presse (Wien), die WoZ und das St. Galler Tagblatt, sowie für deutschsprachige Radiostationen und das Schweizer Fernsehen SRF. Bekannt wurde Zumach 2003 als Kritiker des dritten Golfkrieges. Im Jahr 2009 wurde ihm der Göttinger Friedenspreis verliehen.

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2 Meinungen

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 2.09.2015 um 11:03 Uhr
    Permalink

    Der Nachweis, dass auch nur ein einziger Afrikaflüchtlingsmigrant weniger nach Europa kommt, wenn die Schweiz vollständig auf Waffenausfuhr verzichtet, wird nie zu erbringen sein. Die Wahrscheinlichkeit nähert sich dem Grenzwert Null. Trotzdem war es mutmasslich falsch, dass ein Nationalratspräsident einer mir nahestehenden Christlichen Partei beim Stichentscheid in dieser Frage eine Entscheidung fällte, an der die Partei mutmasslich im kommenden Herbst zu kauen haben wird. Es bleibt wohl offensichtlich, dass die Waffenausfuhrdiskussion rein symbolpolitisch und bewusstseinsbildend wirkt und an den realen Kausalitäten dessen, was gegenwärtig passiert, wohl nichts ändert.

  • am 5.09.2015 um 16:48 Uhr
    Permalink

    @Pirmin. Vielleicht geht es nicht darum sondern um eine Grundhaltung: Wenn die andern, dann ich auch..
    oder: Profit entschuldigt alles, frei noch immer nach Brecht: erst kommt das Fressen, dann die Moral. Es ist doch unbestritten, dass mit Waffen Menschen getötet werden, das ist deren Bestimmung. Wie weit sollen wir denn wirklich dazu beitragen? und uns gleichzeitig über Gewalt und Kriegen in der Welt beklagen? Christliche Doppelmoral?

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