Waffen liefern ist kontraproduktiv
Es dürfte heftig werden, wenn der Deutsche Bundestag am 1. September über Waffenlieferungen ins irakische Krisengebiet debattieren wird. Nach einigem Zögern ist Bundeskanzlerin Angela Merkel bereit, an kurdische Gegner der Terrormiliz «Islamischer Staat» Waffen zu liefern. Die sozialdemokratischen Koalitionspartner stehen offiziell hinter dem Vorhaben, bei den Oppositionsparteien (Grüne und Linkspartei) sind unterschiedliche Stimmen zu hören. Seit Monaten ringt die deutsche Öffentlichkeit mit der Frage, ob sich das Land notfalls vermehrt auch militärisch engagieren sollte. Die Meinungen prallen heftig aufeinander, breite Teile der Bevölkerung lehnen Kriegseinsätze ab, auch innerhalb der Parteien wird die Frage kontrovers diskutiert.
«Militärisch nicht erforderlich»
Nun sind direkte Kriegseinsätze und Waffenlieferungen nicht dasselbe. Doch verschiedene Fachleute beurteilen speziell den Waffenexport-Entscheid der Bundesregierung eher skeptisch. Der Nahost-Experte Michael Lüders kritisierte etwa im deutschen Nachrichtensender n-tv, dass es sich vor allem um «Symbolismus» handle. «Militärisch gesehen sind die Waffenlieferungen aus Deutschland nicht erforderlich», sagte Lüders. «Die Luftangriffe der USA sind sehr viel effizienter.» Sind die geplanten Rüstungsexporte also so etwas wie ein fauler Kompromiss, um den Bündnispartnern zu signalisieren, dass man etwas internimmt? Und soll damit gleichzeitig dem heimischen Publikum mitgeteilt werden, dass man kein direktes militärisches Abenteuer sucht?
«Unzuverlässigstes Instrument»
So ähnlich sieht es jedenfalls Europas grösste Denkfabrik, die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin, ausgerechnet jene einflussreiche Institution also, welche auch die deutsche Regierung berät. Da sich ein direktes militärisches Eingreifen Deutschlands in Krisenregionen innenpolitisch nicht vermitteln lasse, seien «Waffenlieferungen der einfachste Weg, das Dilemma aufzulösen», schreibt SWP-Forscher Marco Overhaus (Link siehe unten). Waffenlieferungen seien «das bei weitem unzuverlässigste Instrument der Sicherheitspolitik.» Nicht nur, weil Waffen mit ziemlicher Regelmässigkeit früher oder später in falsche Hände geraten. Als noch entscheidender beurteilt Overhaus eine zweite Gefahr: Die Waffenlieferanten hätten nämlich «kaum Einfluss auf die Art des Einsatzes der Waffen, also auf taktische und strategische Fragen». Der SWP-Autor plädiert deshalb ganz klar dafür, die massakrierend durchs Land ziehende Terrororganisation durch eine von der Uno mandatierte Staatengruppe militärisch zu bekämpfen.
Debatten über Waffenlieferungen – wohin auch immer – seien Teil eines Trends, «den man als Stellvertreter-Sicherheitspolitik bezeichnen könnte», hält Overhaus fest. Aufgrund innenpolitischer Sachzwänge konzentriere sich westliche Sicherheitspolitik zunehmend auf Ausrüstung und Ausbildung von Sicherheitsakteuren in Drittstaaten. Das aber ist fatal. Denn «Ausbildung und Bewaffnung von Armee und Polizei in einem politischen Vakuum führt meist zu mehr Unsicherheit.» Waffenlieferungen seien keine sinnvolle Weiterentwicklung der deutschen Sicherheits- und Verteidigungspolitik und seien kein «Ausdruck des grösseren deutschen Engagements. Das Gegenteil ist der Fall. Waffenlieferungen sind in den meisten Fällen kontraproduktiv.»
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine