USA trieben Kuba und Iran mit Sanktionen ins feindliche Lager
Die Biden-Administration hat kürzlich zwei düstere Ankündigungen gemacht: Der Iran hilft bei der Herstellung von Drohnen für Russland und China betreibt eine Spionagebasis in Kuba. Washingtons einflussreiches «Center for a New American Security» hat eine neue «Achse der Autoritären» ausgemacht, welche die US-Interessen von Ostasien bis in die Karibik und Osteuropa bis zum Persischen Golf bedrohe. «Amerikas Feinde bündeln ihre Kräfte»: Das sei die klare Botschaft hinter diesen Äusserungen, kommentiert der Politikwissenschaftler Peter Beinart in der «New York Times» vom 3. Juli.
Beinart ist Professor für Journalismus und Politikwissenschaft an der «Newmark School of Journalism» an der «City University of New York».
Mit der «Achse der Autoritären» werde impliziert, dass das, was die Regierungen Russlands, Chinas, Irans und Kubas verbinde, ihre gemeinsame Abneigung gegen die Demokratie sei. Dies bilde ein ansprechendes Narrativ für Washingtons aussenpolitische Zirkel, die Amerikas geopolitische Kämpfe gerne als «Wettstreit zwischen Freiheit und Tyrannei» darstellten.
Ursache und Wirkung werden verwechselt
Es gebe aber ein Problem, moniert Peter Beinart. Noch vor wenigen Jahren hätten die Regierungen Kubas und Irans engere Beziehungen zu Washington angestrebt, obwohl damals beide gleich autoritär regiert wurden wie heute. Sie hätten sich eben nicht aus Hass auf die Demokratie in Richtung Russland und China bewegt, sondern weil die Vereinigten Staaten ihre Annäherungsversuche verschmäht und sie dadurch in die Arme der Feinde getrieben hätten.
Sowohl unter Donald Trump als auch unter Präsident Biden habe Washington dazu beigetragen, genau die antiamerikanischen Partnerschaften zu schaffen, die es jetzt beklage, und genau dasselbe hätten die USA schon während des Kalten Krieges getan.
Wie die Chance Kuba vertan wurde
Als Beispiel für seine These führt Professor Beinart Kuba an. Nach Beendigung des Kalten Krieges habe die dortige Regierung ihr politisches System zwar halten, gleichzeitig aber die Wirtschaft für ausländische Investitionen öffnen wollen. Dies habe bessere Beziehungen zu Washington erfordert, um die US-Sanktionen zu beenden, die Kubas Tourismus- und Handelsbereich blockierten und auch europäische Unternehmen abschreckten.
William LeoGrande, ein Lateinamerika-Experte an der American University, habe es so ausgedrückt: «Die kubanische Wirtschaftsstrategie der letzten zwei Jahrzehnte beruhte auf der langfristigen Erwartung, dass sich die Beziehungen zu den USA verbessern würden.»
Im Jahr 2014 schien sich diese Erwartung zu erfüllen. Die Obama-Regierung verkündete ein Ende der jahrzehntelangen Feindschaft der USA mit der kubanischen Regierung. Gewichtige US-Vertreter besuchten Havanna. Ein Kuba-Experte der Universität von Miami, Michael J. Bustamante, stellte damals fest: «Die amerikanische Flagge ist sogar zum stilvollsten nationalen Standard geworden und erscheint auf den T-Shirts, Strumpfhosen und Tanktops der Kubaner.»
Doch dann zog Donald Trump ins Weisse Haus ein – und alles sei zusammengebrochen, schreibt Beinart. 2019 habe er gegen Kuba die härtesten Wirtschaftssanktionen seit mehr als einem halben Jahrhundert verhängt. Einen Monat später habe Kuba mit der Rationierung von Seife, Eiern, Reis und Bohnen beginnen müssen.
Etwa zur gleichen Zeit sei Chinas Überwachungsnetz auf der Insel einer bedeutenden Aufrüstung unterzogen worden (was allerdings von Kuba wie von China dementiert wird). Beinart zitiert Evan Ellis, einen Lateinamerika-Analysten am U.S. Army War College: «Der Deal ist im Grunde chinesisches Pay-to-Play, China gibt Kuba Geld, das es dringend braucht, und China erhält Zugang zur Abhöranlage».
Im vergangenen Herbst habe sich China bereit erklärt, die Schulden Kubas umzustrukturieren und der Insel 100 Millionen Dollar zu spenden. Ein wichtiger Grund, warum Kuba Pekings Geld immer noch brauche, sei, dass die Biden-Regierung wichtige Trump-Sanktionen beibehalten habe, analysiert Beinart.
Wie der Iran zu Russland gedrängt wurde
Ein ähnliches Muster präge die Beziehungen zwischen den USA und dem Iran, schreibt Beinart. Als die beiden Länder 2015 das Atomabkommen unterzeichneten, nannte es der damalige iranische Aussenminister Mohammad Javad Zarif «keine Obergrenze, sondern ein solides Fundament. Darauf müssen wir jetzt aufbauen.» Die iranische Führung habe gehofft, wie auch die kubanische, dass bessere Beziehungen zu den Vereinigten Staaten westliche Investitionen ankurbeln würden. Zarif und Präsident Hassan Rohani hätten darauf gesetzt, dass eine stärkere Wirtschaft die regionale Position des Iran stärken und die Unzufriedenheit der Bevölkerung entschärfen würde, um so das despotische politische System des Landes zu festigen.
Dies habe nicht geklappt, weil Donald Trump das Atomabkommen aufgekündigt und wieder harte Sanktionen verhängt habe. Anstatt dem Abkommen wieder beizutreten, habe auch die Biden-Regierung zusätzliche Forderungen gestellt, die dazu beigetragen hätten, alle Bemühungen um eine Wiederbelebung des Abkommens zu vereiteln.
Als Irans Aussichten auf substanzielle Investitionen der USA und Europas verschwanden, sei auch Washingtons Einfluss auf die Beziehungen des Iran zu Moskau geschwunden. Angesichts dieser Entwicklungen habe der Iran nun wenig zu verlieren, wenn er das entwickle, was ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats kürzlich als «umfassende Verteidigungspartnerschaft» mit Russland bezeichnet habe.
Die US-Politik des Vergraulens hat Tradition
Es sei nicht das erste Mal, dass die Vereinigten Staaten kleinere Nationen in die Arme ihrer Supermachtgegner treiben würden. Dies sei auch während des Kalten Krieges geschehen. Beinart verweist auf das Buch «Embers of War» von Fredrik Logevall, wonach Ho Chi Minh, der vietnamesische Nationalistenführer, bis in die späten 1940er Jahre geglaubt habe, die Vereinigten Staaten könnten «der Verfechter seiner Sache» der Unabhängigkeit von Frankreich sein. Während des Zweiten Weltkriegs habe Minhs Rebellenarmee, die Viet Minh, im Kampf gegen Japan mit dem «Office of Strategic Services», dem Vorläufer der CIA, zusammengearbeitet.
Doch als die Spannungen im Kalten Krieg zunahmen, habe die Truman-Regierung ihre Asien-Experten ignoriert. Diese hätten die Viet Minh eher als nationalistische denn als kommunistische Bewegung betrachtet. Dessen ungeachtet hätten die USA die französischen Bestrebungen unterstützt, ihr Imperium zu erhalten. Erst darauf hin, um 1950, hätten die Viet Minh Waffen aus dem kommunistischen China besorgt.
Ein Jahrzehnt später hätten die USA etwas Ähnliches in Kuba getan, fährt Beinart mit seiner historischen Analyse fort. Nach seiner Machtübernahme Anfang 1959 habe sich Fidel Castro daran gemacht, den Reichtum umzuverteilen und das historisch unterwürfige Verhältnis der Insel zu Washington zu revidieren. Doch trotz Castros linker Neigungen, so William LeoGrande und Peter Kornbluh in ihrem Buch «Back Channel to Cuba», habe er «in seinem ersten Jahr an der Macht keine besondere Affinität zur Sowjetunion» gezeigt.
Erst als die Eisenhower-Regierung Castros Sturz plante, nachdem dieser grosse Plantagen im Besitz von US-Unternehmen verstaatlicht hatte, sei Havanna von Moskau abhängig geworden, wenn es um wirtschaftliche und militärische Hilfe ging. Die Feindseligkeit der USA, so habe der sowjetische Führer Nikita Chruschtschow damals bemerkt, dränge Kuba in Richtung UdSSR «wie eine Eisenfeile an einen Magneten».
Die US-Aussenpolitik stärkt letztlich den Feind
«Der Kalte Krieg sollte uns daran erinnern, dass Länder mit ähnlichen politischen Systemen nicht unbedingt Verbündete sind», schreibt Beinart. Während des Kalten Krieges hätten viele US-Politiker bezweifelt, dass kommunistische Regierungen von der UdSSR unabhängig bleiben könnten. Aber genau das sei in Jugoslawien geschehen, wo Josip Broz Tito sich 1948 von der Sowjetunion trennte und später die Hilfe der USA begrüsste. In den 1960er habe Tito die Sowjetunion und China sogar zu Gegnern erklärt.
Die wachsenden Sicherheits- und Militärbeziehungen zwischen Havanna und Peking oder Teheran und Moskau seien nicht ideologisch vorbestimmt, bilanziert Beinart. Sie seien zum grossen Teil auf die Bestrebungen Washingtons zurückzuführen, Kuba und den Iran «auszuhungern», anstatt gangbare Arbeitsbeziehungen zu Regimen aufzubauen, deren politische Systeme und aussenpolitische Orientierungen den USA nicht gefielen.
Beinart kritisiert abschliessend: «Die Falken in Washington sagen, dass die Vereinigten Staaten die breit angelegten Sanktionen gegen den Iran und Kuba nicht aufheben können, weil die beiden Länder mit Amerikas Feinden zusammenarbeiten. Doch das hätten die Falken in Washington bedenken sollen, bevor sie diese Länder zur Zusammenarbeit mit den Feinden gedrängt haben.»
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Die USA boykottieren Kuba und mischen sich seit Jahren in der Ukraine, einem Grenzstaat von Russland, seit Jahren massiv ein. Europa akzeptiert das kritiklos, eine unerträglich absurde Welt,
wirklich sehr zutreffend formuliert: «unerträglich absurd» – und das betrifft ja nicht einmal nur den hier thematisierten Kontext.
Kuba wird schon seit den 1960er Jahren von den USA boykottiert, Iran schon seit 1979. Nord-Korea schon seit 1953. Mit Diktatur oder Kommunismus hat das alles nichts zu tun, denn die USA arbeiten mit vielen Diktaturen und dem kommunistischen China hervorragend zusammen. Der eigentliche Grund liegt darin, dass die US-Kultur und deren Elite, ein Feindbild brauchen. Der ‹existenzbedrohliche› Feind ist notwendig, um die im Grunde menschenverachtende Machtpolitik eines Teils der US-Elite zu rechtfertigen – in erster Linie sich selbst gegenüber. Gegen einen Feind, der deine Existenz bedroht, muss man sich nicht in ein moralisch ethische Korsett zwängen lassen oder sich an Gesetze halten, man kann lügen, betrügen, stehlen und morden – alles mit dem Hinweis, sich vor diesem Feind schützen zu müssen. Meist ist dieser Feind nicht wirklich da, sondern wird medial und propagandistisch aufgebaut, und die, die sich nicht entwerfen, werden beseitigt.
Sanktionen sind dabei nur ein Mittel zum Zweck.
Ich empfehle den Film «Wag the Dog» anzuschauen. Wirklich ein hervorrangender Satire-Film über amerkanische Politik mit hochkarätiger Besetzung (Robert de Niro, Dustin Hoffman, Woody Harrelson, Anne Heche).
Mir ist immer noch nicht klar, weswegen dieser Film hier kaum bekannt ist.
Der US-Professor kritisiert – sicher zu Recht – die Bordkapelle, während das Schiff bereits im Sinken begriffen ist.
Basis aller Überlegungen von Herrn Beinart scheint altes, für die Welt nicht förderliches Blockdenken aus dem letzten Jahrhundert zu sein, Denken in Freund-Feind-Kategorien. Anstatt den unerträglichen Hegemonieanspruch und die Hybris der allermeisten (und natürlich auch der aktuellen) US-Regierungen, die damit verbundene Repression, Leid, Gewalt und Abermillionen Toten in Frage zu stellen, werden nur strategische Entscheidungen dieser Politik kritisiert.
Welchen Wert haben diese Überlegungen für die heutige Welt?
Gut, dass diese Ära zu Ende zu gehen scheint. Weniger gut ist, dass offensichtlich auch viele Intellektuelle immer noch in dieser überkommenen Denkweise verharren anstatt sich endlich mit den dringlichen Herausforderungen auf unserer Erde zu befassen – überwiegend menschengemachte globale Herausforderungen, die nur GEMEINSAM bewältigt werden können!