Protest Tbilisi

Proteste in der georgischen Hauptstadt Tiflis gegen das «Foreign-Agent»-Gesetz © WION

USA registrieren Medien und Anwälte als «ausländische Agenten»

Urs P. Gasche /  Medien kritisieren das «Agentengesetz» in Georgien. Es folge einem russischen Vorbild. Doch in den USA gibt es das schon lange.

Das georgische Parlament hat ein umstrittenes Gesetz namens «Transparenz ausländischen Einflusses» verabschiedet, wonach NGOs als Agenten ausländischen Einflusses bezeichnet werden, wenn mehr als ein Fünftel ihrer Einnahmen aus dem Ausland stammen. Einige nichtkommerzielle Organisationen haben bisher ihre Gelder aus dem Ausland nicht transparent deklariert.

Regierungsorgane, Geheimdienste, Think-Tanks und Stiftungen finanzieren regelmässig befreundete NGOs, Think-Tanks oder Stiftungen im Ausland, um dort auf Gesellschaft und Politik Einfluss zu nehmen. Es ist deshalb auch nicht ungewöhnlich, dass ein Staat versucht, ausländische Gelder wenigstens transparent zu machen.

Warum ein solches Gesetz in Georgien einem Beitritt zur EU hinderlich sein soll, wie es die NZZ schreibt, ist schwer nachvollziehbar. Ebenso wenig, warum die EU wegen dieses Gesetzes «in eine missliche Lage» geraten soll, wie Tamedia-Zeitungen titeln.

Gegen Transparenz sollte in einer Demokratie nichts einzuwenden sein. Offiziell haben Organisationen, die vom Ausland mitfinanziert werden, oft das Ziel, Demokratie, Menschenrechte, Soziales, Kulturelles oder die Umwelt zu fördern. Problematisch wird es erst, wenn solche ausländisch finanzierte Organisationen in ihren Tätigkeiten willkürlich behindert oder verboten werden.

Allerdings wurden NGOs manchmal vom Ausland unterstützt, um die Opposition in einem Land zu stärken mit dem Ziel eines Regime-Wechsels. Es geht dann um Subversions- und Destabilisierungsaktionen oder auch um Spionage.


Vorbild USA

In den USA ist ein «Agentengesetz» schon lange in Kraft. Das Gesetz über ausländische Agentenregistrierung (Foreign Agents Registration Act, FARA) schreibt eine Meldepflicht vor. Wenn eine Organisation als «ausländische Agentin» im Sinne von FARA betrachtet wird, muss sie sich registrieren lassen und regelmässige Berichte über ihre Aktivitäten und Finanzierungen vorlegen. Dies dient der Transparenz und der Vermeidung von unlauteren Einflussnahmen aus dem Ausland.

Das US-Gesetz definiert «ausländische Agenten» als Einzelpersonen oder Einrichtungen, die in den USA Lobbyarbeit oder Interessenvertretung für ausländische Regierungen, Organisationen oder Personen («ausländische Auftraggeber») betreiben. Sie müssen sich beim Justizministerium (DOJ) registrieren lassen und ihre Beziehungen, Aktivitäten und damit verbundenen finanziellen Vergütungen offenlegen. Damit soll Transparenz hergestellt werden über die ausländische Einflussnahme auf die öffentliche Meinung, die Politik und die Gesetze der USA. Seit 2016 ist die Zahl der Registrierungen um 30 Prozent gestiegen. Im November 2022 waren über 500 aktive «ausländische Agenten» bei der FARA-Einheit registriert.

Organisationen wie NGOs können sich selber registrieren lassen. 

Die US-Regierung kann nicht registrierte Organisationen überwachen und prüfen, ob ihre Aktivitäten möglicherweise den Anforderungen von FARA unterliegen. Die Regierung entscheidet aufgrund von öffentlichen Berichten, Überprüfung von Finanzunterlagen und gegebenenfalls durch Untersuchungen.

Die in den USA registrierten «ausländischen Agenten» kann man auf der Webseite des Justizdepartements suchen. «The Nation» stellte im April 2023 fest: «Das Justizministerium wird sich in den nächsten Jahren wahrscheinlich immer häufiger auf das FARA und die Vorschriften für ausländische Agenten berufen, insbesondere um Antikriegsaktivisten und Bewegungen, welche die Aussenpolitik der USA kritisieren, ins Visier zu nehmen.»

Hier einige Beispiele «ausländischer Agenten» in den USA:

Verschiedene ausländische Medienunternehmen:
CGTN America, China Daily, China Global Television Network, RT (TV network), Sing Tao Daily, Xinhua News Agency.

Internationale Anwaltskanzlei DLA Piper):
DLA Piper ist in 40 Ländern aktiv und macht einen Umsatz von fast vier Milliarden Dollar.

Searby PLLC:
Anwaltskanzlei in Washington, die unter anderem Aufträge vom WWF Grossbritannien hat.

________________
Siehe auch:

Nick Robinson, 2020:
Foreign Agents in an Interconnected World: FARA and the Weaponization of Transparency 


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

Kalter_Krieg

Der Kalte Krieg bricht wieder aus

Die Grossmächte setzen bei ihrer Machtpolitik vermehrt wieder aufs Militär und gegenseitige Verleumdungen.

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8 Meinungen

  • am 17.05.2024 um 12:21 Uhr
    Permalink

    Ohne transparente objektive Berichterstattung ist Demokratie auch in der Schweiz nur eine Farce. Ich bedanke mich bei Infosperber für die regelmässige Publikation von aufschlussreichen Artikeln wie der vorliegende von Hr. Gasche.

  • am 17.05.2024 um 14:09 Uhr
    Permalink

    Die Anwendung und vor allem die Symbolik sowie Auswirkungen bezüglich den Situationen in Georgien und den USA dürften sehr verschieden sein.

    • am 18.05.2024 um 20:13 Uhr
      Permalink

      Wie kommen Sie darauf, dass dieses Gesetz in den USA anders wirkt wie in Georgien? klingt doch sehr stark nach der leider sehr verbreiteten westlichen Doppelmoral. Dabei könnte man einfach anerkennen, dass Georgien ausländische Einmischungen in ihre Politik satt haben und unterbinden wollen. Gerade weil USA und EU über analoge Gesetze verfügen, ist die Aussage, ein solches Gesetz in Georgien würde eine Annäherung an den Westen verhindern, ziemlich entlarvend.

      • am 19.05.2024 um 11:30 Uhr
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        Die Unterschiede sieht man im Artikel. Die Beispiele in den USA sind hauptsächlich wenige chinesische Medien und das russische RT. Da dürften die wenigsten Amerikaner, selbst Trumpisten, etwas gegen deren Registrierung haben, besonders da die US-Verfassung ja sehr breite Redefreiheit garantiert, sie also nicht mundtot gemacht werden. In Georgien protestieren Zehntausende (Bild), weil sie vom Gesetz Auswirkungen wie in Russland erwarten, wo es keine freie Medien mehr gibt, und überhaupt eine Annäherung befürchten zu Russland, statt zu Europa, wie sich diese wünschen.

  • am 17.05.2024 um 17:07 Uhr
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    Das amerikanische Gesetz war die Vorlage fürs russische Agentengesetz zum Schutz vor ausländischer Einmischung in interne Angelegenheiten.
    Das perfide an diesem Thema ist, dass die EU sturm läuft gegen das georgische Gesetz, selber jedoch ein solches in Vorbereitung ist.
    Siehe Internet, Europäisches Parlament > Desinformation > Einmischung aus dem Ausland: Wie das Parlament die Bedrohung der EU-Demokratie bekämpft, ‹Ausländische Mächte nutzen Desinformation und Cyberangriffe, um die öffentliche Meinung in der EU in ihrem eigenen Interesse zu beeinflussen›
    Dies beantwortet auch die Frage im Artikel: ‹Warum ein solches Gesetz in Georgien einem Beitritt zur EU hinderlich sein soll, wie es die NZZ schreibt, ist schwer nachvollziehbar. Ebenso wenig, warum die EU wegen dieses Gesetzes «in eine missliche Lage» geraten soll, wie Tamedia-Zeitungen titeln.›
    Aw: Weil sich die EU diesbezüglich massiv in die Entscheidung Georgiens einmischt und die aktuellen Proteste steuert.

  • am 18.05.2024 um 01:37 Uhr
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    Sehr interessanter Artikel, vielen Dank! In der Schweiz können wir UNWatch zu diesen einflussreichen NGOs zählen, die unsere Parlamentarier im Israel-Palästina-Konflikt «informieren», oder besser gesagt beeinflussen. Vielleicht sollte unser Land auch etwas mehr Kontrolle über «Ausländische Agenten» ausüben.

  • am 19.05.2024 um 00:50 Uhr
    Permalink

    Lesetipp (mit Google auffindbar): «Der Status von «ausländischen Agenten» in der Russischen Föderation und in den Vereinigenten Staaten von Amerika FARA» (Univeristät Graz).

  • am 19.05.2024 um 07:10 Uhr
    Permalink

    Die Einführung solcher Gesetze sollte zum Standard werden. Sie sorgen für Transparenz und machen die Einflussnahme von ausländischen Kräften auf die Innenpolitik anderer Länder offensichtlich. Man würde im EU Raum so den viel behaupteten «russischen Netzwerken» einen Riegel schieben können, es ist also seltsam, dass es FARAs im EU Raum nicht gibt.
    Beim U.S. Gesetz kann man noch hinzufügen, dass es strikter ist, als das georgische oder russische. Die beiden letzteren sehen bei Zuwiderhandlung keine Gefängnisstrafe vor, die U.S. Version schon, bis zu fünf Jahre, glaube ich. Bei der U.S. Version, die es schon seit 1938 gibt, wurde noch nie eine Gefahr für die Demokratie oder freie Meinungsäusserung behauptet – es ist auch keine festzustellen.

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