Unten vs. oben statt Multikulti-Collage
In der kommenden Woche wird die auf die Clique Trump fixierte US-Berichterstattung sich erstmals seit den Wahlen wieder mit den Verlierern befassen: Die Demokratische Partei wählt einen neuen Parteivorsitzenden. Das gibt Gelegenheit, Namen zu nennen, Köpfe zu zeigen, vielleicht auch «Seilschaften» oder «Machtnetze» zu zeichnen.
Geschenkt. Mit der politisch bedeutsamen Fragestellung hat die Personalie nur beschränkt zu tun. Seit der Niederlage im vergangenen November sucht die auf ihre schwächste Position seit Jahrzehnten reduzierte Partei nach Sinn und Rezept für den Weiterbestand. Vereinfacht gesagt, stehen sich zwei Lager gegenüber. Auf der einen Seite der Ansatz von Obama, den Wahlerfolg durch die Addition von benachteiligten, je einzeln identifizierten Wählersegmenten anzustreben: «die» Frauen, «die» Schwarzen, «die» Spanischstämmigen, «die» sexuell Speziellen («LBGT») etcetera. Der Sammelbegriff heisst «identity politics». Auf der anderen Seite der «Populismus» à la Sanders, der das Hauptgewicht auf den Unterschied von oben und unten legt: die wenigen, immer Reicheren und Privilegierteren, gegen die wachsende Masse von weniger Bemittelten und Habenichtsen. Klassenkampf.
Obamiker gegen Sanderisten – die Fronten sind abgesteckt, aber in den Medien ist keine grosse Lust festzustellen, über die Auseinandersetzung zu berichten. Auch sie hat der Wahlausgang contrepied erwischt. Zudem ist die Vorstellung, Politik entlang des Unterschieds zwischen oben und unten zu betreiben, dem medialen «mainstream» eher fremd. Den offensiven Part spielen die Sanderisten, die seit der Niederlage sozusagen im Ballbesitz sind. Denn die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass der Sozialist Bernie Sanders die Wahl gewonnen hätte, wenn er anstelle der intern durchgewuchteten Kandidatin Clinton nominiert worden wäre: Wie Trump sprach er über die Nachteile von Freihandel und Globalisierung, aber anders als Trump ohne Fremdenhass und Verachtung der Schwachen.
Seit der Niederlage hämmert Sanders seiner Partei ein, die Machtfrage an der ökonomischen Front zu stellen und den grossen Wirtschaftsinteressen entgegenzutreten. «Es reicht nicht, dass jemand sagt «wähl mich ich bin eine Frau» – was wir brauchen, ist eine Frau, die den Mumm hat, gegen Wall Street, gegen die Versicherungsgesellschaften, gegen die Pharmakonzerne, gegen die Oel- und Kohleindustrie aufzustehen», sagte Sanders drei Wochen nach der Wahl an einer Versammlung in Kalifornien.
Wie Trump zeichnet Sanders weiterhin ein düsteres Bild der amerikanischen Wirklichkeit: «Zuviele Amerikaner wurden in den vergangenen dreissig Jahren von ihren Konzernbossen hintergangen», schrieb er in einem programmatischen Nachwahl-Artikel in der New York Times. «Sie arbeiten länger für kleinere Löhne, während sie zusehen, wie die anständig bezahlten Jobs nach China, Mexiko oder andere Niedriglohnländer wandern. Sie haben es satt, dass ihre Konzernchefs 300 mal mehr verdienen als sie selbst, während 52 Prozent aller neuen Einkommen an das oberste 1 Prozent fliessen. Viele der früher schönen ländlichen Städtchen sind entvölkert, die Läden geschlossen, und die Kinder wandern weg, weil es keine Jobs mehr gibt – derweil Firmen den Wohlstand aus ihren Gemeinwesen saugen und in Offshore-Konten verschieben. Arbeitende Amerikaner können sich keine anständige, gute Krankenversorgung für ihre Kinder leisten. Sie können ihre Kinder nicht auf die Universität schicken, und sie haben nichts in der Bank, wenn sie in Pension gehen. An vielen Orten im Land können sie keine erschwingliche Wohnung finden und die Krankenversicherungen sind zu teuer».
Soweit so schlecht. Wie weiter? «Zurück gehen wir nicht, bei Rassismus, Bigotterie, Xenophobie und Sexismus gibt es keine Kompromisse. Wir werden sie in allen Erscheinungsformen bekämpfen», schrieb Sanders. «Lasst uns unsere zerfallende Infrastruktur wieder aufbauen und so Millionen gutbezahlte Jobs schaffen. Erhöhen wir den Minimallohn auf das Existenzminimum, machen wir für Studenten die Universität erschwinglich, führen wir den bezahlten Eltern- und Krankheitsurlaub ein und weiten wir die Altersrente aus. Reformieren wir ein Wirtschaftssystem, das Milliardären wie Herrn Trump erlaubt, keinen Rappen Steuern zu zahlen. Und das wichtigste: Schieben wir der Möglichkeit einen Riegel, dass wohlhabende Wahlkampfspender Wahlen kaufen können».
Über Gesicht und Rolle der Partei schrieb Sanders: «Die Partei muss sich von ihren Verbindungen zum Establishment der Konzerne lösen und wieder eine grass-roots-Partei der arbeitenden Leute, der Älteren und der Armen werden. Wir müssen dem Idealismus und der Energie der Jungen die Tore der Partei öffnen und allen AmerikanerInnen, die für ökonomische, soziale, rassen- und umweltbezogene Gerechtigkeit kämpfen.»
Parallelen?
Die Demokratische Partei ist im amerikanischen politischen System die Linke, aber die US-Linke ist keine Sozialdemokratie und war es nie. Aber die europäische, sozialdemokratische Linke steht, eine jegliche linke Partei oder Gruppierung nach ihrer eigenen Art, vor ähnlichen Schwierigkeiten wie Sanders sie benennt. Sogar in der Schweiz liessen sich bei den Stichworten Einkommensungleichheit, ländliche Verarmung, Offshore-Steuerflucht oder Prekarisierung der Altersversorgung Parallelen ziehen – ganz zu schweigen von der Aufregung, welche die meisten Medien und sogar Teile der Sozialdemokratischen Partei befällt, wenn ein linker Politiker den Begriff des Klassenkampfes wieder einführt.
Affaire à suivre.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine
"Denn die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass der Sozialist Bernie Sanders die Wahl gewonnen hätte, wenn er anstelle der intern durchgewuchteten Kandidatin Clinton nominiert worden wäre: Wie Trump sprach er über die Nachteile von Freihandel und Globalisierung, aber anders als Trump ohne Fremdenhass und Verachtung der Schwachen. » De Hetti und de Wetti sind zwei Netti…..» Wir können noch lange Vergangenheitsbewältigung anstellen, nun ist Donald Trump Präsident. – Da bleibt wohl genügend Spielraum, ihn immer wieder zu kritisieren. Hätte man dies mit Hillary Clinton oder Bernie Sanders auch getan….?
Sanders wäre ein idealer Präsident in den USA aber zuerst braucht es ein Empeachement von Trump.
Ein Duo Sanders- Trudeau wäre für Nordamerika ideal, und in Europa ein Duo
Hermot-Merkel.Da hätten wir eine fortschrittliche globale Weltordnung.
Sergio Rivoir
Wo liegen denn die Gemeinsamkeiten von Sanders und Trudeau?
Mehr als Gemeinseiten handelt es sich um Ergänzungen.
Gemeinseiten bestehen in einer Abkehr von der gefährlichen Politik von Trump.
Man muss auch am Entstehen der Nazibewegung von Hitler vor dem zweiten Weltkrieg denken. Manche Leute begrüssten die «neue» Ordnung.Nach kuerzer Zeit war es ein Polizeitstaat mit Konzentrationslagern!
Vergessen wir nicht, dass Sanders die Kandidatur von Clinton ostentativ unterstützt hat. Und dass er jetzt nur eine Chance hat, weil so viele Leute Trump gewählt haben. Gelingt es den Medien oder den Richtern, Trump zu stürzen, dann gibt es für die Demokraten keinen Anlass mehr, Sanders entgegenzukommen.
In London können Wetten abgeschlossen werden, dass Donald Trump nicht vier Jahre im Amt bleibt, allerdings haben sich die Quoten in den letzten Tagen stark zu Gunsten vom 45. Präsidenten verändert, die Quote steht jetzt bei 1:1, vor einigen Tagen lautete sie noch 3:1!
Sanders stellte sich hinter Clinton wahrscheinlich aus Gründen der Loyalität, um die Einheit der Partei zu bewahren.
Jetzt aber nach den verlorenen Wählen fühlt er sich befreit und donnert nach seinen Überzeugungen.
Man müsste aber diese Frage ihm stellen,nicht mir.
Ich weiss nicht ,wie die öffentliche Meinung um Trump sich verändern wird.Jedenfalls habe ich das Gefühl, dass er selber dazu beitragen wird, dass sich Gegner gegen ihn sich Bünden.
Wenn es so weiter geht, wird er mit seinen Dekreten die beste Propaganda für die Demokraten schaffen.
Sergio Rivoir
Alles Chabis – der Sanders hat doch der Hillary so viele Stimmen gekostet – hauptsächlich durch seine «Nichtwähler» – dass der Trump gewählt wurde…
Er wurde ja auch genau für das ins Rennen geschickt von seinen Kollegen in Nahost, die heute triumphieren… Manchmal geht’s halt über mehrere Ecken.
Das Gleiche hat damals AlGore gegen Bush jr. auch funktioniert. Der Outsider Ralph Nader, war auch so ein Fantast.
Jeder darf die Fakten nach eigener Meinung interpretieren.
Für mich wäre Sanders die Rettung der USA.
Er galt aber als «Sozialist» was ihm in den USA keine Chance liess.
Dies obwohl er ,meines Wissens,keine extreme Vorschläge brachte.
Obwohl er nicht der jüngste ist,bleibt er eine gute Chance für die Zeit nach Trump, mindestens für den kreativen Mittelstand.
Fantasten braucht die Welt.
Ein Fantast war Roosevelt mit dem New Deal, und könnte damit alle Wahlprognosen umkippen, und Amerika von dem Schlamassel der grossen Krise retten.
Al Gore versuchte die Umwelt zu retten.Das gelang ihm nicht, und wir sehen heute, wie es mit dem Klima bestellt ist..
Was Trump betrifft, hoffen wir, dass die Amerikaner sich von ihm befreien.
Es wird nicht leicht sein, doch auch Nixon musste gehen.
Wer an ein Impeachment glaubt:
Robert Reich (Arbeitsminister unter Clinton) ist dran. Er reportiert tächlich unter YOUTUBE: Robert Reich : The resistance report, (datum). Daneben auch über die Ernennungen und Proteste dagegen.
MfG
Werner T. Meyer