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Der Film «Hunger - Genug ist nicht genug» möchte über den Hunger aufklären © iisd

Und wie steht es mit der Credit Suisse, Herr Syz?

Kurt Marti /  Der CS-Verwaltungsrat David Syz drehte einen Film über den Hunger. Damit lenkt er von der sozialen Verantwortung der Banken ab.

Das Schweizer Fernsehen zeigte Ende April den Film «Hunger – Genug ist nicht genug» von David Syz. Von 1999 bis 2004 war Syz Chef des Staatssekretariates für Wirtschaft (Seco). Dort galt der Militär- und Parteifreund des damaligen FDP-Bundesrates Pascal Couchepin als Fehlbesetzung. Seit 2004 ist Syz Verwaltungsrat der Credit Suisse und seit 2005 Präsident der Stiftung Klimarappen, mit der die Erdöllobby erfolgreich eine CO2-Abgabe auf Treibstoffe verhinderte (siehe Link unten).

Im Syz-Film sind die Banken kein Thema

Der Film ist ziemlich simpel gestrickt. Am Anfang des Hungerproblems steht erstaunlicherweise die Natur, welche nicht zur Rechenschaft gezogen werden kann. Originalton des Films: «Egal wie sehr an der Börse auch spekuliert werden mag, Naturereignisse und Umweltkatastrophen sind die wahren Preistreiber, wenn es um Agrarrohstoffe geht». Opfer dieser Preistreiberei sind laut Film jene Staaten, welche von Agrarimporten abhängig sind, weil andere Staaten die Agrarproduktion masslos subventionieren und damit die Eigenproduktion in den armen Länder verhindern. Das Rezept von Syz lautet: Die Politik hat versagt, deshalb braucht es mehr Markt und mehr Initiativen von unten. Dahinter steckt das neoliberale Grundkonzept: Weniger Staat, mehr Markt und Eigenverantwortung.

Die Banken sind logischerweise im Film von Syz kein Thema. Weder die Kapitalflucht aus den armen in die reichen Länder, noch die Finanzierung von Projekten, welche die Menschenrechte verletzen. Es ist verständlich, dass Syz einen grossen Bogen darum herum macht, denn schliesslich kassiert er von der CS eine jährliche Gesamtvergütung von 400 000 Franken und kann damit seine Filme gegen die Armut und den Hunger finanzieren. Als CS-Verwaltungsrat ist er auch einverstanden, dass der CS-Gesamtverwaltungsrat im Jahr 2010/11 fast 20 Millionen Franken einstrich und die gesamte CS-Geschäftsleitung gigantische 160 Millionen kassierte. Der Hunger ist ein Verteilungsproblem, sagt Syz im Film. Mit den horrenden CS-Boni hätte Syz anfangen können. Aber darüber schweigt er lieber.

Agrotreibstoffe erhöhen den Preisdruck und fördern den Hunger

Der CS-Verwaltungsrat schweigt auch über die Investitions-Politik der CS. Auf der Internetseite der Nichtregierungsorganisation Erklärung von Bern (EvB) findet man das nötige Informationsmaterial dazu, ein Dossier über «Banken und Menschenrechte» (siehe Link unten). Fünf Beispiele daraus zeigen auf, wie die CS investiert und wie damit die Rechte von Menschen verletzt werden:

Die Credit Suisse gehört laut EvB zu den wichtigsten Investoren in Agrotreibstoffe, vor allem durch Kredite und Anleihen an die brasilianischen Konzerne «Agrenco» (Soja, Agrodiesel) und «Cosan» (Ethanol). Auch der indonesische Palmöl-Produzent «Sinar Mas» profitierte von einer Kapitalerhöhung unter Beteiligung der CS.

Die Verarbeitung von Nahrungsmitteln zu Agrotreibstoffen ist eine der Hauptursachen für die Preisexplosion von Grundnahrungsmitteln. Die Produktion von Agrotreibstoffen ist einer der treibenden Faktoren der globalen Hungerkrise. Laut dem Weltbank-Ökonomen Donald Mitchell sind 75 Prozent des Preisanstiegs bei Grundnahrungsmitteln auf die Produktion von Agrotreibstoffen zurückzuführen. Im Film von Syz ist davon nirgends die Rede.

Agrotreibstoffe erhöhen nicht nur den Preisdruck. Sie fördern auch den Hunger, weil für die Produktion ihrer Grundstoffe – etwa Zuckerrohr in Brasilien oder Palmöl in Indonesien – Menschen von ihrem angestammten Land vertrieben werden. Häufig führt die Produktion von Agrotreibstoffen neben der Vertreibung von Menschen auch noch zu einer Verschärfung der Konflikte um die Wassernutzung.

Indien: Hochgiftige Materialien gelangen ins Grundwasser

Der Konzern «Vedanta Resources» ist einer der grössten Zink- und Aluminiumproduzenten der Welt. Laut EvB wird durch den Tochterkonzern «Vedanta Aluminium» in Indien das Recht auf Wasser von 5000 Menschen verletzt, weil hochgiftige Materialien ins Grund- und Flusswassers gelangen. Laut Amnesty International wurden im letzten Januar 47 Bewohner des indischen Dorfes Rengopalli festgenommen, weil sie friedlich gegen die Verseuchung des Wassers und des Bodens durch die Bauxit-Raffinerie der Firma «Vedanta Aluminium» protestiert hatten.

Im Mai 2011 war Credit Suisse laut EvB eine der führenden Banken bei der Ausgabe von Anleihen über 1 650 Millionen Dollar. Falls Vedanta den Ölkonzern «Cairn» übernehmen kann, wird die Credit Suisse innerhalb eines Kreditrahmens von 6 Milliarden Dollar 737,5 Millionen beisteuern.

Elfenbeinküste: Zehntausende leiden unter Giftmüll-Deponie

Im Auftrag der niederländisch-schweizerischen Firma Trafigura entlud der Tanker «Probo Koala» im Jahr 2006 hochgiftige Öl-Abfälle in Abidjan, der grössten Stadt der Elfenbeinküste. Zehntausende litten deshalb unter Vergiftungserscheinungen. Fünfzehn Menschen starben.

Trotz des Giftmüllskandals hat sich laut EvB die Credit Suisse seither mehrmals an der Finanzierung von Trafigura oder Trafigura-Tochtergesellschaften beteiligt. Die Credit Suisse beteiligte sich an Kreditsyndikaten und an der Herausgabe von Anleihen, bei letzterem war sie eine der beiden führenden Banken des Geschäfts. Seit Januar 2010 partizipiert die Credit Suisse in zwei Kreditsyndikaten und stellt Trafigura über 150 Millionen Dollar zur Verfügung.

Mexiko: 65 tote Bergarbeiter und die Gewerkschaft zerschlagen

Mangelhafte Sicherheitsvorkehrungen, ein schlechtes Lüftungssystem und Ignoranz gegenüber den Bedenken der Bergarbeiter führten in der Conchos-Mine in Mexiko zu einem tödlichen Grubenunglück. 65 Bergarbeiter kamen ums Leben. Die Mine wird vom mexikanischen Bergbauriesen «Grupo México» betrieben. Das Unternehmen versuchte nach dem Unglück, die Gewerkschaft der Bergarbeiter zu zerschlagen. Nachdem der Vorsitzende der Bergbau- und Metallarbeitergewerkschaft Napoleon Gómez Urrutia die «Grupo México» und die Regierung wegen des Unfalls heftig attackiert hatte, wurde Gómez wegen Korruption angeklagt und das Vermögen der Gewerkschaft konfisziert.

In der ebenfalls zur «Grupo México» gehörenden Cananea-Kupfermine streikten die Arbeiter drei Jahre lang wegen Gesundheits- und Sicherheitsproblemen. Im Juni 2010 verloren die streikenden Arbeiter einen Prozess. Dann wurden die Minenarbeiter entlassen und von staatlichen Sicherheitskräften gewaltsam geräumt. Die Firma heuerte eine neue Belegschaft an und benannte die Mine in «Buenavista» um.

Laut EvB erhielt im Dezember 2009 eine Tochtergesellschaft der «Grupo México» von einem internationalen Bankensyndikat einen Rahmenkredit von über 1,5 Milliarden Dollar. Die Credit Suisse ist eine der führenden Banken in diesem Syndikat. Ihr Anteil am Kredit wird auf 225 Millionen Dollar geschätzt.

Papua-Neuguinea: Zwangsräumungen für Goldförderung

Der US-amerikanische Bergbaukonzern «Barrick Gold», einer der grössten Goldförderer weltweit, ist laut EvB bei zahlreichen Bergbauprojekten für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich. Elitepolizisten stürmten 2009 eine Siedlung direkt neben der Porgera-Mine in Papua-Neuguinea und vertrieben die Bewohnerinnen und Bewohner. Der UNO-Menschenrechtsausschuss beurteilt Zwangsräumungen ohne Verfahrensgarantien als grobe Verletzung der Menschenrechte, insbesondere des Rechts auf Wohnen.

Die Credit Suisse gehört zu den Banken, welche «Barrick Gold» finanzieren. Die Credit Suisse beteiligt sich regelmässig an Syndikaten für Kredite und Anleihen sowie 2009 an einer Kapitalerhöhung für «Barrick Gold». Diese brachte «Barrick Gold» 3,5 Milliarden Dollar ein.

STELLUNGNAHME DER CREDIT SUISSE
(Red.) Die Crédit Suisse hat uns eine Stellungnahme zukommen lassen, in der sie erklärt, dass Herr Syz seinen Film «völlig unabhängig von der Credit Suisse» realisiert habe. Hier ein weiterer Auszug aus der Stellungnahme:
«In Bezug auf die Preisentwicklung von Nahrungsmitteln gilt es festzuhalten, dass die Credit Suisse ein kundengetriebenes Geschäftsmodell verfolgt. Das heisst, die Credit Suisse beteiligt sich am Handel mit Rohstoffen, wenn überhaupt, nur im Auftrag von Kunden und nicht auf eigene Rechnung (Eigenhandel).
Folglich ist die Credit Suisse in den Agrarrohstoffmärkten ein unbedeutender Faktor. Wie die meisten andern Banken hat auch die Credit Suisse Finanzprodukte im Angebot, die den Agrarsektor abdecken, wir bewerben diese aber nicht proaktiv. Zudem engagiert sich die Credit Suisse in einem Dialog mit Nicht-Regierungsorganisationen (wie z.B. dem WWF), um potenzielle Auswirkungen der Geschäftstätigkeiten auf Rohstoffe zu analysieren und um Finanzprodukte im Bereich nachhaltige Landwirtschaft zu entwickeln.
Die behaupteten Geschäftsbeziehungen und Finanzdienstleistungen, welche auf einem Bericht der NGO Erklärung von Bern zum Thema Banken und Menschenrechte aus dem Jahr 2010 basieren, können wir im Einzelfall nicht kommentieren.»


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

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