Palästinensches Territorium.TA-Grafik

Territorium der Palästinenser: 1947: Uno-Teilungsplan (links). 1949-1967: Im Waffenstillstand von 1949 vereinbarte Grüne Linie. Nach dem Sechstagekrieg von 2011: Teilgebiete, die unter Kontrolle der Palästinenser sein sollen. © TA-Grafik

Trump torpedierte als Präsident endgültig Zwei-Staaten-Lösung

Andreas Zumach /  Im Hinblick auf eine Zwei-Staaten-Lösung für Israel und Palästina lohnt sich ein Rückblick in die jüngste Geschichte.

Andreas Zumach 400
Andreas Zumach

Red. Andreas Zumach veröffentlichte im Jahr 2021 das Buch «Reform oder Blockade – welche Zukunft hat die UNO?». Heute hat die politische Lösung für den Gazastreifen und das Westjordanland hohe Priorität. Deshalb dokumentieren wir aus Zumachs Buch das Kapitel über die Torpedierung einer Zwei-Staaten-Lösung. Zumach war über dreissig Jahre lang Korrespondent bei der Uno in Genf.


Das Ziel einer Zwei-Staaten-Lösung aufgegeben

Mit Blick auf den Konflikt Israel-Palästina haben die USA in den vier Jahren unter der Administration von Präsident Donald Trump das Ziel einer Zwei-Staaten-Lösung offiziell aufgegeben. Es war das erklärte Ziel ausnahmslos aller Vorgängerregierungen in Washington sowie fast sämtlicher übrigen 192 Uno-Staaten. 

Darüber hinaus hat die Trump-Administration fast alle völkerrechtlich verbindlichen Bestimmungen sowie Beschlüsse des Uno-Sicherheitsrates und der Generalversammlung zum Konflikt Israel-Palästina missachtet oder sogar ausdrücklich für obsolet erklärt. 

Das geschah durch die Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem, durch die Anerkennung der israelischen Besatzung der syrischen Golan-Höhen, durch die Tilgung des seit 1967 im Völkerrecht festgeschriebenen Begriffs «besetzte palästinensische Gebiete» («occupied palestinian territories», OPT) aus allen US-Regierungsdokumenten sowie durch die Erlaubnis für den Import von Produkten aus den besetzten Gebieten in die USA unter der Herkunftsbezeichung «Israel». 

Auch der «Friedensplan», den Trump und Israels Premierminister Benjamin Netanjahu der Welt Anfang 2020 mit grossen Fanfaren präsentierten, verstösst gegen das Völkerrecht. Denn der Plan läuft auf die Annexion zumindest von Teilen des besetzten Westjordanlands durch Israel hinaus. 

Das Vorgehen der USA in den vier Jahren der Trump-Administration stiess bei den übrigen 192 Uno-Mitgliedern, beim Generalsekretär oder beim Internationalen Gerichtshof kaum auf Widerspruch oder gar Widerstand. Das verstärkte den Eindruck, der auch schon lange vor dem Antritt der Trump-Administration weltweit vorherrschte: Keiner anderen Herausforderung gegenüber ist die Uno so handlungsunfähig und hilflos wie angesichts des Nahostkonflikts. 

Und das schon mindestens seit dem Sechstagekrieg vom Juni 1967, in dessen Ergebnis Israel die für einen palästinensischen Staat vorgesehene Westbank, den Gazastreifen sowie Ostjerusalem eroberte und bis heute völkerrechtswidrig besetzt. Dabei missachten die israelischen Regierungen seit über 50 Jahren sämtliche Beschlüsse der Uno – darunter auch völkerrechtlich verbindliche Resolutionen des Sicherheitsrats –, die ein Ende der Besatzung fordern. 

Und im Unterschied zu den drei anderen Fällen seit Gründung der Uno, in denen ein Staat ein anderes Land längerfristig besetzte (die Sowjetunion Afghanistan von Ende 1979 bis 1988, Irak Kuwait von August 1990 bis Januar 1991 und die USA Irak von 2003 bis 2011), verschärft Israel sogar den Besatzungszustand durch fortgesetzte Besiedlung der besetzten Gebiete. Inzwischen leben über 650’000 illegale jüdische Siedler im Westjordanland und in Ostjerusalem (Red. Stand 2021. Inzwischen leben 780’000 Siedler illegal im Westjordanland). 


Rasch verflogene Hoffnung am Ende der Obama-Präsidentschaft

Der brutale, opfer- und zerstörungsreiche Gazakrieg zwischen Israel und der Hamas im Sommer 2014, zu dessen Beendigung die Uno nichts unternahm, hatte die Wahrnehmung der Weltorganisation als hilflos noch weiter verstärkt. Dieser Eindruck änderte sich zum Ende der Obama-Zeit – allerdings nur sehr kurzzeitig: An Weihnachten 2016 verurteilte der Sicherheitsrat mit seiner Resolution 2234 die israelischen Siedlungsbauten im besetzten Westjordanland und in Ostjerusalem als eine «schamlose Verletzung internationalen Rechts» und ein «grosses Hindernis» für den Frieden in Nahost und für eine Zwei-Staaten-Lösung. Die Siedlungen hätten «keine juristische Berechtigung», heisst es in dem ursprünglich von Ägypten eingebrachten Resolutionsentwurf. 

Als der Text Tage vor der geplanten Abstimmung bekannt wurde, mischte sich Präsident Obamas zwar gewählter, aber noch nicht im Amt befindlicher Nachfolger Donald Trump ein. In einem Telefonat mit dem ägyptischen Diktator General Abdel Fattah al-Sisi nötigte Trump diesen zur Rücknahme des Resolutionsantrags. Er drohte, Ägypten künftig die Militär- und Wirtschaftshilfe der USA zu kürzen. 

Mit dieser höchst ungewöhnlichen Intervention eines noch nicht im Amt befindlichen US-Präsidenten leitete Trump den Kurswechsel von Washingtons Nahostpolitik ein. An Stelle von Ägypten übernahmen Malaysia und andere Sicherheitsratsmitglieder den Antrag. Seine Verabschiedung mit 14:0 Ja-Stimmen wurde möglich, weil die USA sich enthielten, nachdem sie in der Vergangenheit oftmals Resolutionen mit Kritik an der israelischen Regierungspolitik durch ihr Veto verhindert hatten. 

Zu den Beweggründen erklärte die New Yorker Uno-Botschafterin der Obama-Administration, Samantha Power, die Resolution 2334 stelle «die Tatsachen so dar, wie sie sind». Die Regierung Netanyahus treibe den Siedlungsbau voran, erkläre jedoch gleichzeitig, sie wolle weiter eine Zwei-Staaten-Lösung. Beide Ziele zugleich seien «unvereinbar», so Power. Das Land müsse sich «entscheiden, zwischen Siedlungen und Teilung». 

Die Regierung Netanjahu reagierte mit Wut auf die Verurteilung durch den Uno-Sicherheitsrat. Die Botschafter der 14 Staaten, die im Sicherheitsrat für die Resolution gestimmt hatten, wurden ins israelische Aussenministerium bestellt. Die Arbeitsbeziehungen mit zwölf dieser 14 Staaten wurden vorübergehend eingeschränkt. Auch den scheidenden US-Botschafter der Obama-Administration, Daniel B. Shapiro lud Netanjau zum Gespräch vor. 

Zugleich erklärte Israels Regierung, der Bau von zunächst 600 Wohneinheiten im ursprünglich palästinensischen Ostjerusalem würde fortgesetzt. Das seien die ersten von insgesamt 5’600 neuen Einheiten. 

Für diese weitere Eskalation der völkerrechtswidrigen Besatzung konnte Netanjahu mit grünem Licht von der neuen Administration in Washington rechnen. Bereits Anfang Dezember 2016 war bekannt geworden, wen Trump zum neuen Botschafter in Israel berufen würde: David Friedman, Vorsitzender der zionistischen Lobbyorganisation American Friends of Bet El Yeshiva und bis dato Trumps Anwalt und Nahostberater im Präsidentschaftswahlkampf. 

Noch vor seiner offiziellen Ernennung bezeichnete Friedman Jerusalem als «ewige Hauptstadt» Israels, die «unteilbar» sei. Diese Erklärung verstösst gegen zahlreiche, einst mit Zustimmung der USA gefasste Uno-Beschlüsse seit der Resolution 181 der Generalversammlung vom November 1947, mit der die Gründung zweier Staaten auf dem Territorium des britischen Mandatsgebietes Palästina beschlossen wurde. 

Diese Resolution bestimmt, dass über den endgültigen Status Jerusalems und die eventuelle Rolle als gemeinsame oder geteilte Hauptstadt der beiden künftigen Staaten einvernehmlich durch Verhandlungen entschieden werden soll. 

Doch Friedman kündigte im Dezember 2016 einseitig an, er wolle als Botschafter von Jerusalem aus arbeiten und nicht mehr aus der US-Botschaft in Tel Aviv. Im Mai 2018 wurde die Botschaft nach Jerusalem verlegt. 


Doppelte Standards bei der Durchsetzung von Völkerrechts- und Menschenrechtsnormen 

Die Enttäuschung und Frustration über die Unfähigkeit der Uno, den in immer kürzeren Abständen gewalttätig eskalierenden Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern endlich zu beenden und eine politische Lösung herbeizuführen, sind umso grösser, als sich die Weltorganisation seit ihrer Gründung mit keinem anderen Konflikt so häufig und so intensiv beschäftigt hat. 

Zu keinem anderen Thema haben die Generalversammlung, der Sicherheitsrat, die Menschenrechtsgremien und andere Institutionen und Organisationen des Uno-Systems so viele Beschlüsse und Resolutionen gefasst. Und in keine andere Region der Erde hat die Uno in den letzten 75 Jahren so viele Blauhelmmissionen, Sonderberichterstatter, Untersuchungskommissionen entsandt und humanitäre Hilfsgüter geschickt wie in den Nahen Osten. 

Doch auf der politischen Entscheidungsebene insbesondere des Sicherheitsrats ist die Uno seit Jahrzehnten blockiert. In erster Linie, weil das ständige Ratsmitglied USA mittels seiner Vetomacht die Umsetzung von – selbst einst mit Zustimmung Washingtons beschlossenen – Uno-Resolutionen zur Lösung des Konflikts verhindert und die Konfliktpartei Israel vor jedem effektiven Druck schützt, sich an das Völkerrecht zu halten. 

In den allermeisten Fällen fand die westliche Führungsmacht USA für ihre Nahostpolitik auch die Unterstützung Deutschlands, Grossbritanniens und anderer gewichtiger Länder des Westens. Aus diesem Grund hat der israelisch-palästinensische Konflikt wie kein anderer weltweit zu der Wahrnehmung beigetragen, dass bei der Umsetzung der seit 1945 im Uno-Rahmen vereinbarten universellen Völkerrechts- und Menschenrechtsnormen Selektivität und doppelte Standards herrschen. Das unterminiert und schwächt diese universellen Normen und die Uno. 

Eine detaillierte Darstellung des Engagements der Uno im Nahostkonflikt seit 1947 findet sich in den UN-Basisinformationen 44 («Die Vereinten Nationen und der Nahostkonflikt») der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN). 

Andreas Zumach: «Reform oder Blockade – Welche Zukunft hat die Uno?

Buch-Cover Zumach
Buch-Cover

Rotpunktverlag 2021. Printausgabe 24.80 CHF / 24 Euro. e-Book 25.00 CHF.
Aus dem Verlagstext: «Die Uno befindet sich in der schwierigsten Lage seit der Gründung vor 75 Jahren. Ihr mächtigstes Mitglied, die USA, hat mit der Uno-feindlichen ‹America first›-Politik von Trump die Weltorganisation erheblich geschwächt. Zugleich stellt die Corona-Pandemie die 193 Mitgliedsstaaten sowie die Weltgesundheitsorganisation und die anderen humanitären Programme der Uno vor bislang ungekannte Herausforderungen. Wichtige Reformvorhaben zur Stärkung ihrer Handlungsfähigkeit liegen unerledigt auf dem Tisch. Zudem beschädigt das Versagen des Sicherheitsrates im nun schon zehn Jahre währenden Syrienkrieg die Glaubwürdigkeit der Uno. Mit dem rasanten Machtzuwachs Chinas sowie dem Konflikt zwischen Washington und Peking droht erneut eine Totalblockade des Sicherheitsrates und anderer Teile des Uno-Systems wie im Kalten Krieg. Über all die Probleme geraten die vielen grossen Verdienste der Weltorganisation aus dem Bewusstsein. Und es wachsen die Zweifel, ob multilaterale Kooperation, wie sie 1945 mit der Uno institutionalisiert wurde, unter veränderten Rahmenbedingungen überhaupt eine Chance hat. Wird die Weltorganisation sich reformieren können und wieder handlungsfähig sein?»

Lesen Sie demnächst die zweite Folge von Andreas Zumach:
Was nach dem Teilungsplan der Uno von 1947 bis 2001 geschah


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