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Magisches Ritual? Präsident Sisi, König Salman und Trump eröffnen in Riad ein Anti-Terror-Zentrum © zvg

Trump entzweit ein lange gefördertes Bündnis

Jürg Bischoff /  Der von Trump angeheizte Konflikt zwischen Saudiarabien und Katar untergräbt das amerikanische Bündnissystem im Mittleren Osten.

Die politische Krise unter den arabischen Golfstaaten begann mit einer prächtigen Gipfelkonferenz, zu der König Salman bin Abdelaziz von Saudiarabien Ende Mai Dutzende von befreundeten Staaten eingeladen hatte, um dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump die Aufwartung zu machen. Salman, Trump und der ägyptische Machthaber Sisi eröffneten in Riad ein luxuriöses Anti-Terror-Zentrum, indem sie in einem fantastischen Ritual ihre Hand auf eine glühende Kristallkugel legten und ins Leere blickten – Hollywood trifft auf Tausendundeine Nacht. Unter den Gästen, welche die Freundschaft mit Amerika und die Einheit im Kampf gegen den Terrorismus beschworen, fand sich natürlich auch der Emir von Katar, Tamim bin Hamad Al Thani.
Zwei Wochen später war die Einigkeit jedoch zu Ende. Saudiarabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), gefolgt von einigen ihren Klientenstaaten wie Bahrain, Ägypten und den Malediven brachen ihre Beziehungen mit Katar ab, die Saudi schlossen ihre Landesgrenze zu Katar und stoppten alle Flüge von und nach Katar, die VAE und Bahrain ebenso. Katarische Diplomaten und Staatsbürger mussten die drei Länder verlassen.

Da war das Verhältnis noch intakt: Donald Trump trifft am Gipfel von Riad den Emir von Katar, Tamim bin Hamad Al Thani. (Quelle: Youtube/whitehouse.gov)

Was war an der Konferenz in Riad passiert – abgesehen von der Beschwörung der Kristallkugel? Die Antwort darauf lieferte Präsident Trump in einem Tweet vom 6. Juni: «During my recent trip to the Middle East I stated that there can no longer be funding of Radical Ideology. Leaders pointed to Qatar – look!» Trump hatte eine Rede gehalten, in der er die muslimischen Politiker aufforderte, dem Extremismus abzuschwören und den Terrorismus zu bekämpfen. Worauf die Saudi, die Emirati und ihre Adlaten sagten: «Wir haben mit dem Terrorismus nichts zu tun – es sind die Katarer, welche die Terroristen unterstützen!» Sie warfen Trump einen Sündenbock vor die Füsse, und der hat das Opfer angenommen.

Die falschen Islamisten
Die Saudi und die Emirati hatten das Terrain vorbereitet, indem sie in den eigenen Medien, auf den Meinungsseiten amerikanischer Zeitungen und an einer Tagung in Washington die Terrorismus-Vorwürfe an Katar verbreitet hatten. Kurz vor dem Ausbruch der Krise wurden durch einen Hackerangriff auf die Webseite der Katarischen Nachrichtenagentur angebliche Äusserungen des Emirs von Katar verbreitet, welche dessen freundliche Haltung gegenüber Iran und islamistischen Terroristen belegen sollten. Seither veröffentlichen die Medien in Riad, Abu Dhabi und Kairo einen Strom von Geschichten über angebliche Kontakte zwischen Katar und Terroristen, darunter auch eine Liste mit Namen von Personen und Organisationen, welche die Extremisten unterstützen sollen.

Gegen den demokratischen Islamismus gerichtet

Nun pfeifen es die Spatzen von den Dächern, dass die Unterstützung für islamistische, extremistische und terroristische Gruppen im Irak, in Syrien, Libyen, Afghanistan etc. keineswegs nur aus Katar kommt, sondern ebenso aus Saudiarabien selbst und anderen Golfstaaten. Der Ärger der Saudi und Emirati beruht vielmehr darauf, dass Katar die falschen Islamisten unterstützt, nämlich die Muslimbrüder. Die Muslimbrüder sind aber keine Terroristen – auch wenn sie einige terroristische Ableger hatten. Sobald sie legal politisch arbeiten können – wie in Palästina, Jordanien, Tunesien und in Ägypten zwischen 2011 und 2013 – beteiligen sie sich an Wahlen und versuchen mit demokratischen Mitteln an die Macht zu kommen. Das ist es genau, warum absolute Monarchien wie Saudiarabien und die Emirate die Muslimbrüder fürchten – sie legitimieren mit dem Islam ein demokratisches System, die Monarchen am Golf ein autoritäres. Katars Allianz mit der Bruderschaft beruht auf dem Kalkül, dass ein demokratischer Islamismus attraktiver ist als ein autoritärer und dem Emirat langfristig mehr Freunde und Einfluss bringt.

Sender Al-Jazeera gegen die Autokraten

Katars Allianz mit den Muslimbrüdern ist für die Saudi umso skandalöser, als es mit dem katarischen TV-Sender Al-Jazeera über ein populäres Medium verfügt. Während des arabischen Frühlings stellte sich Al-Jazeera entschieden auf die Seite der Aufständischen, welche die Autokraten stürzen wollten und verbreitete die politische Botschaft der Muslimbrüder. Unter den saudischen Forderungen an Katar steht denn die Schliessung von Al-Jazeera oder zumindest eine radikaler Kurswechsel seiner politischen Linie weit oben auf der Liste.

Weiter verlangt Riad, dass Katar auf die feindselige Haltung gegen Iran einschwenkt, welche die Saudi ihren Nachbarländern vorgeben. Katar teilt mit Iran das grösste bekannte Gaslager der Welt. Teheran wie Doha sind auf funktionierende Beziehungen angewiesen, wenn sie die Gasvorräte optimal ausbeuten wollen. Auch Kuwait und Oman zeigen wenig Neigung, auf die harte anti-iranische Linie einzuschwenken, die Riad vorgibt. Oman pflegt seit Jahrzehnten freundliche Beziehungen mit Iran und war auch die erste Anlaufstelle der USA, als sie ihre Fühler zur Regelung des Atomstreits ausstreckten. Auch Kuwait, das eine substanzielle schiitische Minderheit aufweist, bemüht sich immer wieder, zwischen Iran und Saudiarabien zu vermitteln, wenn zwischen den beiden Ländern die Funken fliegen. Es ist wohl allen Herrschern der kleinen Golfemirate klar, dass sie die ersten Opfer eines Krieges zwischen den Saudi und Iranern wären.

Instabiles Bündnis

Der Streit zwischen den Saudi und den Katarern hat das Bündnis zwischen den arabischen Golfstaaten, den Golfkooperationsrat (GCC), zum Einsturz gebracht. Der GCC war 1981 von Saudiarabien, Oman, Kuwait, Bahrain, Katar und den VAE als arabische Antwort auf die Herausforderung durch die islamische Revolution in Iran gegründet worden. Er war von Anfang an ein instabiles Gebilde, das periodisch von Krisen geschüttelt wurde. Saudiarabien verstand den GCC als Instrument, den kleineren Nachbarn seinen politischen Willen aufzuzwingen. Diese versuchten handkehrum immer wieder, sich den Anweisungen aus Riad zu widersetzen, um ihre wirtschaftlichen Interessen und ihren politischen Spielraum zu bewahren. Am effektivsten gelang dies Katar, das sich dank seines fabelhaften Reichtums und dank seines breiten Beziehungsnetzes als finanzieller Investor und politischer Vermittler für viele nützlich machte.

Der einzige Krieg, den der GCC in seinen ersten 30 Jahren führte, richtete sich nicht gegen Iran, sondern gegen den irakischen Verbündeten und Beschützer Saddam Hussein, der 1990 Kuwait besetzte. Dass dieser Krieg nicht ohne die USA gewonnen werden konnte, zeigte auf, wie schwach der Pakt zwischen den Golfstaaten war. Die Amerikaner bemühten sich seither verstärkt, die Golfstaaten zu einer stärkeren wirtschaftlichen, politischen und militärischen Integration zu bewegen. Sie lieferten Unmengen von Waffen in die GCC-Staaten und bildeten deren Truppen aus, um im Ernstfall auf verlässliche Bündnispartner zählen zu können. Washington musste auch immer wieder mit diskretem Druck Konflikte zwischen den GCC-Mitgliedern entschärfen, um die Allianz vor dem Auseinanderbrechen zu bewahren.

Bündnis mit ein paar Tweets demontiert

Diese Politik hat der neue amerikanische Präsident mit seiner ungeschminkten Stellungnahme für Saudiarabien und gegen Katar mit ein paar Tweets demontiert. Er hat aus dem Regionalbündnis, auf das die Amerikaner ihre Präsenz in der Region bisher stützten, einen Scherbenhaufen gemacht. Trump hat den Verbündeten Katar, der die grösste amerikanische Luftbasis und das Hauptquartier des Central Command der US-Armee in der Region beherbergt, einfach fallen gelassen. Das Aussenministerium und das Verteidigungsministerium in Washington haben anfangs versucht, Gegensteuer zu geben. Doch Trump hat klar gemacht, dass er als Präsident den Kurs bestimmt.

Katar zählt auf Iran und die Türkei

Kuwait und Oman behielten ihre Beziehungen mit Katar aufrecht und schlossen sich der saudischen Blockade nicht an. Katar hat angekündigt, es werde dem Druck aus Riad und Washington nicht nachgeben, seine Politik nicht ändern und schon gar nicht Al-Jazeera schliessen. Der katarische Aussenminister besuchte Brüssel, Berlin und Moskau, wo er offenbar auf Verständnis für Katars Position stiess. Die von den Saudi verhängte Blockade umgeht Doha mit Hilfe der Türkei und Irans, die das Emirat über die Luft mit Lebensmitteln versorgen. Die Türkei hat beschlossen, 5000 Soldaten in Katar zu stationieren. Der anti-katarische Feldzug der Saudi droht die Muslimbrüder-Achse zwischen der Türkei und Katar zu stärken, oder das widerspenstige Emirat direkt in die Arme des Erzfeinds Iran zu treiben.

Die Risiken seines abenteuerlichen Kurses fechten Riad aber offenbar nicht an. Die Saudi scheinen fest entschlossen, jeden Widerstand gegen ihre Vorherrschaft auf der Arabischen Halbinsel zu brechen. Bahrain haben sie zum Satelliten gemacht, indem sie mit ihren Truppen die dort herrschende Familie vor dem Volksaufstand im Jahre 2011 gerettet haben. Jemen, über das sie in der Folge des Arabischen Frühlings die Kontrolle verloren haben, überziehen die Saudi seit zwei Jahren mit einem grausamen Luftkrieg. Nun soll Katar in den Senkel gestellt werden. In Oman und Kuwait muss man sich die Frage stellen, wer als nächster in das Visier des saudischen Machthungers gerät.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Jürg Bischof war während langer Zeit NZZ-Korrespondent in Nahen und Mittleren Osten.

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US-Politik unter Donald Trump

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Eine Meinung zu

  • am 15.06.2017 um 23:22 Uhr
    Permalink

    Wer gerāt als nāchster ins Visier des saudischen Machthungers? Und wer sind, ausser den USA, die Verbūndeten der Saudis? Eine Kultur haben sie zwar nicht, aber māchtige Verbūndete. Das reicht.

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