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Trotz Sanktionen - wer in Russland edel auf vier Rädern unterwegs sein will, kann problemlos teure Autos kaufen. © Pexels

Trotz Sanktionen: Wie europäische Luxusautos in Russland landen

Daniela Gschweng /  In Moskau einen Porsche bestellen? Kein Problem. Via Kirgisistan gelangen sanktionierte Güter nach Russland.

In Moskau einen westlichen Luxuswagen zu bestellen, erfordere zwar eine «komplexe Logistik», sei aber sonst kein Problem, sagt ein Händler laut einer Recherche von «Forbidden Stories». Die Non-Profit-Organisation hat die Geschichte vom kirgisischen Medium «Temirov Live» übernommen.

Dessen Redaktion wurde Anfang 2024 festgenommen, ihre Büros und Telefone durchsucht. Die Chefredakteurin und Frau des Gründers Bolot Temirov, Makhabat Tazhibek Kyzy sowie der Journalist Azamat Ishenbekov wurden Ende 2024 zu sechsjährigen Gefängnisstrafen verurteilt.

Bolot Temirov lebt als Geflüchteter in der EU und führte die Recherchen zusammen mit «Forbidden Stories» fort.

Forbidden Stories

ist eine 2017 gegründete Non-Profit-Organisation mit Sitz in Paris. Sie bemüht sich darum, die Arbeit von Journalistinnen und Journalisten weiterzuführen, denen die Berufsausübung unmöglich gemacht wurde – sei es von Staaten, Behörden oder kriminellen Organisationen. Die Idee dahinter: Journalist:innen zum Schweigen zu bringen, soll sich nicht mehr lohnen. Journalistinnen und Journalisten können ihre Arbeit an «Forbidden Stories» schicken, wenn sie befürchten, dass der Urheber seine Recherchen nicht weiterführen kann. Die Organisation kooperiert mit vielen grossen Medien weltweit, wie dem britischen «Guardian» oder der «Süddeutschen Zeitung» und wird von prominenten Journalisten unterstützt.

Das Rechercheteam erkundigt sich beim Autohaus «Berg Auto Premium» in Moskau telefonisch nach einem Porsche 911 Turbo, der wegen der Russland-Sanktionen dort nicht erhältlich sein dürfte. Laut Porsche werden seit spätestens 3. März 2022 keine Fahrzeuge mehr nach Russland geliefert.

«Kein Problem», sagt der Händler. Die Edelkarosse nach Moskau liefern zu lassen, erfordere nur eine etwas komplexere Logistik. Der Wagen würde dann auf dem Luftweg nach Bischkek, Kirgisistan, geliefert und von dort nach Moskau. Alternativ käme das Auto per Fähre über Georgien. Die Journalistinnen und Journalisten können den Wagen auf der Homepage von Porsche bestellen – in Wunschfarbe und mit Extras.

Der opulente Ausstellungsraum von Auto Berg

Auf der Ausstellungsfläche von Berg Auto Premium finden sich seltene Autos der Marken Rolls Royce, Porsche, Lamborghini oder Tesla im Gesamtwert von mehreren Millionen Euro, schreiben die Journalist:innen. Das bestätigt ein Beitrag «ZDF Frontal», das das Thema aufgenommen hat. Barzahlung ist möglich.

Screenshot berg auto premium
Die Website des Moskauer Autosalons Berg Auto Premium am 13. März -angeboten werden unter anderen ein Ferrari und ein Tesla Cybertruck (Deutsche Übersetzung durch Google).

Der Gründer des am 7. Oktober 2023 (Putins Geburtstag) eröffneten Autosalons ist Mark Alexandrovitch Berg. Er spricht nicht von Schmuggel, sondern von «Parallelimporten». Auf der Website des Unternehmens stehe «Wir kennen keine Grenzen».

Streng genommen handelt es sich auch nicht um Schmuggel, sondern um eine äusserst lukrative Gesetzeslücke. Der Export von Autos aus der EU nach Russland ist zwar verboten, wenn sie mehr als 50’000 Euro kosten. Verzichten muss anscheinend trotzdem niemand auf sein Edelgefährt.

Ein Schlupfloch, durch das sehr viele Autos passen

Autos aus der EU nach Kirgisistan zu verkaufen, ist legal. Ebenso legal wie ein Auto von Kirgisistan nach Russland zu transportieren. Das Land gehört zur selben Zollunion wie Russland. «ZDF Frontal» zeigt Telegram-Kanäle, auf denen Luxusautos angeboten werden.

Zwischen 2019 und 2021 wurden Fahrzeuge im Wert von 216 Millionen Euro nach Kirgisistan eingeführt. Bis 2023 hatte sich die Zahl auf 2,6 Milliarden Euro mehr als verzwölffacht. Aus russischen Zollunterlagen geht hervor, dass Fahrzeuge und Ersatzteile von BMW, Mercedes und Porsche aus Deutschland, Polen und den Niederlanden importiert wurden.

Handel mit Russland sei ein häufiger Geschäftszweig in Kirgisistan, weil die Steuern dort niedriger seien als in Russland, ordnet «Forbidden Stories» ein. Wenn sich nicht jede kirgisische Familie in der Zwischenzeit ein neues Auto gekauft habe, sei es wahrscheinlich, dass Kirgisistan ein Tor nach Russland geworden sei, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Carl Grekou, Mitglied des CEPII und des Forschungslabors EconomiX-CNRS, gegenüber «Forbidden Stories».

Das Wi-Fi-System

Viele Autos, die für Russland bestimmt sind, gelangen gar nie auf kirgisischen Boden. Sie werden dort zwar registriert, aber direkt nach Russland transportiert, erklärt ein Zollbeamter, der anonym bleiben will. In Kirgisistan kämen nur die Papiere an. Insider würden diese Praxis «Wi-Fi-System» nennen. Das sei illegal, aber alle wüssten davon.

Berg Auto Premium beteuert gegenüber «Forbidden Stories», das Wi-Fi-System nicht zu nutzen. Wegen drei Tagen weniger Überführungszeit gefährde man nicht seinen Ruf.

Das Luxusauto-System und seine politischen Verstrickungen

Ein Neffe des kirgisischen Präsidenten Sadyr Japarov ist vermutlich in die Auto-Verschiebereien verwickelt. Mehrere Freunde Eskat Nurkozhoevs tauchen auf Social Media im Umfeld von Berg Auto auf. Inwieweit Eskat selbst aktiv ist, ist unklar.

Bolot Temirov enthüllte laut «Forbidden Stories» im Mai 2024 bereits Unregelmässigkeiten bei der Vergabe öffentlicher Aufträge an Japarovs Familie. Der Präsident legt normalerweise Wert darauf, sich gegen Klientelismus und Korruption zu positionieren. Er erklärte am 16. Oktober 2024, dass Kirgisistan nicht mit sanktionierten Waren handle.

Wer in Russland einen edlen Neuwagen will, bekommt einen

Woher kommen dann die vielen teuren europäischen Neuwagen in Russland? Und wer nutzt das «Wi-Fi-System»? «ZDF Frontal» fährt einigen Autotransportern hinterher und stellt fest, dass viele den Weg über Belarus nehmen. Auch Belarus unterliegt Sanktionen, aber anderen als Russland. Der Import von Luxuswagen ist möglich.

Über Telegram-Kanäle, die Neuwagen anbieten, macht das «Frontal»-Team einen Wagen in St. Petersburg und den Autohändler in Bayern ausfindig, von dem er stammt. Dort weiss man angeblich von nichts. Ein anderer Händler bestätigt, dass ein in Russland fotografierter Audi von ihm stammt und an einen weiteren deutschen Händler verkauft wurde.

So richtig ernst genommen wird der Sanktionsbruch nicht

Politik und Wirtschaft wüssten von den verdächtigen Exporten, unternähmen jedoch wenig dagegen. Man arbeite daran, Sanktionslücken zu schliessen, sagt der deutsche Zoll zu «ZDF Frontal». Sanktionsbrüche seien die Ausnahme, sagt die Autoindustrie. Mehrere befragte Autohändler halten die Durchfahrt durch die Gesetzeslücke eher für ein Bagatelldelikt.

Nach Unterlagen, die «ZDF Frontal» einsehen konnte, wurden 2023 ganze 1900 Mal Teile für Porsche, BMW und Mercedes oder ganze Fahrzeuge aus europäischen Ländern nach Kirgisistan und Russland geliefert. Es würden zahlreiche Verfahren gegen Autohändler geführt, die Sanktionen umgangen haben sollen. Wenn sie denn erwischt werden.

Es geht um Millionen

Julia Grauvogel vom Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien, die das Magazin «Chip» befragt hat, erklärt, dass viele kleine Unternehmen gar keine Möglichkeit hätten, den Weg ihrer Produkte nach dem Verkauf zu verfolgen. Grosse Hersteller wie BMW oder Porsche verweisen darauf, dass man keine direkten Beziehungen zu Verkäufern in Russland unterhalte. Es dränge sich der Gedanke auf, dass Sanktionen, die sich nicht durchsetzen liessen, kein ideales Mittel seien, kommentiert «Chip».

Erst vor wenigen Wochen musste der bayerische Autohersteller BMW einräumen, dass mehr als 100 Autos trotz Sanktionen von einem Händler nach Russland gebracht wurden.

«Forbidden Stories» und «ZDF Frontal» führen das Beispiel eines Autohändlers aus Bochum auf, der Autos für mehr als 5 Millionen Euro nach Russland gebracht haben soll. Porsche habe auf Anfrage erklärt, Autos aus dem Bestand von Berg Auto würden aus privaten Weiterverkäufen stammen.


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Eine Meinung zu

  • am 24.03.2025 um 11:32 Uhr
    Permalink

    Macht nichts, die Sanktionen sind ohnehin völkerrechtswidrig, da nicht von der UNO, sondern nur von der westlichen Kriegspartei beschlossen.

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