Tea-Party: jakobinisch und stalinistisch
Spätestens im Januar 2014, wenn sich in den USA das finanzpolitische Gezerre wiederholen wird und die Vereinigten Staaten erneut über die Fiskalklippe zu stürzen drohen, wird sie wieder weltweit die Schlagzeilen beherrschen: die amerikanische Tea-Party, jene extremistische Gruppierung innerhalb der Republikanischen Partei, für die jeglicher Kompromiss des Teufels ist. Mindestens einen prominenten Bewunderer hat diese Bewegung auch in der Schweiz: den Zürcher SVP-Nationalrat Hans Kaufmann. Er findet, «es wäre an der Zeit, dass auch in der EU endlich eine Tea-Party-Bewegung einsetzt», und zwar wegen der wachsenden Staatsschulden. Sie sei nicht etwa «eine hirnlose Bewegung, sondern sie vertritt vor allem wirtschaftspolitische Anliegen, die der politischen Linken missfallen», schreibt Kaufmann in einem Gastkommentar von «Journal 21» (Link siehe unten).
«Brodelnde Ressentiments»
So kann man es natürlich auch sehen. Nur muss man zuvor das politische Koordinatensystem neu justieren und mächtige US-Wirtschaftsverbände der Linken zuordnen, darunter die U.S. Chamber of Commerce, die National Association of Manufacturers und die National Retail Federation. Diese waren es, die massiv intervenierten, um den Budgetstreit in den USA zu beenden. Einige Wirtschaftsverbände überlegen sich gemäss «Washington Post», künftig Konkurrenten der Tea-Party-Politiker zu unterstützen, um deren dominante Rolle innerhalb der Republikaner zu brechen. Die heutigen, von der Tea-Party infizierten Republikaner würden nicht mehr «für die Wall Street oder die Main Street» sprechen, sondern «die brodelnden Ressentiments» der weit verbreiteten Ideologie «der weissen Südstaaten-Provinzler» ausdrücken.
«Washington Post»-Kolumnist Harold Meyerson – gemäss «Atlantic Monthly» einer der einflussreichsten Kommentatoren der USA – nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn er den massiven Rechtstrend der Republikanischen Partei aufzeigt (Link siehe unten). Er spricht von veritablen Säuberungen: «Wie die Stalinisten und die Jakobiner haben die heutigen Eiferer der Tea-Party ihre Bewegung gesäubert – nicht durch Exekutionen, sondern durch Vertreibung jener Republikaner, die nicht ihren Enthusiasmus für die Zerstörung ihres Landes teilen.»
Der auffällig abwesende Bush
Dem jakobinischen und stalinistischen Muster folgt auch die faktische Kaltstellung der früheren republikanischen Führungsfiguren. Für den rechten Parteiflügel sind der frühere Präsident George W. Bush und die früheren Präsidentschaftskandidaten John McCain und Mitt Romney lediglich noch «irritierende Überreste einer leisetreterischen Vergangenheit», wie Meyerson schreibt. Zwar teilten sie nicht gerade das Schicksal Dantons und Bucharins – die beiden wurden als Teilnehmer der Französischen bzw. der Russischen Revolution von ihren einstigen Mitkämpfern hingerichtet. Doch sie seien heute an den republikanischen Veranstaltungen «auffällig abwesend», während Figuren wie Ted Cruz, Rand Paul, Michele Bachmann und Sarah Palin «auffällig präsent» seien.
Abstiegsangst des Mittelstandes
Die Tea-Party-Bewegung ist auch deshalb eine gefährliche politische Kraft, weil sie sich die Angst zunutze macht, insbesondere die Abstiegsangst einer verunsicherten weissen Mittelschicht. Sie hat den sprichwörtlichen amerikanischen Optimismus verloren, fürchtet die Immigration und die damit verbundenen demografischen Veränderungen – bisher ein Teil des amerikanischen Selbstverständnisses und orientiert sich an einer zugespitzten Variante des Neoliberalismus. Dazu gehört der Glaube, dass man den Kapitalismus am besten wiederbelebt, indem man den Staat möglichst gleich ganz zerstört. Deshalb wird das in den USA ohnehin immer latent vorhandene Misstrauen gegenüber dem Zentralstaat bis zum Exzess angefeuert.
Fragwürdiges Demokratieverständnis
Doch das ist nicht alles. Die Tea-Party hat auch ein fragwürdiges Demokratieverständnis und holt das Gedankengut der sezessionistischen amerikanischen Südstaaten aus der historischen Mottenkiste. Ronald D. Gerste, USA-Korrespondent der NZZ, arbeitet in einem bemerkenswerten Artikel heraus, wie republikanische Politiker mit der Abspaltung ihres Bundesstaates von den USA oder gar einzelner Landkreise vom Bundesstaat kokettieren (Link siehe unten). Anlass für derartige Überlegungen bieten jeweils unerwünschte Wahlresultate: Statt die Mehrheitsmeinung zu respektieren, diskutiert der in die Minderheit versetzte Gliedstaat über eine Sezession. Zahlreiche republikanisch regierte Bundesstaaten versuchen zudem, mit Tricks den – nicht-weissen Minderheiten das Wahlrecht zu erschweren.
Die letzten Wochen und Monate haben einmal mehr gezeigt, wie kompromisslos die Tea-Party in den USA agiert, und in welchem Masse es ihr gelingt, das politische Klima zu vergiften. Welchen Gewinn Europa aus dem Import dieses Gedankenguts ziehen soll, bleibt das Geheimnis des Zürcher SVP-Mannes Hans Kaufmann. Vor allem, weil es weder in der EU noch in der Schweiz an rechtspopulistischem und EU-kritischem Eigengewächs mangelt.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
Die Tea Party in den USA hat eben sehr viel mit der SVP in der Schweiz gemeinsam. Eine Basis von «Globalisierungs-VerliererInnen» (präziser Opfer der neoliberalen Abzockrei), die von einer Führung an der Nase herum geführt wird, in der genau diese Zocker den Ton angeben und die Medienpräsenz bezahlen.
In der USA ist dies insbesondere FOX NEWS, wo man gerne Tea-Party-Auftritte auch vorankündigt.
In den USA haben Drittparteien heute keine Chance, also bleibt die TEA-"Party» eine Republikanische PR-Aktion.
In der Schweiz haben wir Proporz und leisten uns an dieser Stelle ZWEI ZOCKER-PARTEIEN:
– Die FDP als Pendant der Republikaner, die wissen was sie wollen
– Die SVP als Tea Party für die genasführten
Werner T. Meyer