Tagesschau informiert wenig über Kriege und Hunger
Häufig minutenlang berichtet die Hauptausgabe der SRF-Tagesschau über Schweizer Kleinkram, der eher in die Sendung «Schweiz aktuell» gehört. Zu häufig Folklore und Gerede. Die Schweiz als der Nabel der Welt. Viel Platz für geplante einheitliche Uniformen für Schweizer Polizisten (keine Angaben, wer sie wo herstellt). Dafür erfuhr das Tagesschau-Publikum nichts über den erstmaligen Atlas des Bundesamts für Statistik (Obsan), der unglaubliche, medizinisch nicht erklärbare kantonale und regionale Unterschiede der Operationshäufigkeiten aufdeckt.
Über die Weltpolitik informiert die SRF-Tagesschau stiefmütterlich und so unpräzis, dass man um 20.00 Uhr häufig die viel kürzere ARD-Tagesschau verfolgen muss, um den «aktuellen Stand von heute» zu erfahren, oder um die Ereignisse besser zu verstehen. Das können Zuschauende mit einem inhaltlichen Abgleich der SRF-Auslandberichte (inklusive Korrespondenten) mit den kürzeren Ausland-Berichten der ARD-Tagesschau fast täglich feststellen.
Die Tagesschau über einige wichtige Ereignisse der letzten zehn Tage vom 30. Juni bis 5. Juli
In den vergangenen zehn Tagen war auf unserem Planeten politisch u.a. über Folgendes zu informieren:
- Immer mehr Menschen, laut Uno bereits 20 Millionen, sind in Somalia, Südsudan, Nord-Ost-Nigeria und in Jemen von einer Hungerkatastrophe betroffen. Neben Trockenheit sind vor allem Kriege schuld.
SRF-Tagesschau: Kein Thema
- In Jemen dauert ein rücksichtsloser Krieg an. Eine US-gestützte saudische Koalition bombardierte und bombardiert gezielt die ganze Infrastruktur des Landes wie Wasser- und Stromversorgung, Brücken, Schulen, Spitäler und Nahrungsproduktion. Das gilt nach internationalen Standards als Kriegsverbrechen. Auch Kriegsmaterial aus der Schweiz kommt zum Einsatz.
SRF-Tagesschau: Einziger Bericht am 5. Juli: Eine Viertelmillion Menschen seien an Cholera erkrankt. Ein von der saudischen Koalition zerbombtes Spital der «Ärzte ohne Grenzen» sei wieder aufgebaut und könne jetzt helfen. Eine Schweizer Pflegefachfrau berichtet eindrücklich von ihrem Einsatz im Spital. Eine Einordnung des Kriegs fehlte im Zeitraum der beobachteten zehn Tage.
- Fast 400 Flüchtlinge ertrinken gegenwärtig jeden Monat im Mittelmeer. Die Lage für Flüchtlinge in Libyen ist katastrophal.
SRF-Tagesschau: Im Beobachtungszeitraum von zehn Tagen behandelte die Tagesschau das Thema zweimal hintereinander statistisch:
Am 29. Juni waren es im ersten Halbjahr 2017 90’000 Flüchtlinge, die übers Mittelmeer gekommen sind, davon 82’000 nach Italien. Italien drohe, private Hilfsschiffe in italienischen Häfen nicht mehr einfahren zu lassen. Dies sei wohl mehr ein Hilferuf als eine Drohung. Der EU-Kommissär ruft zur Solidarität auf.
Fünf Tage später gab die Tagesschau die Zahl der Mittelmeerflüchtlinge mit 100’000 an. Das seien halb so viele wie letztes Jahr, als die Balkan-Route noch offen war. 85’000 seien in Italien gelandet. Die EU zahle Italien zusätzliche 35 Millionen Euro.
Bei den Tagesschau-Statistiken fehlte die Zahl der auf den Überfahrten tödlich Verunglückten. Wie die Überlebenden von Griechenland über Italien bis nach Spanien behandelt und versorgt werden, erfuhr man in diesen zehn Tagen nicht.
- Saudiarabien – und in deren Gefolge die Emirate, Bahrain, das von Riad abhängige Ägypten und die machtlose «Regierung» Jemens – verhängten gegen Katar eine totale Wirtschaftsblockade und verlangen in einem Ultimatum ein Verbot der Muslimbrüder, das Einstellen des TV-Kanals al-Jazeera und die Schliessung der türkischen Militärbasen. Alle beteiligten Staaten sind mit westlicher Hilfe militärisch hoch gerüstet.
SRF-Tagesschau: Einzige Information am 1. Juli in den «Kurznachrichten». Katars Aussenminister habe mitgeteilt, die oben genannten Forderungen nicht zu erfüllen.
- In der Türkei war die ganze Zeit ein Protestmarsch der Opposition auf dem Weg nach Istanbul.
SRF-Tagesschau: Keine Informationen.
Über die von den USA geleiteten Befreiungen der Grossstädte Mossul und Rakka vom IS informierte die Tagesschau zweimal etwas ausführlicher. Bilder zeigten Bodenkämpfer und einige zerstörte Häuser. Allerdings – anders als damals in Aleppo – kein Wort von Luftangriffen, keine Informationen darüber, wer wie häufig die Altstadt in Mossul mit noch rund 100’000 dort eingeschlossenen Einwohnern sowie die Stadt Rakka bombardiert – obwohl in Rakka auch westeuropäische Kampfflugzeuge im Einsatz sind. Auch keine Zeugenaussagen geflüchteter Einwohner.
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Diese Angaben wurden aufgrund einer Internet-Übersicht erstellt. Falls ein Tagesschau-Bericht übersehen wurde, bitten wir um Meldung an die Redaktion.
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Siehe auch:
Tagesschau verschweigt den Terror-Krieg in Jemen, 15. Juni 2017
Katar-Konflikt: Schwertertanz und Falkenjagd, 7. Juni 2017
UNO warnt vor Hungertod von 20 Millionen Menschen, 13. März 2017
«Marsch der Entrechteten» fordert Erdoğan heraus, 6. Juli 2017
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
Danke, Herr Gasche, für diese Einschätzung, die ich absolut teile, auch wenn meine «Beurteilungsperiode» ca. 3 Jahre zurück liegt! Damals habe ich auf ARD, ZDF, FAZ, » Die Zeit» oder die Nachrichten von DRS ( inkl. Echo der Zeit) umgeschaltet. Ich habe nie begriffen, weshalb die DRS Nachrichten so viel ausgewogener sind als die Tagesschau!
Unerträglich, die gespielt überbetonte Lust, schlechte Nachrichten zu übermitteln, um sie dann mit Inlandberichten wieder übertünchen zu wollen. Das funktioniert nicht. Die SRF-News-Sendungen halten uns in dieser Hinsicht für blöd. Gredig geht weg, zu einem US-amerikanischen Konzern. Passt zu ihm. – Ein Qualitätsvergleich mit Deutschland wäre unfair, da der nördliche Nachbar fortschrittlicher und grösser ist und das öffentlich-rechtliche TV sowieso. Ausdruck dessen, was am TV punkto Information möglich wäre, ist die Heute-Show im ZDF als deutschsprachiges Highlight.
Das habe ich schon lange bemerkt ubd kann deb Bericht nur bestötigen. Will man u.a. auxh ganze/kirrektere/genauere infis erhalten brazcht man wiekluxh ARD/ZDF oder andere D-Sender ja sogar bisweilen auch Al Jazira/BBC/CNN. Frage much schon länger ob SRF eher bloss eine art «internat.lojalsender» sein soll und was das mir den viel geor. Service public zu tun haben soll
@Küng. Private TV-Stationen informieren über Hunger und Krieg miserabel. Umso wichtiger wäre es, dass die SRF-Tagesschau zu einer Quelle relevanter Informationen würde.
@Urs P. Gasche . Ich stimme Ihnen voll zu. Ich schaue mir nämlich prinzipell keine privaten Sender an. Das Niveau dort scheint mir eh ….
Gleichzeitig teile ich Ihnen mit, dass ich froh bin auf infosperber gestossen zu sein.
M f G Ernst Küng
Vielleicht ist die Berichterstattung bei ARD/ZDF teilweise etwas umfassender, aber meiner Meinung nach überhaupt nicht weniger voreingenommen als diejenige vom SRF.
"Es ist einer der wichtigsten Aspekte unseres Mediensystems – und dennoch in der Öffentlichkeit nahezu unbekannt: Der größte Teil der internationalen Nachrichten in all unseren Medien stammt von nur drei globalen Nachrichtenagenturen aus New York, London und Paris."
Quelle:
https://swprs.org/