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Grösste Flüchtlingskrise unserer Zeit erfordert eine exponentielle Zunahme der globalen Solidarität © pixabay.com

Syrische Flüchtlinge – globale Solidarität wacklig

Andreas Zumach /  Eine halbe Million syrische Flüchtlinge aufnehmen – das verlangt Generalsekretär Ban Ki-moon von UNO-Mitgliedern, bis 2018.

Fast fünf Millionen Syrerinnen und Syrer sind seit Beginn des Krieges im März 2010 aus ihrem Heimatland geflohen. Weitere acht Millionen wurden innerhalb Syriens vertrieben. Insgesamt 13,5 Millionen SyrerInnen – über 60 Prozent der Vorkriegsbevölkerung – sind inzwischen abhängig von humanitärer Versorgung durch das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR), das Welternährungsprogramm (WFP) der Vereinten Nationen, das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) oder eine der zahlreichen im Syrienkonflikt engagierten Nichtregierungsorganisationen (NRO).

480.000 «besonders verletzliche Flüchtlinge»

Diese grösste humanitäre Krise seit Ende des Zweiten Weltkrieges war gestern (Mittwoch 30. März 2016) zum wiederholten Mal Thema einer internationalen Konferenz in Genf. Eindringlich appellierten UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon und der Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge Filippo Grandi an die anwesenden Regierungsvertreter von 90 der 193 Mitgliedsstaaten, im Rahmen eines «humanitären Umsiedlungsprogramms» bis Ende 2018 wenigstens 480.000 syrische Flüchtlinge aus Libanon, Jordanien, Irak und der Türkei aufzunehmen. Die «grösste Flüchtlingskrise unserer Zeit» erfordere eine «exponentielle Zunahme der globalen Solidarität», erklärte der UNO-Generalsekretär. Doch bis zum Ende der Konferenz am Abend kamen von den 90 Teilnehmerstaaten der Konferenz lediglich Zusagen für die Aufnahme von knapp 7.000 Flüchtlingen zusammen. Das UNHCR hofft nun auf weitere Zusagen bei einer nächsten Flüchtlingskonferenz am Rande der UNO-Generalversammlung Mitte September in New York.

480.000 sind gerade einmal zehn Prozent der 4,8 Millionen Flüchtlinge, die in den letzten fünf Jahren Aufnahme in den schon seit geraumer Zeit völlig überlasteten vier Nachbarländern Syriens gefunden haben. 480.000 von ihnen gelten als «besonders verletzliche Flüchtlinge»: Alte und Kranke, Kinder, die im Krieg ihre Eltern verloren haben, Verwundete oder durch Krieg, Vertreibung und Flucht schwer traumatisierte Personen. Bereits seit September 2013 appelliert das UNHCR an die Mitgliedsstaaten, durch die Aufnahme syrischer Flüchtlinge aus Libanon, Jordanien, dem Irak und der Türkei diese Länder zu entlasten. Doch bis zum 22. März dieses Jahres erhielt das UNHCR nach offizieller Mitteilung von den 193 UNO-Mitgliedsstaaten lediglich Zusagen für die Aufnahme von 170.000 besonders verletzlichen Flüchtlingen. Oxfam und andere für die syrischen Flüchtlinge engagierten NROen beziffern die Summe der tatsächlichen Zusagen sogar nur auf knapp 130.000. Denn einige Staaten hätten ihre Zusagen mit unerfüllbaren Bedingungen verknüpft oder einmal gemachte Zusagen später wieder zurückgezogen.

Aufnahme eines «fairen Anteils»

Oxfam rief alle 193 UNO-Mitglieder, insbesondere die reichen Staaten, dazu auf, verbindliche Zusagen zu machen für die Aufnahme eines «fairen Anteils» der 480.000 besonders verletzlichen Flüchtlinge – und dies bis spätestens Ende 2016. Den «fairen Anteil» berechnet Oxfam in einer am Dienstag veröffentlichen Studie nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der potentiellen Aufnahmeländer.
Nach diesem Berechnungskriterium hat Norwegen sein Soll bereits mit 249 Prozent übererfüllt. Danach folgen Kanada mit 239 Prozent, Deutschland (114) und Australien. Allerdings erstrecken sich die Zusagen der Regierung in Canberra auf einen sehr langen Zeitraum von vielen Jahren, und es ist unklar, ob unter das dem UNHCR zugesagte Aufnahmekontingent nicht auch irakische Flüchtlinge fallen.

Vier weitere Länder haben mit ihren bisherigen Zusagen wenigstens mehr als die Hälfte ihres «fairen Anteils» erfüllt: Finnland zu 85 Prozent, Island (63) sowie Schweden und Neuseeland mit je 60 Prozent. Die Schlusslichter unter den reichen Industriestaaten des Westens bilden die USA und Italien mit jeweils sieben Prozent vor Frankreich sowie den Niederlanden (je vier Prozent) und Japan. Die Regierung in Tokio hat bislang überhaupt keine Zusage für die Aufnahme syrischer Flüchtlinge gemacht. Dasselbe gilt für China, Russland sowie Saudiarabien und die anderen fünf reichen Ölstaaten am Persischen Golf.

Allerdings bedeuten die bis zur gestrigen Konferenz beim UNHCR eingegangenen Zusagen für die Aufnahme von knapp 130.000 besonders verletzlichen syrischen Flüchtlingen keineswegs, dass diese Menschen auch bereits aufgenommen wurden. Tatsächlich konnten seit September 2013 von den 4,8 Millionen syrischen Flüchtlingen in Libanon, Jordanien, Irak und der Türkei bislang nur 67.100 – oder 1,39 Prozent – in Drittstaaten umgesiedelt werden.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Andreas Zumach ist spezialisiert auf Völkerrecht, Menschenrechtspolitik, Sicherheitspolitik, Rüstungskontrolle und internationale Organisationen. Er arbeitet am europäischen Hauptsitz der Uno in Genf als Korrespondent für Printmedien, wie beispielsweise die «Tageszeitung taz», «Die Presse» (Wien), die «WoZ» und das «St. Galler Tagblatt» sowie für deutschsprachige Radiostationen und das «Schweizer Fernsehen SRF». Bekannt wurde Zumach 2003 als Kritiker des dritten Golfkrieges. Im Jahr 2009 wurde ihm der Göttinger Friedenspreis verliehen.

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