Syrienverhandlungen erstmals mit Beteiligung Irans
In Wien beginnen heute Abend die Verhandlungen auf Aussenministerebene über eine Beendigung des Mehrfrontenkrieges in Syrien, an denen neben den mittelbar oder unmittelbar kriegsbeteiligten Staaten USA, Russland, Saudi Arabien und Türkei ab morgen Freitag erstmals auch der Iran teilnehmen wird, der die syrische Regierung bislang mit Waffen und Söldnern unterstützt hat.
Verhandelt werden soll über die Modalitäten für die Ablösung von Syriens Präsident Bashar al-Assad. US-Aussenminister John Kerry und sein russischer Amtskollege Sergej Lavrov wollen zudem über einen von Frankreich, Grossbritannien und Spanien eingebrachten Entwurf für eine Resolution des UNO-Sicherheitsrates zum Verbot des Einsatzes von Fassbomben durch die syrischen Regierungstreitkräfte beraten.
Modell für eine Übergangslösung diskutiert
Die Teilnahme Irans an einer ersten Syrien-Verhandlungsrunde zwischen Kerry, Lavrow und ihren Amtskollegen aus Riad und Ankara am Freitag letzter Woche in Wien war noch am Widerspruch der Obama-Administration wegen «Teherans destabiliserender Aktivitäten in Syrien» gescheitert. Inzwischen ist die Administration laut John Kirby, dem Sprecher des US-Aussenministeriums, jedoch «zu der Erkenntnis gelangt, dass wir auf der Suche nach einer politischen Übergangslösung in Syrien mit Teheran sprechen müssen».
Bei informellen Kontakten der letzten Wochen zwischen der Türkei, Russland, Saudiarabien und den USA wurde nach übereinstimmenden Angaben von Diplomaten dieser Länder bereits ein Modell für eine Übergangslösung diskutiert. Danach soll Präsident Assad nach der offiziellen Vereinbarung einer Übergangslösung noch für maximal sechs Monate im Amt verbleiben und bei den dann stattfindenden Wahlen nicht mehr kandidieren. Einer solchen Lösung könnten auch die Regierungen in Moskau und Teheran zustimmen. Diese beiden Regierungen halten entgegen zahlreicher Darstellungen durch westliche Politiker und Medien keineswegs an der Person Assad fest.
Assad will nicht freiwillig abtreten
Doch sie bestehen darauf, dass das Assad-Regime nicht – wie 2011 Ghaddafi in Libyen – durch eine militärische Intervention von aussen oder von aus dem Ausland gesponserten bewaffneten Oppositionskräften gestürzt wird, sondern «durch einen geordneten, innersyrischen Prozess und durch Wahlen» abgelöst wird, bei dem auch Russlands Interessen in Syrien – u.a. am Erhalt der russischen Marinebasis in Tartus am Mittelmeer – gesichert werden.
Das Problem: Assad ist nicht zum Machtverzicht bereit. Am letzten Sonntag kündigte er an, bei künftigen Präsidentschaftswahlen erneut zu kandidieren. In der russischen Regierung wächst die Ungeduld mit Assad. Zumal der syrische Präsident bereits 2014 und erneut in diesem Jahr Initiativen Moskaus für Verhandlungen seines Regimes mit von Moskau vorgeschlagenen gemässigten Vertretern der Opposition torpedierte.
Mehrere von der Regierung Putin zur Vorbereitung derartiger Verhandlungen nach Moskau eingeladene Oppositionsvertreter, die eventuell auch als Mitglieder einer künftigen Übergangsregierung in Damaskus in Frage kämen, wurden nach ihrer Rückkehr nach Syrien ermordet, verhaftet oder verschwanden spurlos.
Russland wird möglicherweise Druck auf Assad machen
Anlässlich des Besuchs von Assad bei Putin in der letzten Woche erklärte ein russischer Diplomat gegenüber Infosperber, die persönlichen Beziehungen zwischen den beiden Präsidenten seien «schlechter als die zwischen den Aussenministern Kerry und Lavrov». Um Assad zum Machtverzicht zu bewegen, werde Russland möglicherweise im UNO-Sicherheitsrat der Resolution zum Einsatzverbot für Fassbomben zustimmen oder sich zumindest enthalten. Damit würde Moskau erstmals seit Beginn des Syrienkonflikts im Frühjahr einen Beschluss des Sicherheitsrates nach Kapitel 7 der UNO-Charta zulassen.
Dieses Kapitel erlaubt für den Fall der Nichteinhaltung einer Resolution politische, wirtschaftliche und im Extremfall auch militärische Zwangsmassnahmen zu ihrer Durchsetzung. Russland wird allerdings nur einer Resolution zustimmen, die für den Fall ihrer Nichteinhaltung keine automatischen Zwangsmassnahmen vorsieht, sondern die Verhängung und Umsetzung konkreter Massnahmen von einem weiteren Beschluss des Sicherheitsrates abhängig macht.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine. Andreas Zumach ist spezialisiert auf Völkerrecht, Menschenrechtspolitik, Sicherheitspolitik, Rüstungskontrolle und internationale Organisationen. Er arbeitet am europäischen Hauptsitz der Uno in Genf als Korrespondent für Printmedien, wie beispielsweise die tageszeitung (taz), Die Presse (Wien), die WoZ und das St. Galler Tagblatt, sowie für deutschsprachige Radiostationen und das Schweizer Fernsehen SRF. Bekannt wurde Zumach 2003 als Kritiker des dritten Golfkrieges. Im Jahr 2009 wurde ihm der Göttinger Friedenspreis verliehen.