Kommentar
Syrienkonferenz: Ausgeschlossene sind ein Risiko
Verhandlungen zur Beendigung eines Gewaltkonflikts waren in der Vergangenheit nur erfolgreich, wenn alle Gewaltakteure auch an den Verhandlungen beteiligt wurden. Gegen diese Erfahrung verstiessen die Initiatoren der ab kommenden Montag geplanten Genfer Verhandlungen zwischen der syrischen Regierung und einer gemeinsamen Oppositionsdelegation bereits mit dem im Konsens erfolgten Ausschluss des «Islamischen Staates».
Dieser Konsens fiel insofern leicht, als der IS seinerseits überhaupt kein Interesse an Verhandlungen zeigte. Zumindest bislang. Denn im Unterschied zu sämtlichen Akteuren, die seit Ende des Zweiten Weltkrieges als Terroristen eingestuft wurden, erheben die IS-Milizen keinerlei politische Forderungen an irgendeine Adresse, über die zu verhandeln wäre. Sondern sie haben einfach Tatsachen geschaffen – nämlich ihren Staat.
Der ebenfalls im Konsens aller Konferenzinitiatoren erfolgte Verhandlungsausschluss der durchaus mit politischen Forderungen auftretenden Al-Nusra-Front, Ableger des Al-Kaida-Netzwerkes in Syrien, wird sich wahrscheinlich nicht durchhalten lassen. Zumal dieser Ausschluss sehr widersprüchlich ist, wenn zugleich auf Verlangen Saudi Arabiens und der Türkei die Jaysh al-Islam (Armee des Islam) und andere islamistisch-salafistische Gruppen mit zum Teil engen ideologischen und operativen Verbindungen zur Al-Nusra-Front der gemeinsamen Oppositionsdelegation am Genfer Verhandlungstisch angehören sollen.
Die USA und die EU unterstützen diese Forderung bislang in der Illusion, diese Gruppen könnten Bündnispartner im Kampf gegen den IS sein. Sollte es trotz all dieser Widersprüche zu den Verhandlungen in Genf kommen und dort dann gar zu Vereinbarungen über einen Waffenstillstand, die ungehinderte humanitäre Versorgung der Bevölkerung und eine Übergangsregierung, hätten alle vom Verhandlungstisch ausgeschlossenen Gewaltakteure das Potential, diese Vereinbarungen vor Ort in Syrien zu torpedieren.
Das gilt auch für den IS. Daher wird wahrscheinlich eines Tages auch ein wie immer geartetes Arrangement mit dem IS unvermeidlich sein, um den Krieg in Syrien dauerhaft zu beenden.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine. Andreas Zumach ist spezialisiert auf Völkerrecht, Menschenrechtspolitik, Sicherheitspolitik, Rüstungskontrolle und internationale Organisationen. Er arbeitet am europäischen Hauptsitz der Uno in Genf als Korrespondent für Printmedien, wie beispielsweise die tageszeitung (taz), Die Presse (Wien), die WoZ und das St. Galler Tagblatt, sowie für deutschsprachige Radiostationen und das Schweizer Fernsehen SRF. Bekannt wurde Zumach 2003 als Kritiker des dritten Golfkrieges. Im Jahr 2009 wurde ihm der Göttinger Friedenspreis verliehen.