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Die «Jerusalem Post» erinnert an die Gewaltszene von 2006 © JP

Siedler wehren sich gegen Ultimatum zum Räumen

Stephan Klee /  Es geht um eine seit zwanzig Jahren illegal erstellte Siedlung im besetzen Westjordanland. Jetzt droht erneute Gewalt.

upg. Das Besondere in Amona im Westjordanland: Diese Siedlung verletzt nicht «nur» das Völkerrecht, sondern ist auch nach israelischem Recht illegal. Schon vor zehn Jahren gab es in Amona bei gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Siedlern und der israelischen Polizei mehr als 300 Verletzte und eine tiefe Narbe.

Frist bis zum 25. Dezember

Die illegale Siedlung Amona existiert seit 1996. Das höchste Gericht Israels gab den 40 betroffenen Familien bereits im Dezember 2014 eine letzte Frist bis zum 25. Dezember 2016, um den auch nach israelischem Recht illegalen Aussenposten zu räumen, die Wohnwagen wegzufahren und die Fertighäuser zu zerstören. Die Zahl ähnlicher, illegaler Aussenposten im besetzten Westjordanland schätzt die israelische Regierung auf über hundert.
Ob es sich um das letzte Ultimatum handelte, ist fraglich. Das oberste Gericht ordnete die Aufhebung des Aussenpostens Amona seit 1997 schon dreimal vergeblich an. Amona gilt heute als Symbol für die Macht der Siedler. Eine weitere Verlängerung des gerichtlichen Ultimatums scheint wahrscheinlich.

Freiwillig jedenfalls wollen die Siedler Amona nicht verlassen, berichtete die New York Times. Im Dezember würden bis zu 20‘000 Unterstützer für die Siedler erwartet1, um eine gewaltsame Räumung zu verhindern. Die NYT zitiert den Siedler Avichay Buaron, einen Anwalt, der kurz nach der Eröffnung 1996 in die Siedlung eingezogen war2: «Ich werde mich auf den Boden setzen, mit meinen Armen auf dem Rücken … Tausende werden sich niedersetzen. Und wenn sie uns schlagen wollen, nehmen wir die Schläge hin.»
US-Proteste verhallen ungehört
Die Regierung plant, einige Kilometer von Amona entfernt, östlich von Shilo, eine neue Siedlung zu bewilligen, damit die Siedler von Amona dorthin ziehen könnten. Diese neue Siedlung im besetzten Westjordanland ist jedoch nach internationalem Recht illegal, weshalb die US-Regierung am 5. Oktober offiziell dagegen protestierte. Solche Proteste fanden in der Vergangenheit allerdings kein Gehör: Die Zahl der Siedler in von Israel offiziell bewilligten Siedlungen stieg nach Angaben der «New York Times» von 250’000 im Jahr 2006 auf heute über 400’000.
Das israelische Siedlungsprogramm ist wohl der grösste Stolperstein für eine Zweistaatenlösung, also zwei unabhängige Länder Israel und Palästina. Dieses Ziel unterstützen offiziell auch Präsident Barack Obama und die EU.
Die NYT-Korrespondentin spricht von einer Zerreissprobe für die rechts-konservative israelische Regierung: «Wie weit geht die Regierung, um einen Zusammenstoss mit ihren Wählern zu vermeiden und den mehr als 100 illegalen Aussenposten Rechte zu verleihen? Premierminister Benjamin Netanyahu muss die Balance finden zwischen den Forderungen seiner konservativen Koalitionspartner, der israelischen Justiz und der internationalen Politik, welche die Siedlungen überwiegend als illegal betrachtet.»

Verlassenes Land bleibt im Besitz der früheren Bewohner
Sobald Palästinenser militärisch besetztes Land als ihr Land beanspruchen, muss es an sie zurückgegeben werden, sagt Michael Sfard, ein israelischer Anwalt, der im Namen der israelischen Menschenrechtsbewegung Yesh Din die Interessen der palästinensischen Landbesitzer verteidigt. Denn als die Besetzung im Sechs-Tage-Krieg 1967 begann, war es die Aufgabe des Militärs, aufgegebenes Land zu beschützen, bis die Besitzer wieder zurückkehren.
Es ist jedoch nicht einfach, die rechtmässigen Besitzer zu finden. Israel versuchte es mit Inseraten, in denen eine Karte abgebildet wurde, damit sich alle melden können, welche Land beanspruchen.
Anders sieht es der Autor David Israel. Er beruft sich in der «Jewish Press» auf die Bibel und meint, dass die Benjamiterstadt Kfar-Amoni (Jos. 18.24) Vorläuferin von Amona3 sei, und es sich schon damals um eine Befreiung von besetztem Land durch den israelischen Stamm Benjamins handelte. Weiter erklärt er, dass viele Siedler das Land den Palästinensern abkauften, es aber keine Verträge gebe, weil der Verkauf von Land an Juden verboten sei. Makler, die es trotzdem getan hätten, seien verhaftet und sogar hingerichtet worden.
Der israelische Journalist Nahum Barnea befürchtet in den Ynetnews einen Präzedenzfall: «Wird Amona evakuiert, müssten bis zu 3‘000 weitere Siedlungen mit einem ähnlichen Status ebenso evakuiert werden. Es wäre das Ende der Welt, als ob der heilige Tempel zerstört würde.»
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DOSSIER: «Atommacht Israel und ihre Feinde»
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FUSSNOTEN
1) 2006 waren es rund 4‘000. Will Israel im selben Verhältnis mit Sicherheitskräften auftreten wie damals, müsste diese Truppe also 50‘000 Mann stark sein.
2) Wo er auch geheiratet und sieben Kinder bekommen hat.
3) Laut Yehoseph Schwarz ist die Stadt allerdings nicht mehr bekannt, wie er in seinem Buch «Das Heilige Land nach seiner ehemaligen und jetzigen geographischen Beschaffenheit» von 1832 schreibt.
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Diesen Beitrag hat Stephan Klee auf Basis von Berichten in der «New York Times» und «The Jerusalem Post» erstellt.


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Eine Meinung zu

  • am 24.10.2016 um 16:31 Uhr
    Permalink

    Die ganze Welt schaut dem schandhaften Treiben der Israeli zu. Niemand unternimmt etwas dagegen und riskiert den Verlust der Unterstützung dieser Finanzmacht. Hillary weiss genau, weshalb sie sich bei diesem Unrechtsstaat dermassen anbiedert und Obamas zaghafte Bemühungen untergräbt.

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