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«Unsere Rechte auf Nahrung, Wohnen, Wasser und Gesundheit und Schule sind bedroht» © Human Rights Watch

Sambia: Landraub als Entwicklungshilfe

Daniela Gschweng /  Sambia fördert die Entstehung von Megafarmen – auf Kosten der Bevölkerung, die von ihrem Land vertrieben wird.

Sambias Regierung vergibt seit Jahren grosse Stücke Ackerland an einheimische und ausländische Investoren, um die Exporteinnahmen zu erhöhen. Als Folge davon werden Bewohner von ihrem Land vertrieben, weil es an grosse Agrarkonzerne verkauft wurde. Oft ohne Kompensation, wie es das Gesetz vorsieht, gelegentlich sogar ohne Vorwarnung. Europäische Organisationen und Konzerne beteiligen sich an diesem Landraub, hat die Non-Profit-Organisation FIAN dokumentiert.

Die Kleinbauern werden obdachlos, leben in Zelten oder bekommen ein minderwertiges Stück Land zugewiesen. Einige wandern sogar ins Gefängnis, weil sie weiter auf dem Land leben, auf denen schon ihre Eltern gewirtschaftet haben.

Investoren, Selbstversorger und kollektives Eigentum

Neben Bergbau ist die Landwirtschaft der wichtigste wirtschaftliche Pfeiler Sambias. Ein Grossteil der Bevölkerung lebt vom und auf dem Land. 60 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe sind Klein- und Kleinstbetriebe. Zusammen produzieren sie 85 Prozent der Nahrungsmittel, vor allem Hirse und Mais, aus dem das Nationalgericht Nshima hergestellt wird. Der Maisbrei ist die Grundlage der meisten Mahlzeiten. Tabak, Zuckerrohr, Erdnüsse und Baumwolle werden zum Verkauf angebaut, Gemüse wird auf dem Markt verkauft, wenn es Überschüsse gibt. Traditionell wird das Land kollektiv bewirtschaftet.

Um konkurrenzfähig zu werden, will das Land mechanisierte Landwirtschaft im grossen Stil. Die Entwicklung grosser Farmen mit mehreren hundert oder tausend Hektaren wird massiv gefördert. Im Zuge einer Landreform werden grosse Gebiete in Staatseigentum überführt und an einheimische wie ausländische Investoren verkauft. Der Käufer verpflichtet sich im Gegenzug die Übernahme einvernehmlich zu regeln und die Bewohner zu entschädigen.

Gut gemeint – aber nicht gut gemacht

Die Realität sieht anders aus: Bewohner gibt es fast immer, Entschädigungen oft nicht. Viele erfuhren erst vom Verkauf des Landes, auf dem sie lebten, als der Vermesser oder gar die Bagger dort auftauchten, um ihre Häuser abzureissen.

«Unsere Rechte auf Nahrung, Wohnen, Wasser und Gesundheit und Schule sind bedroht»
«Human Rights Watch» (HRW) hat mehr als 130 Interviews mit Betroffenen im Distrikt Serenje geführt und wirft der sambischen Regierung Menschenrechtsverletzungen vor. Regierung und Grundbesitzer verletzten das Recht der Sambier auf Wohnung, Nahrung und Schulbildung.

Bewohner, die zwangsumgesiedelt wurden, bekamen minderwertigen Flächen zugewiesen und können sich nicht mehr selbst ernähren. Sie leben weit entfernt von Wasserstellen oder Schulen, obwohl es in Sambia eine Schulpflicht gibt.

Gefängnisstrafen für die «Besetzung» des eigenen Lands

Einige Dutzend Personen, berichtet HRW, harren seit 2013 in Zelten aus, Ackerbau wurde ihnen verboten. Während des ersten Jahres bekamen sie Nahrungsmittel von der Regierung, seither warten sie darauf, dass sie umgesiedelt werden.

Im Mai 2017 warnten die Vereinten Nationen davor, dass Sambier und Sambierinnen zu Besetzern des Landes werden könnten, auf dem sie geboren sind und das sie seit Generationen bewirtschaften. Zwei Sambierinnen wanderten laut HRW deswegen für drei Monate ins Gefängnis. Andere Quellen berichten von ähnlichen Fällen.

Besonders betroffen sind Frauen. Sie machen einen Grossteil der Arbeit in der Landwirtschaft, verwalten die Finanzen und versorgen neben den eigenen Kindern oft eine oder mehrere der in Sambia zahlreichen AIDS-Waisen. Bei der Umverteilung des Ackerbodens wird ihnen oft nicht einmal ein Mitspracherecht zugestanden.

Gesetze gäbe es – nur durchgesetzt werden sie nicht

«Die Bewohner von Serenje wurden von der kommerziellen Landwirtschaft überrumpelt», fasst es Patrick Musole zusammen, Der Programmleiter der «Zambia Land Alliance», einem Zusammenschluss von Nichtregierungsorganisationen, die sich um die Rechte der Anwohner kümmert, wirft der sambischen Regierung und den Grossfarmern vor, ohne Rücksicht auf die Einwohner vorgegangen zu sein.

Entsprechende Gesetze gäbe es und sie sind den Unternehmen auch bekannt. Nur durchgesetzt werden sie nicht. Der sambischen Regierung fehlen Geld und Personal, es mangelt an Kontrollen und am guten Willen der Gegenseite. «Investoren nehmen die Abkürzung. Sie sprechen mit dem Präsidenten und den Ministern. Sie kennen die Richtlinien, aber wenn sie in Afrika sind, kaufen sie sich frei», sagte ein ehemaliger Angestellter der sambischen Entwicklungsagentur zu HRW.

Die Financiers sitzen auch in Europa

Ein Bericht der Organisation FIAN (Food First Information and Action Network), der am 11. Oktober 2017 dem Europäischen Parlament vorgestellt wurde, dokumentiert, wie Akteure aus Europa am Landgrabbing in afrikanischen Ländern beteiligt sind. Zum Beispiel beim Unternehmen «Agrivision Zambia» mit Sitz in Mauritius, das bis 2016 in Sambia mindestens 18’000 Hektar an landwirtschaftlicher Fläche erworben hat.

Finanziert werde «Agrivision Zambia» unter anderem von einem Fonds mit Sitz in Luxemburg, an dessen Gründung das deutsche Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), die Entwicklungsbank KfW und die Deutsche Bank AG beteiligt waren. Weitere Investoren seien die Österreichische Entwicklungsbank (OeEB) und die Europäische Kommission, schreibt FIAN, das die Förderung von Megafarmen seit Jahren kritisiert. Oder das Unternehmen «Zambeef», das von der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) Millionen langfristiger Kredite erhalten hat und nun dort, wo einst Kartoffeln, Tomaten und Mangos wuchsen, Soja für Viehfutter anbaut.

Mehr über Sambia auf Infosperber:
«Schweizer Rohstoffkonzern hat Sambia gedroht», Infosperber 2017

Mehr über Landraub (Land Grabbing) auf Infosperber:
«Schweizer Öko-Zertifikat für das Land Grabbing», Infosperber 2013
«Die weltweite Jagd der Satten auf das fruchtbare Land», Infosperber 2012

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Diesen Beitrag hat Daniela Gschweng aufgrund eines Berichts von «Human Rights Watch» und anderer Quellen erstellt. Grosse Medien in der Schweiz haben bisher nicht darüber berichtet.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

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2 Meinungen

  • am 6.11.2017 um 17:15 Uhr
    Permalink

    Sehr gut, dass der Infosperber auf das Thema Landraub aufmerksam macht! Greenpeace berichtete letztes Jahr über einen Fall in Sierra Leone, an dem mit Addax ebenfalls eine Schweizer Firma beteiligt war. Das Projekt wurde zum Desaster für alle Beteiligten, und Addax hat sich inzwischen aus dem Gebiet, fast so gross wie der Kanton BL, zurückgezogen. Dort ging es um die Produktion von Bioethanol, also um sogenannt umweltfreundliche Technologie …

    Das Landgrabbing funktioniert nach dem Prinzip, afrikanische Länder zuerst als «arm» darzustellen – was sie unter dem Ressourcenanspekt überhaupt nicht sind – und sie dann unter dem Deckmantel der «Entwicklungshhilfe» auszubeuten. Dabei geht es den jeweiligen Investoren (aus allen Teilen der Welt) naturgemäss um nichts anderes als Expansion, Marktdominanz und finanziellen Gewinn.

  • am 6.11.2017 um 18:47 Uhr
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    Was können wir nun tun? Solange auf politischer und gesetzlicher Ebene nichts läuft, ist es unsere Verantwortung, bei jedem Einkauf zu überlegen, wie die Produkte hergestellt wurden. Bei möglichst unverarbeiteten pflanzlichen Lebensmitteln ist die Herstellung relativ einfach nachzuvollziehen – ein Blick auf das Herkunftsland reicht meist aus. Tierische Lebensmittel hingegen haben meistens eine lange intransparente Produktionskette hinter sich. Nicht mal die Bauern können nachprüfen, wie das Tierfutter hergestellt wurde – momentan ist hier z.B. die Diskussion über Palmöl in Tierfutter aktuell. Das Thema Soja aus Sambia passt auch dazu. Wir müssen damit rechnen, dass unsere tierischen Produkte direkt mit dem Soja aus Sambia zu tun haben. Zum Glück können wir selber entscheiden, welche Produkte wir kaufen oder eben nicht: Jeder Franken ist Politik.

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