Rüstungslobby will Milliarden-Hilfe nicht kontrolliert haben
Red. Hoh ist seit 2010 Senior Fellow am Center for International Policy in Washington.
Der republikanische Senator Rand Paul und der Demokrat Bernie Sanders verlangten, dass die für die Ukraine bereits zugesicherter Gelder und Waffen in Höhe von mehr als 100 Milliarden Dollar überwacht werden sollten. Doch am 26. Juli lehnte der US-Senat ihren Antrag mit einer Mehrheit von vier Fünfteln ab. Interessenvertreter der Rüstungslobby stimmten dagegen.
Die Argumente der Senatoren Paul und Sanders
Rand Paul:
«Rechenschaftspflicht und Transparenz sind die Grundpfeiler einer verantwortungsvollen Demokratie. Keine Institution steht über der Kontrolle, vor allem nicht das Verteidigungsministerium, das über das grösste Budget aller Bundesbehörden verfügt und die grösste verfassungsmässige Verantwortung wahrnehmen muss. Wir müssen sicherstellen, dass unsere Verteidigungsausgaben korrekt, rechenschaftspflichtig und im besten Interesse der amerikanischen Steuerzahler sind.»
Bernie Sanders:
«Das Pentagon und der militärisch-industrielle Komplex sind seit Jahrzehnten von massiver Verschwendung, Betrug und finanzieller Misswirtschaft geplagt. Das ist absolut inakzeptabel. Wenn es uns ernst damit ist, die Gelder der Steuerzahler vernünftig und effektiv auszugeben, müssen wir die Absurdität beenden, dass das Pentagon die einzige Behörde der Bundesregierung ist, die nie eine unabhängige Prüfung bestanden hat.»
Die Forderung nach einem Sondergeneralinspektor abzulehnen, ist verstörend. Wir erinnern uns an das, was wir in Afghanistan und im Irak erlebten. Und wir wissen um die Korruption der ukrainischen Regierung. Man kann ein Land, geschweige denn ein Land, das sich im Krieg befindet, nicht einfach mit einer solch gewaltigen Menge an Geld und Material überschwemmen.
Über einen Zeitraum von zwanzig Jahren hatten die USA 146 Milliarden Dollar für die militärische und wirtschaftliche Unterstützung Afghanistans aufgewendet. Das ist mehr als die USA für den Marshallplan zum Wiederaufbau Europas nach dem Zweiten Weltkrieg ausgaben.
Doch der Afghanistankrieg und sein Schwesterkrieg im Irak entpuppten sich als eklatante Kloaken der Korruption, des Betrugs und der Verschwendung, die nur dazu führten, dass sich korrupte Beamte bereicherten, Warlords gestärkt wurden und Rüstungs- und Entwicklungsunternehmen davon profitierten, während Regierungen und Armeen aufgebaut wurden, die nichts weiter als Kartenhäuser waren.
Für die militärische und wirtschaftliche Unterstützung der Ukraine hat der US-Kongress in weniger als 18 Monaten bereits 113 Milliarden Dollar bewilligt, wobei der grösste Teil davon schon ausgegeben wurde. Bereits hat es bei der Ukraine-Hilfe einen «Buchungsfehler» in Höhe von sechs Milliarden Dollar gegeben.
Dennoch hat der US-Senat am 26. Juli mit überwältigender Mehrheit einen Änderungsantrag zur Schaffung von Kontrollmechanismen für die Ukraine-Hilfe abgelehnt. Das zeigt den Einfluss und die Gefahren des militärisch-industriellen Komplexes, vor dem uns Präsident Dwight Eisenhower vor mehr als sechzig Jahren gewarnt hatte.
Aus meiner eigenen Erfahrung als Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums und des Aussenministeriums im Irak und in Afghanistan sowie in Washington DC kann ich sagen, dass einem Land, in dem schon vor der russischen Invasion Korruption verbreitet war, und das nun in die Reibungen und Brüche des Krieges verwickelt ist, diese Geld- und Materialflut wie Wölfen zum Frass vorgeworfen wird.
Nicht nur die jüngste Geschichte des Afghanistan- und des Irak-Krieges, sondern auch der gesunde Menschenverstand und solide Geschäftspraktiken gebieten es, eine Kontrolle einzuführen. Es ist nicht nachvollziehbar, dass der US-Kongress bereit ist, sich seiner verfassungsmässigen Aufsichtspflicht zu entziehen und zig Milliarden Dollar zu verschleudern – dies in vollem Bewusstsein, welche Auswirkungen die Korruption auf den Ausgang des Krieges haben wird.
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Übersetzung: Deepl/Infosperber. Originalartikel auf Englisch hier.
Autor Matthew Hoh
Hoh ist seit 2010 Senior Fellow am Center for International Policy in Washington. Im Jahr 2009 trat er aus Protest gegen die Entwicklung des Krieges in Afghanistan von seinem Posten im Auftrag des US-Aussenministeriums zurück. Zuvor beteiligte sich Matthew an der Besetzung des Irak, zunächst 2004/5 in der Provinz Salah ad Din mit einem Team des Aussenministeriums für Wiederaufbau und Regierungsführung und dann 2006/7 in der Provinz Anbar als Kompaniechef des Marine Corps. Wenn er nicht im Einsatz war, beschäftigte sich Hoh bis 2008 im Pentagon und im US-Aussenministerium mit den US-Einsätzen in Afghanistan und in Irak.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.