230920 Sergei Lawrow

Der russische Aussenminister Sergei Lawrow am 20. September 2023 vor der UN-Vollversammlung. © ard

Rede des russischen Aussenministers Lawrow im UN-Sicherheitsrat

Red. /  Als Sergei Lawrow vor der UNO-Vollversammlung den Standpunkt Russlands vertrat, verliess Ukraines Präsident Selensky den Saal.

upg. Über die Reden von Ukraines Präsident Wolodymyr Selensky und von US-Präsident Joe Biden am 20. September in New York sind wir aus anderen Medien gut informiert. Über den Standpunkt Russlands, den Aussenminister Sergei Lawrow vortrug, wurde wenig informiert und auch online auf seine Rede nicht verlinkt. Aus diesem Grund dokumentiert Infosperber im Folgenden die ungekürzte und übersetzte Rede Lawrows (Zwischentitel von Infosperber).

Wir gehen davon aus, dass unsere Leserschaft die Ausführungen und Argumente Lawrows ebenso kritisch einordnen kann wie die Reden von Selensky und Biden.

Eines bleibt klar: Der Angriffskrieg Russlands ist ein krasser Verstoss gegen das Völkerrecht. Er ist mit nichts zu rechtfertigen. Das UNO-Recht auf Selbstverteidigung gemäss Artikel 51 der UNO-Charta setzt einen bewaffneten Angriff voraus. Von einem solchen war Russland nicht betroffen.

Doch selbst im Verlaufe des Krieges ist es journalistisch angezeigt, eine interessierte Öffentlichkeit auch über den Standpunkt Russlands zu informieren, ohne dass wir redaktionell nur einige Zitate herauspicken.


Herr Präsident! Herr Generalsekretär, liebe Kollegen

Die bestehende internationale Ordnung wurde auf den Trümmern und den Ergebnissen der kolossalen Tragödie des Zweiten Weltkriegs errichtet. Ihr Fundament war die UN-Charta, das Schlüsselelement des modernen Völkerrechts. Es ist vor allem der UNO zu verdanken, dass ein neuer Weltkrieg mit einer nuklearen Katastrophe abgewendet werden konnte.

Leider hat sich der «kollektive Westen», angeführt von den USA, nach dem Ende des Kalten Krieges willkürlich zum obersten Richter über die Geschicke der Menschheit aufgeschwungen und getrieben von einem Exzeptionalismuskomplex das Vermächtnis der UN-Gründerväter immer häufiger ignoriert.

«Der Westen beruft sich selektiv auf die UNO-Charta»

Heute beruft sich der Westen selektiv auf die Normen und Grundsätze der Charta, von Fall zu Fall, ausschliesslich nach seinen egoistischen geopolitischen Bedürfnissen. Das führt unweigerlich dazu, dass die globale Stabilität untergraben wird, bestehende Spannungsherde verschärft und neue angeheizt werden. Auch die Risiken eines globalen Konflikts nehmen zu. Gerade um sie einzudämmen und die Ereignisse in eine friedliche Richtung zu lenken, hat Russland darauf bestanden und besteht darauf, dass alle Bestimmungen der UN-Charta nicht selektiv, sondern in ihrer Gesamtheit und in ihrer Wechselbeziehung beachtet und angewandt werden, einschliesslich der Grundsätze der souveränen Gleichheit der Staaten, der Nichteinmischung in ihre inneren Angelegenheiten, der Achtung der territorialen Integrität und des Rechts der Völker auf Selbstbestimmung. Das Vorgehen der USA und ihrer Verbündeten stellt eine systematische Verletzung des in der Charta verankerten Gleichgewichts der Anforderungen dar.

Seit dem Zusammenbruch der UdSSR und der Gründung unabhängiger Staaten an ihrer Stelle haben sich die USA und ihre Verbündeten unverhohlen und unverfroren in die inneren Angelegenheiten der Ukraine eingemischt. Wie die stellvertretende US-Aussenministerin Victoria Nuland Ende 2013 öffentlich und sogar stolz zugab, hat Washington fünf Milliarden Dollar ausgegeben, um in Kiew Politiker zu fördern, die dem Westen gegenüber gehorsam sind.

Alle Fakten des «Engineerings» der Ukraine-Krise sind seit langem bekannt, aber man versucht, sie auf jede erdenkliche Weise zu vertuschen, um die ganze Geschichte vor 2014 zu «canceln». Aus diesem Grund könnte das Thema des heutigen Treffens, das vom albanischen Vorsitz vorgeschlagen wurde, nicht passender sein und ermöglicht es uns, die chronologische Kette der Ereignisse zu rekonstruieren, gerade im Zusammenhang mit der Haltung der Hauptakteure zur Umsetzung der Grundsätze und zu den Zielen der Charta der Vereinten Nationen.

«Das Selbstbestimmungsrecht verletzt»

In den Jahren 2004 und 2005 hat der Westen, um einen pro-amerikanischen Kandidaten an die Macht zu bringen, den ersten Staatsstreich in Kiew genehmigt und das ukrainische Verfassungsgericht zur rechtswidrigen Entscheidung gezwungen, einen dritten Wahlgang abzuhalten, der in der Verfassung des Landes nicht vorgesehen war. Während des zweiten Maidan in den Jahren 2013 und 2014 wurde die Einmischung in die inneren Angelegenheiten noch deutlicher. Damals ermutigten eine ganze Reihe von westlichen «Reisenden» die Teilnehmer an den regierungsfeindlichen Demonstrationen direkt zu gewalttätigen Aktionen. Dieselbe Victoria Nuland sprach mit dem US-Botschafter in Kiew über die Zusammensetzung der künftigen Regierung, die von den Putschisten gebildet werden sollte. Gleichzeitig wies sie die EU auf ihren tatsächlichen Platz, den sie in der Weltpolitik aus der Sicht Washingtons hat. Wir alle erinnern uns an ihren anzüglichen Drei-Worte-Satz. Es ist bezeichnend, dass die EU ihn «geschluckt» hat.

Im Februar 2014 wurden von den USA ausgewählte Personen zu Hauptakteuren der blutigen Machtergreifung, die einen Tag nach der – unter den Garantien Deutschlands, Polens und Frankreichs – erzielten Einigung zwischen dem rechtmässig gewählten Präsidenten der Ukraine, Viktor Janukowitsch, und den Führern der Opposition organisiert wurde. 

Der Grundsatz der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten wurde immer wieder mit Füssen getreten.

Unmittelbar nach dem Staatsstreich erklärten die Putschisten, die Rechte der russischsprachigen Bürger der Ukraine zu beschneiden habe unbedingte Priorität. Die Bewohner der Krim und des Südostens des Landes, die sich weigerten, die verfassungswidrige Machtergreifung zu akzeptieren, wurden zu Terroristen erklärt und es wurden «Strafaktionen» gegen sie eingeleitet. Als Reaktion darauf wurden auf der Krim und im Donbas Referenden abgehalten, die in vollem Einklang mit dem in Artikel 1 Absatz 2 der Charta der Vereinten Nationen verankerten Grundsatz der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker stehen.

Westliche Diplomaten und Politiker verschliessen in Bezug auf die Ukraine die Augen vor dieser wichtigsten Norm des Völkerrechts und versuchen, den gesamten Hintergrund und die nachfolgenden Vorgänge auf eine unzulässige Verletzung der territorialen Integrität zu reduzieren. In diesem Zusammenhang möchte ich an die 1970 einstimmig angenommene Erklärung der Vereinten Nationen über die Grundsätze des Völkerrechts, die freundschaftlichen Beziehungen und die Zusammenarbeit zwischen den Staaten in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen erinnern. Diese Erklärung hält fest, dass der Grundsatz der Achtung der territorialen Integrität «für Staaten gilt, die in ihrem Handeln den Grundsatz der Gleichberechtigung und der Selbstbestimmung der Völker beachten […] und infolgedessen Regierungen haben, die […] alle in ihrem Hoheitsgebiet lebenden Völker vertreten».

«Die Rechte nationaler Minderheiten missachtet»

Dass die ukrainischen Neonazis, die in Kiew die Macht ergriffen haben, für die Bevölkerungen der Krim und des Donbas keine Vertreter zuliessen, bedarf keines Beweises. Und die bedingungslose Unterstützung der westlichen Hauptstädte für die Aktionen des verbrecherischen Regimes in Kiew ist unzweideutig eine Verletzung des Grundsatzes der Selbstbestimmung nach einer groben Einmischung in die inneren Angelegenheiten.

Die Verabschiedung rassistischer Gesetze (alles Russische verbieten in Bildung, Medien, Kultur…, die Zerstörung von Büchern und Denkmälern, das Verbot der ukrainisch-orthodoxen Kirche und die Beschlagnahmung ihres Eigentums), die auf den Staatsstreich unter der Herrschaft von Poroschenko und danach Selensky folgten, sind eklatante Verstösse gegen Artikel 1.3 der UN-Charta über die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle – ohne Unterschied von Rasse, Geschlecht, Sprache oder Religion. Ganz zu schweigen davon, dass diese Massnahmen in direktem Widerspruch zur ukrainischen Verfassung stehen, in der die Verpflichtung des Staates zur Achtung der Rechte von Russen und anderen nationalen Minderheiten festgeschrieben ist.

Wenn wir die Forderung hören, die «Friedensformel» sei umzusetzen und die Ukraine in die Grenzen von 1991 zurückzuführen, stellt sich die Frage: Sind diejenigen, die das fordern, über die Erklärungen der ukrainischen Führung im Bilde, was den Bewohnern der betroffenen Gebiete damit blühen würde? In der Öffentlichkeit und auf offizieller Ebene wird ihnen fadengerade mit juristischer oder physischer Vernichtung gedroht. Der Westen pfeift seine Schützlinge in Kiew nicht nur nicht zurück, sondern feiert deren rassistische Politik darüber hinaus noch enthusiastisch.

In ähnlicher Weise haben übrigens die EU- und NATO-Mitglieder jahrzehntelang das Vorgehen Lettlands und Estlands unterstützt. Dort werden die Rechte Hunderttausender russischsprachiger Einwohner missachtet und sie werden als «Nicht-Bürger» bezeichnet. Bereits wird ernsthaft über die Einführung einer strafrechtlichen Norm für den Gebrauch der eigenen Muttersprache nachgedacht. Hochrangige Beamte erklären offiziell, die Verbreitung von Informationen – zum Beispiel über die Möglichkeit, Schüler des Landes könnten russische Fernstudiengänge belegen – sei als Bedrohung der nationalen Sicherheit zu betrachten und erfordere die Aufmerksamkeit der Strafverfolgungsbehörde.

«Resolution des Sicherheitsrats missachtet»

Zurück zur Ukraine. Der Abschluss des Minsker Abkommens im Februar 2015 wurde durch eine Sonderresolution des Sicherheitsrats gebilligt – in voller Übereinstimmung mit Artikel 36 der Charta, der «jedes Verfahren zur Beilegung einer Streitigkeit, das von den Parteien akzeptiert wurde», unterstützt. In diesem Fall von den drei Parteien Kiew, DNR (Donezk) und LNR (Luhansk).

Im vergangenen Jahr haben jedoch die drei «westlichen» Mitunterzeichner des Minsker Abkommens, also Merkel, Hollande und Poroschenko, öffentlich und sogar freudig zugegeben, dass sie bei der Unterzeichnung des Dokuments nicht die Absicht hatten, es umzusetzen. Sie wollten nur Zeit gewinnen, um das militärische Potenzial der Ukraine zu stärken und das Land mit Waffen gegen Russland aufzurüsten. All die Jahre haben die EU und die NATO die Sabotage des Minsker Abkommens direkt unterstützt und das Kiewer Regime zu einer gewaltsamen Lösung des «Donbas-Problems» gedrängt. Dies geschah unter Verletzung von Artikel 25 der Charta, wonach alle Mitglieder der Vereinten Nationen verpflichtet sind, «die Beschlüsse des Sicherheitsrates zu befolgen und auszuführen».

«Deutschland, Frankreich und die Ukraine haben ihre Verpflichtungen nicht eingehalten»

Ich erinnere daran, dass die Staats- und Regierungschefs Russlands, Deutschlands, Frankreichs und der Ukraine als Teil des Pakets mit dem Minsker Abkommen eine Erklärung unterzeichneten, in der sich Berlin und Paris unter anderem dazu verpflichtet haben, bei der Wiederherstellung des Bankensystems im Donbas zu helfen. Aber sie haben keinen Finger gerührt. Sie haben lediglich zugesehen, wie Poroschenko entgegen all diesen Zusagen eine Handels-, Wirtschafts- und Transportblockade gegen den Donbas verhängte. 

In derselben Erklärung verpflichteten sich Berlin und Paris, zur Stärkung der trilateralen Zusammenarbeit im Rahmen des Formats EU-Russland-Ukraine beizutragen, um Russlands Bedenken in Handelsfragen konkret anzugehen und «die Schaffung eines gemeinsamen humanitären und wirtschaftlichen Raums vom Atlantik bis zum Pazifik» zu fördern. Auch diese Erklärung wurde vom Sicherheitsrat gebilligt und unterlag dem bereits erwähnten Artikel 25 der UN-Charta. Doch selbst diese Verpflichtung der Staats- und Regierungschefs Deutschlands und Frankreichs erwies sich als «hohl», als ein weiterer Verstoss gegen die Grundsätze der Charta.

Andrej Gromyko (1909-1989), der legendäre Aussenminister der UdSSR, hatte zu Recht gesagt: «Besser zehn Jahre Verhandlungen als einen Tag Krieg». Diesem Grundsatz folgend haben wir viele Jahre lang verhandelt, den Abschluss von Vereinbarungen im Bereich der europäischen Sicherheit angestrebt, die NATO-Russland-Grundakte gebilligt, 1999 und 2010 auf höchster Ebene die OSZE-Erklärungen zur Unteilbarkeit der Sicherheit angenommen und seit 2015 auf der bedingungslosen Umsetzung des Minsker Abkommens bestanden, welches das Ergebnis der Verhandlungen war. Alles geschah in voller Übereinstimmung mit der UN-Charta, die verlangt, «die Bedingungen für Gerechtigkeit und die Einhaltung der Verpflichtungen aus Verträgen und anderen Quellen des Völkerrechts zu gewährleisten». Unsere westlichen Kollegen haben gegen diesen Grundsatz verstossen, als sie all diese Dokumente unterzeichneten, obwohl sie im Voraus wussten, dass sie sie nicht einhalten würden.

«Selensky verbietet Verhandlungen mit Putin»

Apropos Verhandlungen. Wir geben sie auch jetzt nicht auf. Der russische Präsident Wladimir Putin hat sich bei vielen Gelegenheiten dazu geäussert, auch kürzlich. Ich möchte den geehrten US-Aussenminister daran erinnern, dass Präsident Selensky ein Dekret unterzeichnet hat, welches Verhandlungen mit Putins Regierung verbietet. Wenn die USA so sehr an Verhandlungen interessiert sind, wäre es meines Erachtens nicht schwierig, Selensky «den Befehl» zu geben, dieses Dekret aufzuheben.

Heute hören wir in der Rhetorik unserer Gegner nur Parolen: «Invasion, Aggression, Annexion». Kein Wort über die Ursachen des Problems, darüber, dass sie seit vielen Jahren ein offen nazistisches Regime fördern, das den Ausgang des Zweiten Weltkriegs und die Geschichte seines eigenen Volkes umschreibt. Der Westen weicht dem sachlichen Gespräch aus, das auf Fakten beruhend alle Anforderungen der UN-Charta respektiert. Offenbar hat er keine Argumente für einen ehrlichen Dialog.

Es entsteht der Eindruck, dass die Vertreter des Westens Angst vor Diskussionen haben, die ihre Demagogie entlarven. Während sie die territoriale Integrität der Ukraine beschwören, schweigen die ehemaligen Kolonialmächte zu den Beschlüssen der Vereinten Nationen, wonach Paris das «französische» Mayotte an die Union der Komoren zurückgeben und London sich aus dem Chagos-Archipel zurückziehen und mit Buenos Aires Verhandlungen über die Malwinen aufnehmen müssten.

So ist es nicht verwunderlich, dass diese «Verfechter» der territorialen Integrität der Ukraine vorgeben, sich nicht mehr an die Bedeutung des Minsker Abkommens zu erinnern, das die Wiedervereinigung des Donbas in die Ukraine mit Garantien für die grundlegenden Menschenrechte, vor allem das Recht auf die eigene Muttersprache, vorsah. Indem der Westen die Umsetzung verhinderte, trägt er die direkte Verantwortung für den Zerfall der Ukraine und die Anzettelung des Bürgerkrieges (2014) in der Ukraine.

«Von der UN-Charta vorgesehene Verhandlungen auf regionaler Ebene verweigert»

Andere Grundsätze der UN-Charta, deren Einhaltung eine Sicherheitskrise in Europa verhindern und dazu beitragen könnte, vertrauensbildende Massnahmen auf der Grundlage eines Interessenausgleichs zu vereinbaren, befinden sich im Kapitel VIII, Artikel 2 der Charta. Darin wird gefordert, Streitigkeiten durch regionale Abmachungen und Einrichtungen beizulegen [«Mitglieder der Vereinten Nationen, die solche Abmachungen treffen oder solche Einrichtungen schaffen, werden sich nach besten Kräften bemühen, durch Inanspruchnahme dieser Abmachungen oder Einrichtungen örtlich begrenzte Streitigkeiten friedlich beizulegen, bevor sie den Sicherheitsrat damit befassen.»]

Im Einklang mit diesem Grundsatz hat sich Russland gemeinsam mit seinen Verbündeten stets für die Herstellung von Kontakten zwischen der OVKS [Organisation über kollektive Sicherheit ehemaliger Staaten der UdSSR[1]] und der NATO eingesetzt, um die praktische Umsetzung der oben genannten OSZE-Gipfelbeschlüsse von 1999 und 2010 über die Unteilbarkeit der Sicherheit zu erleichtern, in denen es insbesondere heisst, dass «kein Staat, keine Staatengruppe oder Organisation die Hauptverantwortung für die Wahrung von Frieden und Stabilität im OSZE-Gebiet übernehmen oder einen Teil dieses Gebiets als seinen Einflussbereich betrachten darf».

Jeder weiss, dass die NATO genau das getan hat: Sie hat versucht, sich in Europa und nun auch im asiatisch-pazifischen Raum einen Vorteil zu verschaffen. Die zahlreichen Appelle der obersten Gremien der OVKS an das Nordatlantische Bündnis wurden jedoch ignoriert. Der Grund für diese arrogante Haltung der USA und ihrer Verbündeten ist, wie heute jeder sehen kann, ihre mangelnde Bereitschaft, mit irgendjemandem einen Dialog auf Augenhöhe zu führen. Hätte die NATO die Kooperationsvorschläge der OVKS nicht abgelehnt, hätte sie viele der negativen Prozesse vermeiden können, die zur gegenwärtigen europäischen Krise geführt haben, weil sie sich jahrzehntelang geweigert haben, Russland zuzuhören oder es betrogen haben.

Wenn wir heute auf Anregung des Vorsitzenden über «effektiven Multilateralismus» diskutieren, sollten wir die wiederholte Ablehnung jeder Form von gleichberechtigter Zusammenarbeit durch den Westen nicht vergessen. Nehmen wir nur Josep Borrells [EU-Aussenminister] Ausspruch, Europa sei «ein blühender Garten, umgeben von einem Dschungel». Das ist ein rein neokoloniales Syndrom, das die souveräne Gleichheit der Staaten und die Aufgaben zur «Stärkung der Grundsätze der UN-Charta durch einen wirksamen Multilateralismus» verachtet, die uns heute zur Diskussion gestellt wurden.

In dem Bestreben, die Demokratisierung der zwischenstaatlichen Beziehungen zu verhindern, privatisieren die USA und ihre Verbündeten immer unverfrorener die Sekretariate internationaler Organisationen. Sie sorgen für die Schaffung untergeordneter Mechanismen ein, die zwar kein Mandat haben, aber das Recht beanspruchen, diejenigen anzuklagen, die Washington aus irgendeinem Grund nicht gefallen.

In diesem Zusammenhang möchte ich daran erinnern, dass die UN-Charta nicht nur von den Mitgliedstaaten, sondern auch vom Sekretariat unserer Organisation strikt eingehalten werden muss. Nach Artikel 100 der Charta ist das Sekretariat verpflichtet, unparteiisch zu handeln und es darf von keiner Regierung Weisungen entgegennehmen.

«Das Recht, das politische System selber zu wählen»

Wir haben bereits über Artikel 2 der Charta gesprochen. Ich möchte die Aufmerksamkeit auf seinen wichtigsten Absatz 1 lenken: «Die Organisation beruht auf dem Grundsatz der souveränen Gleichheit aller ihrer Mitglieder.» In Weiterentwicklung dieses Grundsatzes bestätigte die Generalversammlung der Vereinten Nationen in der von mir erwähnten Erklärung vom 24. Oktober 1970 «das unveräusserliche Recht eines jeden Staates, sein politisches, wirtschaftliches, soziales und kulturelles System ohne Einmischung von irgendeiner Seite selbst zu wählen».

In diesem Zusammenhang hinterfragen wir Aussagen von Generalsekretär Guterres vom 29. März dieses Jahres, wonach «autokratische Herrschaft keine Stabilität garantiert, sondern ein Katalysator für Chaos und Konflikte ist», dass aber «starke demokratische Gesellschaften zur Selbstheilung und Selbstverbesserung fähig sind. Sie können einen Wandel, sogar einen radikalen Wandel, ohne Blutvergiessen und Gewalt herbeiführen».

Man kann nicht umhinkommen, an die aggressiven Abenteuer der «starken Demokratien» in Jugoslawien, Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien und in vielen anderen Ländern zu erinnern.

Der ehrenwerte Antonio Guterres sagte weiter: «Sie – die Demokratien – sind Zentren einer umfassenden Zusammenarbeit, die auf den Grundsätzen der Gleichheit, der Teilhabe und der Solidarität beruht.»

Es ist bemerkenswert, dass alle diese Reden auf dem «Gipfel für Demokratie» gehalten wurden, die Präsident Biden ausserhalb der UNO einberief und dessen Teilnehmer die US-Regierung nach ihrer Loyalität ausgewählt hatte. Der Loyalität nicht so sehr gegenüber Washington, sondern gegenüber der regierenden Demokratischen Partei in den USA. Der Versuch, solche Foren zu nutzen, um globale Fragen zu erörtern, steht in direktem Widerspruch zu Artikel 1 Absatz 4 der UN-Charta, in dem es heisst, dass «die Rolle der Organisation als Zentrum für die Koordinierung von Massnahmen zur Erreichung gemeinsamer Ziele gewährleistet werden muss».

Entgegen diesem Prinzip haben Frankreich und Deutschland vor einigen Jahren ein «multilaterales Bündnis» ausgerufen, zu dem sie auch nur diejenigen einluden, die gehorchen, was an sich schon das Fortbestehen der kolonialen Mentalität und die Haltung der Initiatoren gegenüber dem Prinzip des «effektiven Multilateralismus» auf unserer aktuellen Agenda bestätigt. Gleichzeitig wurde das «Narrativ» der EU als Ideal für eben diesen «Multilateralismus» verbreitet. Jetzt gibt es Forderungen aus Brüssel, die Zahl der EU-Mitglieder so schnell wie möglich zu erweitern, insbesondere um die Balkanländer.

«Ist die Ukraine eine Demokratie oder eine Autokratie?»

Aber das wichtigste Pathos gilt nicht Serbien oder der Türkei, die sich seit Jahrzehnten in aussichtslosen Beitrittsverhandlungen befinden, sondern der Ukraine. Josep Borrell, der sich als Ideologe der europäischen Integration ausgibt, hat kürzlich nicht gezögert zu sagen, dass das Kiewer Regime so schnell wie möglich in die EU aufgenommen werden sollte. Wäre der Krieg nicht gewesen, hätte es Jahre gedauert, aber so ist es möglich und notwendig, ohne irgendwelche Kriterien. Serbien, die Türkei und andere können warten. Aber Nazis nehmen sie in der EU ausserhalb der Warteliste auf.

Übrigens verkündete der Generalsekretär auf demselben «Gipfel für Demokratie»: «Die Demokratie ergibt sich aus der UN-Charta. Die ersten Worte der Charta – ‹Wir, die Völker› – spiegeln die grundlegende Quelle der Legitimität wider: die Zustimmung derer, die regiert werden.»

Es wäre hilfreich, diese These mit der «Bilanz» des Kiewer Regimes in Verbindung zu bringen, das einen Krieg gegen einen grossen Teil seines eigenen Volkes entfesselt hatte, gegen jene Millionen von Menschen, die nicht damit einverstanden waren, von Russophoben und Neonazis regiert zu werden, die unrechtmässig die Macht im Land übernahmen und das vom UN-Sicherheitsrat gebilligte Minsker Abkommen zu Grabe trugen. Damit wurde die territoriale Integrität der Ukraine zerstört.

Diejenigen, welche die Menschheit im Widerspruch zur UN-Charta in «Demokratien» und «Autokratien» einteilen, täten gut daran, folgende Frage zu beantworten: In welche Kategorie ordnen Sie das ukrainische Regime ein? – Ich erwarte keine Antwort.

Das Verhältnis der UN-Generalversammlung zum Sicherheitsrat

Wenn wir über die Prinzipien der UN-Charta sprechen, stellt sich die Frage nach dem Verhältnis des Sicherheitsrates zur Generalversammlung. Das «westliche Kollektiv» geht seit langem aggressiv mit dem Thema «Missbrauch des Vetorechts» hausieren und hat – durch nicht ganz korrekten Druck auf andere UN-Mitglieder – erreicht, dass nach jedem Gebrauch dieses Rechts, den der Westen zunehmend bewusst provoziert, das entsprechende Thema in der Generalversammlung behandelt werden soll.

Das stellt für uns kein Problem dar. Russlands Haltung zu allen auf der Tagesordnung stehenden Themen ist offen, wir haben nichts zu verbergen, und es fällt uns nicht schwer, diesen Standpunkt erneut zu vertreten. Im Übrigen ist das Veto ein absolut legitimes Instrument, das in der Charta vorgesehen ist, um die Annahme von Beschlüssen zu verhindern, die das Risiko einer Spaltung der Organisation mit sich bringen würden.

Aber wenn das Verfahren zur Erörterung von Vetofällen in der Generalversammlung angewendet wird, warum nicht auch über die Resolutionen des Sicherheitsrates nachdenken, die nicht beachtet wurden, die angenommen wurden, auch vor vielen Jahren, aber trotz der Bestimmungen von Artikel 25 der Charta immer noch nicht umgesetzt sind? 

Warum sollte sich die Generalversammlung nicht mit den Gründen für diesen Zustand befassen? Zum Beispiel mit den Resolutionen des Sicherheitsrates zu Palästina und einer ganzen Reihe von Themen Nordafrikas und des Nahen Ostens, zum iranischen Atomabkommen, sowie mit der Resolution 2202, mit der das Minsker Abkommen zur Ukraine gebilligt wurde?

Sanktionen über die Beschlüsse des Sicherheitsrats hinaus

Auch die Frage der Sanktionen bedarf der Aufmerksamkeit. Es ist zur Regel geworden, dass der Sicherheitsrat nach langwierigen Verhandlungen unter strikter Einhaltung der Charta Sanktionen gegen ein bestimmtes Land beschliesst, und dass die USA und ihre Verbündeten dann «zusätzliche» einseitige Beschränkungen gegen denselben Staat verhängen, die nicht vom Sicherheitsrat gebilligt wurden und nicht in seiner Resolution im Rahmen des vereinbarten «Pakets» enthalten sind. 

Ein weiteres eklatantes Beispiel in der gleichen Reihe ist die soeben von Berlin, Paris und London durch ihre nationalen Rechtsnormen verabschiedete Entscheidung, die im Oktober auslaufenden Restriktionen gegen den Iran zu «verlängern«, die gemäss der Resolution 2231 des UN-Sicherheitsrats rechtlich beendet werden müssen. Mit anderen Worten: Die europäischen Länder und Grossbritannien erklären, dass der Beschluss des Sicherheitsrates abgelaufen ist, aber das interessiert sie nicht, denn sie haben ihre eigenen «Regeln».

Eine Resolution des Sicherheitsrats zu den Sanktionen verlangt, dass sich kein UN-Mitglied das Recht nimmt, diese Resolution zu entwerten, indem es seine eigenen unrechtmässigen Beschränkungen gegen dasselbe Land verhängt.

Es ist auch wichtig, dass alle Sanktionsregelungen des Sicherheitsrates zeitlich begrenzt sind, da ihr unbefristeter Charakter den Rat der Flexibilität beraubt, die Politik der «sanktionierten Regierungen» zu beeinflussen.

Das Thema der «humanitären Grenzen von Sanktionen» erfordert ebenfalls Aufmerksamkeit. Es wäre richtig, wenn alle künftigen Sanktionsprojekte, die dem Sicherheitsrat vorgelegt werden, von Bewertungen ihrer Folgen für die Bürger durch die humanitären Organisationen der Vereinten Nationen begleitet würden, anstatt von demagogischen Beschwörungen der westlichen Kollegen, dass «die einfachen Menschen nicht leiden werden».

«Eine polyzentrische Weltordnung als Garantie für Sicherheit»

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Fakten zeigen, dass sich die internationalen Beziehungen in einer der tiefsten Krisen befinden, und dass es dem Westen an Wunsch und Willen fehlt, diese Krise zu überwinden.

Ich hoffe, dass es einen Ausweg aus dieser Situation gibt und dass dieser auch gefunden wird. Zunächst einmal muss sich jeder der Verantwortung für das Schicksal unserer Organisation und der Welt bewusst werden – und zwar in einem historischen Kontext und nicht im Hinblick auf konjunkturelle Wahl- und Augenblicksentwicklungen bei den nächsten nationalen Wahlen in diesem oder jenem Mitgliedstaat. 

Lassen Sie mich noch einmal daran erinnern: Vor fast 80 Jahren haben sich die Staats- und Regierungschefs der Welt mit der Unterzeichnung der UN-Charta darauf geeinigt, die souveräne Gleichheit aller Staaten zu respektieren – grosser und kleiner, reicher und armer, Monarchien und Republiken. Mit anderen Worten: Schon damals erkannte die Menschheit die Notwendigkeit einer gleichberechtigten, polyzentrischen Weltordnung als Garantie für die Nachhaltigkeit und Sicherheit ihrer Entwicklung.

Deshalb geht es heute nicht darum, sich einer «regelbasierten Weltordnung» zu unterwerfen, sondern darum, die bei der Unterzeichnung und Ratifizierung der Charta eingegangenen Verpflichtungen in ihrer Gesamtheit und in ihrer Wechselbeziehung zu erfüllen.

__________________
Übersetzung: Thomas Röper. Die Ausführungen Lawrows auf Russisch mit englischen Untertiteln hier.


___________
FUSSNOTE
[1] Die Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit, kurz: OVKS, ist ein im Jahre 2002 auf Grundlage des 1992 geschlossenen Vertrages über kollektive Sicherheit gegründetes Militärbündnis zwischen mehreren früheren Mitgliedsstaaten der Sowjetunion, das von Russland angeführt wird.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

Ukraine_Sprachen

Die Ukraine zwischen Ost und West: Jetzt von Russland angegriffen

Die Ukraine wird Opfer geopolitischer Interessen. Die Nato wollte näher an Russland. Seit dem 24.2.2022 führt Russland einen Angriffskrieg.

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17 Meinungen

  • am 23.09.2023 um 11:53 Uhr
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    Danke.
    Warum gibt es keinen öffentlichen Diskurs zu den einzelnen Punkten dieser Rede?
    Wo liegt er falsch, wo hat er recht?
    Nur mit einem Verständnis (nicht Billigung!) seiner Positionen ist ein Ausweg aus der Katastrophe möglich, so schnell wie nur möglich!

  • am 23.09.2023 um 13:00 Uhr
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    Danke für die eindrückliche Rede Lawrows, die mir sonst verschlossen geblieben wäre. SRF berichtete danach von schweren Anschuldigungen Lawrows, auf die nicht weiter eingegangen wurde. Der ntv-Korrespondent sprach sogar von „üblichen Geschichten“. Lawrows historische Aufarbeitung des Konfliktes beruht m.E. auf Fakten. Wer Fakten ignoriert baut auf Sand.Ich frage mich immer wieder, wie Politiker und Journalisten, damit leben können, dass sie offensichtlich Unwahrheiten und Desinformation in die Welt setzen und damit das Gegenteil tun, zu dem sie von Amte oder Berufes wegen verpflichtet wären, nämlich Schutz der Bevölkerung und Friedenserhaltung. Neben der tatenlosen, schweigenden Mehrheit, gibt es auch Friedensdemonstrationen. Bei meinem Besuch in Hamburg stiess ich auf eine am 01.09.23: (https://www.friedenskooperative.de/termine/antikriegstag-2023-in-hamburg). Niemand berichtete darüber. Einige Oppositionelle in Moskau hingegen, machen bei uns Schlagzeilen.

    • am 24.09.2023 um 13:15 Uhr
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      Betreffend vereitelten Friedensverhandlungen, dem Minsker Abkommen kann man es in den Mainstreammedien nachlesen und verifizieren.

      Neulich wieder bei Anne Will ‹Mühsame Offensive, ferner Frieden – Braucht die Ukraine noch mehr Unterstützung?› (17.09.23).
      Fünf (inkl. Will) sind GEGEN eine friedliche Lösung und wollen UNBEDINGT die Ukraine mit Waffen vollpumpen, mit der wissentlich unwahre Begründung: Putin würde angeblich Verhandlungen ablehnen, vgl. vom Westen vereiteltes Minsker-Abkommen.

      Die Wagenknecht war die einzige, die sich für Frieden aussprach und wurde nachher in den Medien zerfetzt.

      https://www.ardmediathek.de/video/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLm5kci5kZS8xMjQ2XzIwMjMtMDktMTctMjEtNDU

  • am 23.09.2023 um 14:25 Uhr
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    Audiatur et altera pars „Man höre auch die andere Seite»
    Man muss die Sicht von Lawrow nicht teilen, aber seine Rede als solches ist sachlich, in sich stimmig und m.E. gut begründet. Bei unseren Politikern ist es meist eine Aufsummierung von leeren Floskeln und Worthülsen.
    Laut Lawrow sollen «alle Bestimmungen der UN-Charta nicht selektiv, sondern in ihrer Gesamtheit und in ihrer Wechselbeziehung beachtet und angewandt werden, einschliesslich der Grundsätze der souveränen Gleichheit der Staaten, der Nichteinmischung in ihre inneren Angelegenheiten, der Achtung der territorialen Integrität und des Rechts der Völker auf Selbstbestimmung.»
    Im Disclaimer werden die Verstösse der USA gegen die UN-Charta, sowohl der illegale Regime Change, die illegalen Sanktionen, als auch der Verstoss gegen das Selbstbestimmungsrecht der Völker weggelassen. Lawrow wird unterstellt, er hätte angeblich behauptet, die Ukraine hätte Russland angegriffen und Russl. würde sich verteidigen – da steht kein Wort.

  • am 23.09.2023 um 16:09 Uhr
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    Ich finde es gut, dass Info Sperber diese Rede gebracht hat. Zu hoffen ist, dass ein Waffenstillstand zustande kommt. An jedem Tag des Krieges gibt es mehr Tote und Verletzte, mehr Zerstörungen, hüben wie drüben. In Finnland gab es noch Jahrzehnte nach dem Krieg zehntausende Kriegsinvalide, wie in Russland und Deutschland sicher auch. Viele Kinder wuchsen ohne Vater auf, weil ihr Vater gefallen war.

  • am 23.09.2023 um 21:12 Uhr
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    Danke für die Veröffentlichung – gewiss ein wertvoller Beitrag zur Ausgewogenheit. In hiesigen Blättern wird sehr verkürzt zB. so berichtet: «https://www.berliner-zeitung.de/news/luegenimperium-lawrow-wuetet-bei-uno-rede-gegen-den-westen-li.434534»

    Eine sehr harsche Kritik, auch an der UN, an ihrem Generalsekretär Guterres, va. aber an der Missachtung von UN, ihren Beschlüssen und ihrer Charta. Teils sehr nachvollziehbar, teils für mich schwer zu beurteilen.

    Ein krasses Bspl. für die von Lawrow genannte sehr selektive Auslegung der UN-Charta bietet sich ja tragischer Weise seit Jahren / Monaten und noch weiter eskaliert dieser Tage um die Gewalt seitens Aserbaidschans.

    Eines der von Lawrow sicher zurecht genannten Themen ist die Situation der russischstämmigen Menschen im Donbass/Krim. Unsere Regierungen und Medien fokussieren hier ausschließlich auf das «Territorium», die Menschen darin bleiben außen vor. Ob auch sie eine Rückeroberung durch Kiew als «Befreiung» empfinden würden?

    • am 25.09.2023 um 23:00 Uhr
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      Offensichtlich hat Lawrow 2 Reden bei der UNO gehalten, viele der Medienbeiträge (s.o.) bezogen sich offenbar auf seine 2. Rede (vor der Vollversammlung). Arnold Schölzel hat sie übersetzt: https://www.jungewelt.de/artikel/460010.un-vollversammlung-neue-weltordnung-wird-geboren.html
      Diese 2. Rede Lawrows befasst sich mit zahlreichen globalen Problemen, für die er die USA, explizit einschließlich ihrer Europäischen Verbündeten als Verantwortliche festmacht. Fallweise sicherlich nicht völlig zu Unrecht, bisweilen für mich unverständlich (zB. zu Bergkarabach), in anderen Fällen jedenfalls diskussionswürdig.
      Interessant scheint seine fundamentale Kritik und seine Forderung zu Veränderungen westlich dominierter internation. Institutionen und Ordnungen, wie sie ähnlich auch von etlichen lateinamerikanischen Staatsoberhäuptern in wirklich beachtenswerten, kapitalismuskritischen, hoffentlich global auch wahrgenommenen, Reden gefordert werden, siehe zB: https://www.nachdenkseiten.de/?p=104325

  • am 23.09.2023 um 22:29 Uhr
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    Nichts gegen Redefreiheit.
    Wer einen Angriffskrieg lostritt, dem mangelt es allerdings am schutzwürdigen Interesse.

    • am 24.09.2023 um 10:48 Uhr
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      Werter Herr Wieland, ich benutze diese Rede- und Gedankenfreiheit: Folgendes: wer einem allgemein bekannten, absichtlich organisierten und finanzierten Regime-Change, einem Massaker von Odessa, einem Anti-Maidan und einem Vorgehen einer Armee gegen die eigene Bevölkerung – wohlverstanden in Europa – während mindestens 8 Jahren, nichts entgegenstellt, woran mangelt es da?

    • am 24.09.2023 um 12:47 Uhr
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      Meinen Sie nicht, dass die «Vorgänge» vor einem Angriff gesehen, diskutiert werden müssen, um eben einen solchen zu verhindern? DAS wäre Kriegsverhinderung, DAS wäre Friedenspolitik. Offensichtlich hatte daran der Westen kein Interesse. Warum? Dass Merkel u Hollande kein Interesse an der Erfüllung von Minsk hatten, ist ja Fakt, selbst bestätigt. Also Täuschung u Lüge. Warum? Auch das ist ungeklärt. Mit genau denselben Begründungen, humanitäre Sonderoperation, hat D mit den USA einen völkerrechtswidrigen Angriff auf Jugoslawien geführt, wobei sich nachträglich herausstellte, dass die Kontrahenten sich gegenseitig nichts geschenkt hatten u dieser, wie einige in der Geschichte, auf Lügen beruhte. Was ist mit denen der USA? Was ist mit Aserbaidschan, mit der Türkei? Wer gegen völkerrechtswidrige Angriffe ist, wie ich, muss gegen alle solche sein u nicht selektiv urteilen. Das Problem ist m.E. die Doppelmoral, die in gute u böse völkerrechtswidrige Angriffe aufteilt, nach Ideologie.

      • am 25.09.2023 um 07:58 Uhr
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        Werte Frau Gernbauer, vielen Dank für Ihren Bericht und Ihre Anregung. Ja, Friedenspolitik beginnt mit einer der Wahrheit verpflichteten Berichterstattung – gemäss der Münchner Ethik-Charta des Journalismus. Wie Sie richtig feststellen, hat man bei uns daran kein Interesse und lässt die Menschen im Glauben Präs. Putin habe «aus einer Laune des Tages» diesen Krieg begonnen. Der CH-Offizier und ehem. NATO-Berater (auch in der Ukraine) Oberst Jacques Baud beschreibt die Umstände die zu diesem Krieg führten (und auch die Berichterstattung dazu) minuziös und sachlich in seinem Buch: «Putin, Herr des Geschehens?» Und, selbstverständlich sind unsere Kriege im Irak, in Libyen, Jugoslawien, Afghanistan, Vietnam…usw. keine Angriffskriege gewesen! Das Schlamassel wird für uns erst enden, wenn wir dazu fähig sind unseren «Sittenkodex» aufrichtig zu hinterfragen.

    • am 25.09.2023 um 15:23 Uhr
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      «Wer einen Angriffskrieg lostritt, dem mangelt es allerdings am schutzwürdigen Interesse.» wenn das so ist, dann müssen die USA ja komplett die Klappe halten. Soviel Angriffskriege, wie die in den letzten 30 Jahren (nach Ende des kmalten Krieges 1.0) begonnen haben, dass schafft Russland in 100 Jahren nicht.

  • am 24.09.2023 um 00:44 Uhr
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    Danke für die übertragung dieser Rede. Putin hatte sich bereits 2007 beklagt, dass die Kollegen ihm nicht zuhören und seine Anliegen nicht ernst genommen werden. Wie der Franzose sagt: deux poids, deux mesures. Der Westen tut, was er von Russland nie tolerieren würde! Dass Russland in den Donbass eingedrungen ist, kann man tatsächlich als legitim betrachten, obwohl völkerrechtlich nicht legal. Der Einmarsch hatte zum Ziel, die russophone Bevölkerung vor den kontinuierlichen Angriffen der Ukraine zu beschützen und diesem Bürgerkrieg ein Ende zu setzen. Aber auch über die Hintergründe hat die westliche Bevölkerung keine Ahnung. Der Boomerang könnte bald mal sehr schmerzhaft werden!

  • am 24.09.2023 um 08:02 Uhr
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    Dem Infosperber vielen Dank für die Publikation der Lawrow-Rede. Wo, wenn nicht hier ist der russische Standpunkt so ausführlich wiedergegeben? Die «Qualitätsmedien» sollten sich das als Vorbild nehmen!

    • am 26.09.2023 um 08:38 Uhr
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      Mein Empfinden, die «Qualitätsmedien» sind inzwischen in geradezu abstoßender Weise auf Linie gebracht und Leserkommentare werden nur freigeschaltet, wenn sie dazu passen. Wenn ein Kommentar gegen Putin/Russland gerichtet ist, gibt es für Gossenjargon keinerlei Grenzen. Die ZDF-heute-show, früher meine Lieblingssendung geht auch in die Richtung und mutiert dadurch inzwischen zum Langweiler.

  • am 24.09.2023 um 13:23 Uhr
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    Wenn wir korrekterweise über Verstösse gegen das Völkerrecht hinweisen, dann muss dieser Massstab für Alle gelten. Und genau da wird mit unterschiedlichen Ellen gemessen und es wäre auch die Aufgabe der 4. Gewalt, kritisch und ausgewogen darüber zu berichten. Gerade diejenigen, welche Russland anprangern und trotz gegenteiliger Beteuerungen Teil dieses Konflikts sind, sollten ihre eigene Rolle und ihre Taten reflektieren und aufhören, über demokratische und freiheitliche «Werte» zu flunkern, wo es doch einzig um geopolitische Interessen geht.

  • am 24.09.2023 um 20:07 Uhr
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    Hier steht: Als Sergei Lawrow vor der UNO-Vollversammlung den Standpunkt Russlands vertrat, verliess Ukraines Präsident Selensky den Saal.
    Es wird nichts darüber ausgesagt, wo Lawrow sich während der Rede Selenskys aufgehalten hat. War es so, wie es im Tagesspiegel steht, ist das hier eine unsaubere Formulierung.

    im Tagesspiegel liest sich das anders: Lawrow hatte den Saal erst betreten, nachdem der ukrainische Präsident diesen verlassen hatte. Mein Kommentar: Sie sind sich beiderseitig aus dem Weg gegangen. Ich glaube, es war eher so.
    https://www.tagesspiegel.de/internationales/sie-konnen-es-nennen-wie-sie-wollen-lawrow-wirft-dem-westen-direkten-kampf-gegen-russland-vor-10519435.html

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