Ralph Nader.Joe Biden

Ralph Nader / Präsident Joe Biden © cc

Ralph Nader: Joe Biden verspricht das Blaue von Himmel

Ralph Nader /  Der Ex-Konsumentenschützer und Ex-Präsidentschaftskandidat Ralph Nader wirft dem US-Präsidenten mit dem Budget Augenwischerei vor.

J.E. Unter dem Titel «Nie und nimmer ‹Scranton Joe› — er war schon immer ‹Delaware Joe›» nimmt Ralph Nader auf Scheerpost den Budgetentwurf von Biden auseinander. Joe Biden ist in Scranton, einer kleinen Stadt in Pennsylvania, geboren. «Scranton Joe» zielt also auf seine bescheidene Herkunft. Der Bundesstaat Delaware ist eines der Steuerparadiese der USA. Somit meint «Delaware Joe» eben die Verflechtung von Joe Biden mit dem Grosskapital.


Das vorgeschlagene Budget dürfte den Reichen und den Konzernen zwar missfallen…

In seinem Budgetentwurf 2024 zuhanden des Kongresses schlug Präsident Joe Biden Anfang März 2023 höhere Einnahmen durch Steuermassnahmen vor, die den Reichen und den Konzernen missfallen dürften. Doch wie seine Vorgänger Barack Obama und Bill Clinton meint er nicht wirklich, was er sagt.

Die vier von Biden vorgeschlagenen Steuererhöhungen wären bedeutsam, weil sie 1) den Steuersatz für Unternehmen von Trumps Senkung auf 21 Prozent im Jahr 2017 wieder auf 28 Prozent anheben würden. Zudem würde 2) der Spitzensteuersatz für Einkommen über 400’000 Dollar pro Jahr von 37 Prozent auf 39,6 Prozent erhöht. Auch würde 3) die indirekte Steuer auf Aktienrückkäufe von Unternehmen von 1 Prozent auf 4 Prozent steigen. Und schliesslich sollte 4) das riesige Schlupfloch für «Zinserträge» von privaten superreichen Fondsmanagern beseitigt, indem deren Einkünfte zu normalen Sätzen besteuert würden.

Er unterbreitete sogar den Vorschlag, Kapitalerträge zum selben Steuersatz zu belasten wie die Haushalte mit einem Einkommen von einer Million Dollar und mehr.

…aber ernst gemeint ist es nicht

Die Rücknahme der von Donald Trump, George W. Bush und den Republikanern im Kongress erlassenen Steuergeschenke für diese wohlhabenden Steuerflüchtlinge richten sich an die Grossspender mit einem Augenzwinkern. Biden lädt sie am nächsten Wochenende nach Washington ein, um die Kampagne für seine Wiederwahl zu finanzieren.

Hier sind meine Vorschläge für Präsident Biden

Herr Präsident: Wie beim Lippenbekenntnis anderer Demokraten für einen Mindestlohn von 15 Dollar auf Bundesebene und für eine öffentliche Alternative zu Obamacare [Zugang aller zu einer Krankenversicherung: Patient Protection and Affordable Care Act (PPACA) von 2010] glauben die Bürgerinnen und Bürger nicht, dass Sie für die von Ihnen vorgeschlagenen Steuervorschläge für Superreiche tatsächlich kämpfen. Warum sollten sie auch? Ihre Worte auf dem Capitol Hill reichen nicht, weil Ihnen und der Demokratischen Partei die Durchsetzungskraft fehlt. Deshalb sind die vorgeschlagenen Erhöhungen im Sinne eines Steuerausgleichs unglaubwürdig.

Wo ist zum Beispiel Ihre Präsidententournée, auf der Sie diese notwendigen Steuererhöhungen bekanntmachen? Wenn Sie wirklich «Scranton Joe» sind, könnten Sie damit beginnen, nach Scranton in Pennsylvania zu fahren und dort mit den gewerkschaftlich organisierten Arbeiterinnen und Arbeitern zusammenzukommen. Dann könnten Sie den Kontrast aufzeigen, der zwischen den Bundessteuersätzen für normale Leute und jenen Steuersätzen besteht, die für Plutokraten und oft gar nichts zahlende Grosskonzerne gelten. Sie könnten das schläfrige Demokratische Nationalkomitee [das nationale Organisationsgremium der Demokratischen Partei] aufrütteln und alle demokratischen Mitglieder des Kongresses dazu bewegen, in ihren Bezirken für diese überfälligen Reformen zu werben, statt zu Hause einfach «Pausen» einzulegen.

Sie könnten eine grosse Ansprache zur Hauptsendezeit halten, um diese tief empfundenen Ungerechtigkeiten zu beseitigen, die von liberalen und konservativen Amerikanerinnen und Amerikanern gleichermassen geschultert werden. Sie könnten Ihre Partei auffordern, Pressekonferenzen mit Beispielen und Bildern abzuhalten. Damit könnten Sie die ernsthafte Entschlossenheit unter Beweis stellen, den Capitol Hill [Kapitol mit Senat und Repräsentantenhaus] unter dem elektrisierenden Druck durch die Menschen zu Hause zu erschüttern.

Führende Zeitungen würden Ihre Stellungsnahmen zu diesem Thema abdrucken. NPR [National Public Radio; öffentlich-rechtliches Radio auf nationaler Ebene], PBS [Public Broadcasting Service: öffentlich-rechtlicher Fernsehsender] und die Sonntagstalkshows würden führende Demokratinnen und Demokraten interviewen wollen.

Schliessen treffen Sie sich mit führenden Bürgerinitiativen, um in Kontakt mit der Zivilgesellschaft zu kommen. Diese ist immer noch skeptisch ob der Rhetorik der Demokratischen Partei, weil sie ihren Worten keine entschiedenen Taten folgen lässt.

Sie können den Defätismus Ihrer demokratischen Kolleginnen und Kollegen zurückweisen, der auf dem Vorurteil beruht, die korrupten und grausamen Republikaner hätten die Stimmen, um solche Gesetze zu blockieren. Die von den Demokraten kontrollierten Senatsausschüsse können öffentliche Anhörungen veranstalten, die für Aufsehen sorgen. Hätten sich die Demokraten wirklich für Steuergerechtigkeit eingesetzt, hätte die GOP [Grand Old Party: gemeint ist die Republikanische Partei] bei der letzten Wahl das Repräsentantenhaus vielleicht nicht erobert. (Siehe: winningamerica.net).

Die Vorteile einer echten Kraftanstrengung stünden im Gegensatz zu dem soeben veröffentlichten 300-seitigen sadistischen Angriff der Republikaner auf das Wohlergehen aller Amerikanerinnen und Amerikaner, der irreführend den Titel «Limit, Save, Grow Act of 2023» [Gesetz zur «Begrenzung der Ausgaben, Gewährleistung der Steuereinnahmen und Wachstum der Wirtschaft»] trägt. Dieses Gesetz ist ein historisches und beschämendes Beispiel dafür, wie sehr sich die Republikaner im Kongress dem krassen Korporatismus verpflichtet fühlen.

Sie brauchen inspirierende Worte, um den Menschen zu zeigen, dass Sie «Scranton Joe» und nicht «Delaware Joe» sind – also nicht jenem berüchtigten Bundesstaat mit schwachen Gesetzen hinsichtlich der Macht der Konzerne zugehörig sind. 

Sie erinnern sich vielleicht, dass wir 1973 ein Buch mit dem Titel The Corporate State [Der Konzern-Staat] über die enorme Macht von DuPont in Delaware veröffentlicht haben. DuPont besass damals die beiden grössten Zeitungen in Wilmington [die grösste Stadt in Delaware mit bloss 71’000 Einwohnern, aber ein wichtiger Finanzplatz] und leistete wohltätige Beiträge, die nur einen Bruchteil seiner staatlichen und lokalen Steuervergünstigungen ausmachten.

Ein guter Anfang wäre es, den Grossspendern bei ihren Besuchen zu sagen, dass der eigentliche patriotische Dienst für Amerika darin bestehe, dringend ein produktives und ausgeglichenes Budget zu haben. Es ist an der Zeit, dass deren Steuerferien ein Ende haben.

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Übersetzung: Josef Estermann


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

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