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Der Zwergenstaat Guyana hat nicht einmal eine Million Einwohner - aber sehr viel Öl. © Google Earth

Ölboom in Guyana: Schlecht beraten

D. Gschweng /  Wie Exxon mit Hilfe der Weltbank ein kleines südamerikanisches Land über den Tisch zog.

Zwischen Venezuela und Surinam liegt Guyana. Es hat knapp 780’000 Einwohner, die von Bergbau und Landwirtschaft leben, und ein BIP von 6,2 Milliarden Dollar.

Auf dem Korruptionsindex belegt Guyana Rang 85 von 180 Ländern, an der Rechtmässigkeit der letzten Präsidentenwahl vom 2. März 2020 gibt es Zweifel. Die Staatsverschuldung liegt bei über 50 Prozent. Bis jetzt.

Als einziges Land in den beiden Amerika und eines der wenigen weltweit wird Guyana dieses Jahr kräftig wachsen. Angekündigt ist ein Wirtschaftswachstum von satten 53 Prozent. Bis 2018 waren es jeweils unter fünf Prozent.

Das Öl ändert alles

Seit 2015 vor der Küste von Guyana reiche Ölvorkommen entdeckt wurden, ist alles anders. Etwa acht Milliarden Barrel schlummern dort unter dem Meeresboden – eines der grössten noch nicht erschlossenen Ölfelder der Welt. Das arme Guyana könnte in Kürze eines der reichsten ölfördernden Länder werden – eine Art Katar im tiefen Westen. Daran ändern nicht einmal die politischen Probleme des Landes etwas.

Ein Land wie Guyana fördert Öl natürlich nicht allein. Neben ExxonMobil bemühen sich die US-basierte Hess Corporation und die staatliche chinesische CNOOC um die Entwicklung des Ölfeldes.


An der Entwicklung des Ölfeldes vor Guyana beteiligen sich mehrere grosse Ölförderunternehmen. (Global Witness)

Seit sich der Ölboom abzeichnet, bemüht sich die guyanische Regierung, ihr Land vorzubereiten. Nachdem Nachbarschaftsstreitigkeiten mit Surinam über den Verlauf der Seegrenzen beigelegt waren, mussten Gesetze erlassen, Regulierungen erstellt und die Finanzinfrastruktur aufgebaut werden.

Beim Umbau der Gesetzgebung half die Weltbank mit 55 Millionen Dollar, zusätzlich 35 Millionen Dollar stellte sie für den Banken- und Versicherungssektor zur Verfügung, der bald mit den zu erwartenden Milliardengewinnen fertigwerden muss.

Finanzierung fossiler Rohstoffe – war da nicht was?

Ein Teil dieses Geldes floss in Beratungsleistungen, die der in diesen Dingen unerfahrenen Regierung Guyanas helfen sollten. Externe Berater sollten den Umbau begleiten. Auf diesem Weg finanzierte die Weltbank unter anderem Unterstützung durch die Kanzlei «Hunton Andrews Kurth». Das etwas stossende Detail daran: Der grösste Klient von «Hunton Andrews Kurth» ist seit langer Zeit ExxonMobil. Auch einige andere Kontraktoren haben Verbindungen zu Exxon.

Mehrere Organisationen bemängeln diesen und einen weiteren offensichtlichen Interessenkonflikt. So hat sich die Weltbank in Übereinstimmung mit dem Pariser Klimaabkommen von 2015 verpflichtet, die Förderung fossiler Rohstoffe nicht mehr zu finanzieren. Am Aufbau eines gigantischen Ölfeldes mitzuwirken, widerspricht dieser Selbstverpflichtung. Die Weltbank rechtfertigt sich, sie habe mit der Finanzierung ja nicht direkt Geld in die Entwicklung des Ölfelds gesteckt.

Öl-Lobbyist berät Regierung zur Regulierung von Ölförderung

Zum Zweiten kann es eigentlich nicht gut ausgehen, wenn eine Firma, deren Haupteinkommen seit Jahrzehnten von einem grossen Ölkonzern stammt, einem kleinen südamerikanischen Land Gesetze zur Ölförderung, Besteuerung und zum Umweltschutz diktiert.

Der Gewinn von «Hunton Andrews Kurth» sei womöglich weit abhängiger von der Ölindustrie als von dem Land, für das sie Gesetze vorschlägt, sagt Philip Nichols, der an der Universität von Pennsylvania Ethik und Recht unterrichtet. Die Organisation «Urgewald» hat mehrere Interessenkonflikte ausfindig gemacht und sich damit an die Weltbank gewandt.

Unerfahrene Regierung nickt unvorteilhaften Deal ab

Auch die Lizenzvereinbarungen, welche die unerfahrene Regierung mit ExxonMobil über ein Gebiet namens «Stabroek Block» ausgehandelt hat, sind trotz der zu erwartenden Geldschwemme für das Land nicht vorteilhaft.


Der Deal, den Guyana mit ExxonMobil ausgehandelt hat, könnte laut «OpenOil» besser sein.

Guyana entgingen über die gesamte Laufzeit 55 Milliarden Dollar, 1,3 Milliarden pro Jahr, fand «Global Witness» und bezieht sich dabei auf eine Analyse von «OpenOil». Die guyanische Regierung sollte die Lizenzbedingungen umgehend neu verhandeln, empfiehlt die Nichtregierungsorganisation.

Guyana wird die Öl-Gewinne brauchen – wegen des Klimawandels

Auch wenn es dabei um sehr viel Geld geht – die zusätzlichen Gewinne aus dem Erdölhandel wird Guyana dringend brauchen. Nicht nur, weil das Land bisher eines der ärmsten in Südamerika ist. Die Gesundheitsinfrastruktur des Landes lässt zu wünschen übrig, Strassen fehlen und viele Schulen sind marode.

Der Grossteil der Bevölkerung lebt in den niedrig gelegenen Küstengebieten, der Rest Guyanas besteht aus kaum bewohnten Urwäldern. Die vereinzelten Minen sind kaum an die Hauptstadt angebunden. Durch den Klimawandel und den damit einhergehenden steigenden Meeresspiegel ist die Bevölkerung mindestens mittelfristig von Überschwemmungen und Landverlust bedroht. Verursacht werden diese zu grossen Teilen von Big Oil.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

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