Demo tbilissi

Demonstration in Georgiens Hauptstadt Tbilissi gegen das neue «Agentengesetz» © G.A.

NZZ: Westliche Demo-Teilnahme in Georgien nein, in Ukraine ja

upg. /  Vier europäische Aussenminister traten in Tbilissi an Demo gegen das «Agentengesetz» auf. Dies sei «völkerrechtlich fragwürdig».

Es war eine Gross-Demonstration in der Hauptstadt Georgiens gegen die Regierung und das Parlament, das ein «Agentengesetz» verabschieden wollte (und es dann auch tat). Dieses Gesetz namens «Transparenz ausländischen Einflusses» will alle ausländischen NGOs und Organisationen registrieren lassen, sofern mehr als ein Fünftel ihrer Einnahmen aus dem Ausland stammen. 

Anwesend waren auch die Aussenminister von Estland, Lettland, Litauen und Island. Unter grossem Applaus hielt der litauische Aussenminister Gabrielius Landbergs eine flammende Rede. Diese Länder sähen sich in einer Art postsowjetischer Schicksalsgemeinschaft mit Georgien.

«Völkerrechtlich fragwürdig»

Der litauische Aussenminister dürfe jedoch in einem fremden Land nicht wie an einer Wahlveranstaltung im eigenen Land auftreten, meinte EU- und Südosteuropa-Redaktor Andreas Ernst in der NZZ. Und zwar aus zwei Gründen:

«Zum einen ist seine Intervention völkerrechtlich fragwürdig, weil sie gegen das Prinzip der Nichteinmischung in die innere Angelegenheit eines anderen Staates verstösst.
Dieses wird von Artikel 2 der Uno-Satzung garantiert und dient dem Schutz der Souveränität von Staaten. Natürlich dürfen alle Staaten, denen etwas an Georgien liegt, sich dafür einsetzen, dass das Land eine Demokratie bleibt. Aber das umfasst nicht die Teilnahme von Regierungsvertretern an Demonstrationen.

Der zweite Grund, weshalb der Auftritt von Landsbergis und seinen Kollegen ein Fehler war, ist politisch. Sie spielen damit der Regierung und den Demokratiegegnern direkt in die Hände: Dass ausgerechnet an dem Protest gegen das «Agentengesetz» ausländische Minister auftreten, ist für sie ein gefundenes Fressen. Was machen die dort? Sind das nicht Agenten?»

John McCain, Catherine Ashton, Guido Westerwelle und Victoria Nuland auf dem Maidan

Das Verbot der Einmischung in die Angelegenheiten fremder Staaten gilt unabhängig davon, wie der fremde Staat regiert wird. Es gibt kein Recht, eine korruptes Regime oder eine Diktatur mittels Einmischung in die Innenpolitik dieses Landes zu destabilisieren oder zu stürzen.

Nach eigenen Angaben investierten die USA seit den Neunzigerjahren fünf Milliarden Dollar, um einen «Regime Change» in Kiew zu unterstützen. Und das taten die USA, indem sie sich in die Innenpolitik der Ukraine einmischten. Doch wer das kritisierte und an das Völkerrechts-Gebot der Nichteinmischung erinnerte, wurde zuweilen als «Russland-Troll» kritisiert.

Am 20. November 2013 hatte der föderalistische Parlamentarier Oleg Tsarev im Parlament erklärt: 

«Die US-Botschaft in Kiew hat ‹Tech Camps› unterstützt, an denen Spezialisten für die Informationskriegsführung und für die Diskreditierung staatlicher Institutionen mit Hilfe moderner Medien ausgebildet wurden – potenzielle Revolutionäre für die Organisation von Protesten und den Sturz der Regierung. Etwa 300 Personen wurden zu Agenten ausgebildet. Die letzte Konferenz fand am 14. November 2013 im Herzen von Kiew in der US-Botschaft statt!»

Westliche Politiker wie Victoria Nuland, damals Abteilungsleiterin im US-Aussenministerium, der deutsche Aussenminister Guido Westerwelle, die Sprecherin der Grünen für Osteuropa-Politik Marieluise Beck, US-Senator John McCain und die damalige EU-Aussenbeauftragte Catherine Ashton traten auf dem Maidan auf. Sie feuerten die Demonstranten an und sendeten so ein Signal westlicher Beteiligung und Unterstützung. 

Auch diese Interventionen in der Ukraine waren völkerrechtlich fragwürdig, weil sie gegen das Prinzip der Nichteinmischung in die innere Angelegenheit eines anderen Staates verstiessen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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3 Meinungen

  • am 21.05.2024 um 11:43 Uhr
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    Die anmassenden EU-Vertreter machen Propaganda und verschweigen, das ein derartiges GESETZ seit Jahrzehnten in den USA und auch anderswo existiert.
    Die darin festgelegte Informationspflicht beschränkt in keiner Weise die Informationsfreiheit und betrifft schon garnicht das Völkerrechtlich.

  • am 21.05.2024 um 13:10 Uhr
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    Was soll das heissen ‹völkerrechtlich fragwürdig›? Das ist meines Wissens keine rechtliche Kategorie, sondern eine subjektive Einschätzung. Georgien liess die Leute einreisen – was man nicht hätte tun müssen – und gegen georgische Gesetze verstossen haben sie nicht. Georgien bemüht sich um Mitgliedschaft in NATO und EU – und gibt damit seine Souveränität selbst mindestens teilweise auf.
    Viel stossender ist, dies: Das Parlament in Georgien wurde demokratisch gewählt – die Wahl war sauber. Es repräsentiert somit in seiner Zusammensetzung den Willen des Volkes. Nun kommt eine westlich orientierte Minderheit und will mit Unterstützung aus dem Ausland die Demokratie unterlaufen, und der Mehrheit ihren Willen aufzwingen.
    Das ist der eigentliche Elefant im Raum, weil es im Grunde ein Putsch gegen die rechtsstaatliche Ordnung und die Demokratie ist. In Georgien und in der Ukraine. In westlichen Staaten läuft auch alles auf die Abkehr von Rechsstaat und Demokratie zur «Mobrule» hinaus.

  • am 21.05.2024 um 13:54 Uhr
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    Ich danke dem Infosperber für diesen ungeheuer erhellenden Artikel. Dass die NZZ auf einem Auge blind geworden ist und transatlantischen statt schweizerischen Interessen folgt, bestätigt sich damit erneut. Ich habe das Abo nach Covid gekündigt.

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